Ideologische Gräben
USA Bei der zweiten Präsidentschaftsdebatte der Demokraten werden die ideologischen Differenzen fast schmerzhaft deutlicher
Washington Der Einwurf kam kurz, aber schneidend. „Ich verstehe nicht, warum jemand die ganze Mühe einer Kandidatur auf sich nimmt, nur um zu sagen, was nicht geht und wofür wir nicht kämpfen sollten“, giftete die linke Senatorin Elizabeth Warren. Der frühere Abgeordnete John Delaney, der die Vorschläge der Parteifreundin als „Märchen-Wirtschaftspolitik“kritisiert hatte, schaute bedröppelt in die Kamera.
Die Szene war bezeichnend für den Auftakt zur zweiten TV-Debattenrunde der demokratischen Präsidentschaftskandidaten: Während Amtsinhaber Trump seit Tagen mit immer neuen Ausfällen gegen Migranten, farbige Politiker und mehrheitlich afroamerikanische Städte dumpfe Ressentiments schürt, widmet sich die Opposition zunehmend leidenschaftlich ihren internen Richtungskämpfen.
Im Mittelpunkt des fast dreistündigen, gleichwohl gehetzten Schlagabtausches der ersten zehn von 20 Kandidaten standen die Gesundheits-, die Umwelt- und die Einwanderungspolitik. Präsident Trump und seine Politik kamen über weite Strecken nicht zur Sprache. Das änderte sich erst, als die Moderatoren das Thema „Rassengerechtigkeit“aufriefen.
„Wir leben in einem Land, in dem der Präsident Rassismus in der Umwelt, in der Wirtschaft, im Rechtssystem und im Gesundheitswesen befördert“, kritisierte Warren. Der linke Senator Bernie Sanders nannte Trump einen „Rassisten, Sexisten und Schwulenfeind“. Der Präsident, der vier nicht-weiße Kongressabgeordnete aufgefordert hatte, das Land zu verlassen und die Stadt Baltimore ein „widerliches, von Nagern und Ratten befallenes Drecksloch“nannte, legte derweil nach. In einem Interview erklärte er, die Gewalt in Baltimore sei „schlimmer als in Honduras“. Den Rassismusvorwurf bügelte er kurzerhand ab: „Jeder wird heutzutage ein Rassist genannt. Es ist eine Schande, wie überbeansprucht dieser Begriff wird.“
Mit der Forderung nach einer staatlichen Bürgerversicherung für alle, einem radikalen „New Green Deal“und der Entkriminalisierung illegaler Übertritte an der südlichen Grenze der USA positionierten sich Warren und Sanders erwartungsgemäß klar links. Hingegen warnten Moderate wie Delaney oder Steve Bullock, der Gouverneur von Montana, und John Hickenlooper, der Ex-Gouverneur von Colorado, davor, die Wähler in strukturell eher konservativen Bundesstaaten wie Michigan, Pennsylvania und Ohio zu verschrecken. Allerdings vermittelte der Abend ein schiefes Bild: Die drei letztgenannten Politiker kommen in Umfragen nur auf jeweils ein Prozent der Stimmen. Der Favorit der Demokraten, Joe Biden, war durch eine Losentscheidung dem zweiten Teil der Debatte tags darauf zugeordnet worden. Dort sollte er auf die kalifornische Senatorin Kamala Harris treffen, die ihn vor einem Monat in Miami scharf angegriffen hatte.