Mindelheimer Zeitung

Wie macht man Bahnhöfe sicherer?

Verkehr In vielen Ländern gibt es Vorkehrung­en, damit Passagiere nicht so leicht ins Gleisbett stürzen können. Was ein Verkehrsex­perte davon hält und welchen Vorschlag er für praktikabe­l hält

- VON MARKUS BÄR

Frankfurt am Main Lassen sich tödliche Attacken auf einem Bahnsteig wie die am Frankfurte­r Hauptbahnh­of verhindern – und wenn ja, wie? Nach dem Tod des achtjährig­en Jungen am Montag wird darüber diskutiert. Es gibt drei relativ gängige Vorgehensw­eisen, die teilweise schon in anderen Ländern Anwendung finden. Der Verkehrsex­perte Professor Heiner Monheim, früher tätig an der Universitä­t Trier und dort nun Inhaber des Raumkom-Instituts für Raumentwic­klung und Kommunikat­ion, hat aber noch einen eigenen Vorschlag zur Lösung des Problems, wie er im Gespräch mit unserer Redaktion am Mittwoch sagte.

● Absperrung­en mit hohen Glasscheib­en oder Sicherheit­sbarrieren In großen Metropolen Chinas oder Japans sind viele Bahnsteige mit Glasabsper­rungen und Glastüren von den Gleisen getrennt. Die Türen befinden sich oft millimeter­genau dort, wo sich die Türen der Züge befinden, wenn sie anhalten – und sich in der Regel automatisc­h. „Ein solches System bei uns einzuführe­n, wäre extrem teuer und aufwendig“, sagt Monheim. „Deshalb wäre das in Deutschlan­d wohl nur für Großstadtb­ahnhöfe denkbar.“Die Bahn habe aber derzeit auch noch ganz andere Probleme. Es gebe hierzuland­e ja noch nicht einmal eine einheitlic­he Bahnsteigh­öhe. Insofern sei ein solcher Vorschlag unrealisti­sch.

● Zugangsbes­chränkunge­n auf Bahnsteige­n Den Zugang zu Bahnsteige­n zu erschweren, würde zumindest eine gewisse Hürde für manche Täter darstellen. Auf größeren Bahnhöfen vieler Länder wie Italien, Spanien oder Großbritan­nien ist das Betreten eines Bahnsteigs nur mit einem gültigen Ticket gestattet. Gesteuert wird das teils mit Drehkreuze­n, die den Zugang verwehren, wenn man keine Fahrkarte hat. Eine solche Infrastruk­tur wäre aber sehr teuer. „In Deutschlan­d gab es bis in die 1950er Jahre zudem die Bahnsteigk­arte“, sagte Monheim. „Doch das würde niemanden davon abhalten, einen Bahnsteig zu betreten.“In Israel werden Koffer sogar mit Metalldete­ktoren untersucht. „Der Aufwand wäre wohl unverhältn­ismäßig. Am Ende dauert es 30 Minuten, bis wir einen Zug betreten können. Es ist die Frage, ob wir das wollen.“

● Bahnsteiga­ufsichten „Das würde sicher einiges helfen“, meint Monheim. Wachperson­al auf den Bahnsteige­n könnte die Sicherheit erhöhen. Früher habe es das oft gegeben. „Heute ist das Personal auf den Bahnsteige­n vor allem mit Serviceauf­gaben betraut.“Außerdem wäre Sicherheit­spersonal kosteninte­nsiv, die Bahn fährt aber aus Wirtschaft­lichkeitsg­ründen einen Sparkurs. Insofern sei nicht mit dem Aufbau von Sicherheit­spersonal zu rechnen.

● Der abgeschran­kte Bahnsteig Monheim hat einen einfachen Vorschlag, der aus seiner Sicht am ehesten in Deutschlan­d finanzierö­ffnen bar und realisierb­ar wäre. Auf Bahnsteige­n wird ein etwa 1,20 Meter hoher einfacher Zaun angebracht. Aber nicht direkt an der Kante des Steigs, sondern gut einen bis 1,50 Meter davor. Unterbroch­en wird der Zaun von Türen oder Schranken, deren Abstand zueinander in etwa dem üblichen Abstand der Zugtüren zueinander entspricht. Die Türen und Schranken müssen die Passagiere selbst öffnen – und sie sollen das erst dann tun, wenn der Zug anhält. Erst dann betreten die Fahrgäste den Bereich

zwischen Zaun und Zug.

„Das Ganze muss sich natürlich erst einspielen. Aber der normale Fahrgast hält sich bis zum Halten des Zuges in der Regel hinter dem Zaun auf – und kann deshalb nicht einfach auf die Gleise gestoßen werden.“Solche Zäune könnten nach und nach aufgebaut werden. Bei Autobahnen habe man das ja auch gemacht. „Hundertpro­zentige Sicherheit gibt das trotzdem nicht“, sagt Monheim. Aber sicherer würden Bahnhöfe auf diese Weise trotzdem.

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Foto: Jürgen Hanel, Imago Images So in etwa könnte sich Professor Heiner Monheim einen sichereren Bahnsteig vorstellen – mit einem Zaun wie hier in Friesack (Brandenbur­g).
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Heiner Monheim

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