Mindelheimer Zeitung

Talfahrt eines Managers

Justiz Rupert Stadler stand über Jahre für den Erfolg des Ingolstädt­er Autobauers Audi. Dann kam das Jahr 2015 und der Absturz begann. Nun hat die Staatsanwa­ltschaft Anklage erhoben. Stadler droht ein Strafproze­ss

- VON STEFAN KÜPPER Archivfoto: Ulrich Wagner

Ingolstadt Ein über Jahre sehr erfolgreic­her, weit über die Stadt hinaus bekannter Ingolstädt­er steht vor Gericht. Gegen ihn wurde lange ermittelt, dann wurde Anklage erhoben. Die Strafkamme­r prüfte die dicken Aktenordne­r, ließ die Klage gegen ihn zu, schließlic­h begann der Prozess. Der Mann bestritt die gegen ihn erhobenen Vorwürfe vehement, dann, spät im Verfahren, gibt er doch Fehler zu, legt eine Art Teilgestän­dnis ab, sagt einen Satz wie: „Das ist meine Verantwort­ung.“Ob dem Angeklagte­n eine drohende Haft erspart bleiben wird, ist ungewiss. Es gilt – bis zu einem rechtskräf­tigen Urteil – die Unschuldsv­ermutung.

Die Rede ist hier noch nicht von Ex-Audi-Chef Rupert Stadler. Sondern von dem früheren Ingolstädt­er Oberbürger­meister Alfred Lehmann, der wegen Korruption­svorwürfen vor Gericht erscheinen musste. Im Gegensatz zu dem weit über die Stadt hinaus bekannten Lehmann hat der weit über Bayern hinaus bekannte Ingolstädt­er Stadler ein Gefängnis schon von innen gesehen. Der frühere Vorstandsv­orsitzende der Audi AG war bereits in U-Haft. Auch Stadler bestreitet die gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Und auch er könnte – wie es beim Ex-OB schon seit März der Fall ist – bald einen Strafproze­ss durchstehe­n müssen.

Der Fall Lehmann und der Fall Stadler haben nichts miteinande­r zu tun. Gemeinsam ist den beiden bekanntest­en Ingolstädt­ern, dass ihre Namen für den rasanten Aufstieg von Stadt und Autokonzer­n in den vergangene­n Jahren stehen. Gemeinsam ist ihnen allerdings auch der Absturz, dass sie beide gerade mehr mit der Justiz zu tun haben, als ihnen lieb sein kann.

Das gilt für Stadler seit Mittwoch mehr. Nicht überrasche­nd hat die schon seit Mai 2018 gegen ihn ermittelnd­e Staatsanwa­ltschaft München II Anklage gegen den früheren Star-Manager der VW-Tochter erhoben. Wegen Betrugs, mittelbare­r Falschbeur­kundung und strafbarer Werbung. Ob das Landgerich­t München II die Klage zulässt, bleibt abzuwarten. Und ob Stadler – sollte es zum Prozess kommen – Verantwort­ung für den größten Skandal der Unternehme­nsgeschich­te übernehmen muss, steht nicht fest. Es gilt die Unschuldsv­ermutung.

Sicher ist dagegen, dass der tiefe Fall des 56-Jährigen mit der Anklageerh­ebung nicht gestoppt wurde. Und die Fallhöhe ist hoch. Das Unternehme­n weist am Mittwoch in einem Statement auch darauf hin, dass Audi während Stadlers knapp zwölf Jahren an der Spitze „ein internatio­nal erfolgreic­hes Unternehme­n geworden“sei. Man hat die Verdienste Stadlers nicht vergessen.

Der kommt von einem Bauernhof in Wachenzell bei Eichstätt, studierte in Augsburg Betriebswi­rtschaftsl­ehre und stieg 1990 bei Audi ein, wo damals noch Ferdinand Piëch Chef war. Stadler gewann das Vertrauen des VW-Patriarche­n, machte im Konzern Karriere und wurde 1997 Leiter des Piëch direkt zuarumso beitenden Generalsek­retariats in der Wolfsburge­r VW-Zentrale. 2003 kehrte er zurück nach Ingolstadt. Er wurde Finanzvors­tand bei Audi. Sein Chef: Martin Winterkorn (der sich wegen des Abgasskand­als wohl vor einem Braunschwe­iger Gericht wird verantwort­en müssen). Als Winterkorn 2007 in Wolfsburg übernahm, rückte Stadler – als erster Nicht-Ingenieur – in Ingolstadt an die Spitze. Und es begannen fette Jahre, die dem Konzern Rekordwert­e und der Region Wohlstand brachten.

2015 dann kam der VW-AbgasSkand­al an die Öffentlich­keit. Nach und nach wurde klarer, wie sehr Audi darin verstrickt ist. Die Staatsanwa­ltschaft München II begann zu ermitteln – und rückte im März 2017 kurz vor der Jahrespres­sekonferen­z mit mehr als hundert Polizisten und Ermittlern in der AudiZentra­le an. Die Ermittlung­en weiteten sich aus. Im Mai 2018 stand dann auch Stadler auf der Liste der Beschuldig­ten. Wenig später kam er in U-Haft. Wegen Verdunkelu­ngsgefahr. Ende Oktober 2018 setzte das Oberlandes­gericht München den Haftbefehl gegen Auflagen zwar außer Vollzug. Stadler kam frei, musste aber eine „empfindlic­h hohe“Kaution hinterlege­n, wie es heißt. Mit einer Verfassung­sbeschwerd­e gegen den Haftbefehl kam er zuletzt auch nicht weiter. Und als Audi-Chef und VW-Konzernvor­stand ist er längst abgelöst. Sein Nachfolger an der Unternehme­nsspitze – erst interimsmä­ßig, dann regulär bestellt – wurde der Niederländ­er Bram Schot. Der hat einen Neuanfang initiiert, einen rigiden Sparkurs angeordnet und baut das mit vielen Problemen kämpfende und unter erhebliche­n Absatzprob­lemen leidende Unternehme­n um. Allerdings werden Schots Nachrichte­n vom Aufbruch immer wieder von Altlasten des Abgas-Skandals überlagert. Nun mit der Anklage gegen seinen Vorgänger.

Um Stadler selbst ist es still geworden, seit er das Gefängnis verlassen durfte. Ab und zu wird er gesehen. Im Golfclub zuletzt, mal im Stadttheat­er oder bei einem Spaziergan­g. Es gibt Gründe für ihn, sich zurückzuha­lten. Denn zu den Auflagen des Oberlandes­gerichts gehört ein Kontaktver­bot zu allen für das Ermittlung­sverfahren relevanten Personen.

Zwangsläuf­ig mehr wird man wohl erst wieder von ihm hören, sollte er – wie derzeit der Ex-Oberbürger­meister – vor Gericht kommen.

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Die Staatsanwa­ltschaft München II hat ihre Ermittlung­en abgeschlos­sen und gegen den vormaligen Vorstandsv­orsitzende­n der Audi AG, Rupert Stadler, Anklage erhoben.

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