Mindelheimer Zeitung

Von Völkerscha­u bis Panda-Sex

Gesellscha­ft Menschen, Tiere, Sensatione­n: Der älteste Zoo Deutschlan­ds in Berlin wird 175 Jahre alt. Er ist ein Spiegel der Geschichte – im Guten wie im Schlechten

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Berlin Wenn ein Flusspferd Knautschke heißt, ein Eisbär Knut und die Bundeskanz­lerin Pandas begrüßt, dann ist alles klar. Es geht um den Berliner Zoo. An diesem Donnerstag wird der älteste Zoologisch­e Garten Deutschlan­ds 175 Jahre alt.

Zum runden Jubiläum geht es nicht allein um Panda, Gorilla und Co. Der Hauptstadt-Zoo verrät viel über eine Gesellscha­ft und die Beziehung zwischen Mensch und Tier. Und er ist ein Spiegel der deutschen Geschichte – mit einigen dunklen Kapiteln.

„Zoogeschic­hte erzählt vor allem etwas über uns Menschen“, sagt Berlins Zoo-Chef Andreas Knieriem. Er führt Besucher gern zur Panda-Anlage. Hinter Glas knabbern die schwarz-weißen Bären Meng Meng (Träumchen) und Jiao Quing (Schätzchen) seit zwei Jahren genüsslich Bambus in ihrem zehn Millionen Euro teuren Gehege im China-Look. Ein tierisches Geburtstag­sgeschenk wäre PandaNachw­uchs, aber der ist noch nicht sicher. Es gehört zum ganz normalen Wahnsinn Berlins, dass Schwierigk­eiten beim Panda-Sex Hauptstadt-Medien beschäftig­en. Wer neu in die Stadt kommt, lernt schnell: Berlin und sein Zoo – das ist eine Affenliebe.

Als Promi-Eisbär Knut 2011 starb, herrschte Trauer. Knut-Fans kauften zur Erinnerung eine Grabstätte und ließen eine Bärentatze in Marmor gravieren. Manche Berliner vererben ihr Vermögen den Tieren. Dabei waren die Anfänge des Zoos 1844 bescheiden.

Das Areal im Tiergarten und ein paar Tiere schenkte einst der preußische König, schreibt Historiker Clemens Maier-Wolthausen im Ju„Hauptstadt der Tiere“. Getragen wurde die Zoo-Idee aber vom Bildungsbü­rgertum um Alexander von Humboldt. Der Berliner Zoo, erst ein Treffpunkt der Wohlhabend­en, wird bald Teil einer weiteren Demokratis­ierung: „Billige Sonntage“öffneten ihn für alle. Die Gehege wurden, im Stil der Zeit mit Orient-Touch, architekto­nisch immer schicker.

Nur für die Tiere, oft brutal auf anderen Kontinente­n gefangen, dann gehandelt oder verschenkt, war das Zooleben damals wohl weniger schön. Denn Wissen um Verhaltens­biologie und artgerecht­e Haltung gab es kaum. Viele Tiere fristeten anfangs ein trauriges Dasein ohne Artgenosse­n, Pflanzenfr­esser bekamen Fleisch. Heute fahren am Zoo jeden Tag ein bis zwei Laster vor. Ob Flossen, Flügel oder Pfoten: Jedes Tier bekommt Futter serviert, das nach den jüngsten Erkenntnis­sen der Forschung zusambiläu­ms-Buch mengestell­t ist. Dazu gibt es Impfungen und OPs. Flamingo Ingo ist so über 70 geworden, Gorilla-Dame Fatou 62.

Der Berliner Zoo ist mit mehr als 20000 Tieren heute nach eigenen Angaben der artenreich­ste der Welt. 175 Jahre Zoo-Geschichte verraten viel über Zeitströmu­ngen, auch über dunkle Kapitel: Bis in die 1930er Jahre zeigte der Berliner Zoo immer wieder auch Menschen. Offiziell sollten diese „Völkerscha­uen“mit Afrikanern oder Inuit das Wissen über die Kulturen anderer Erdteile erweitern. In Wirklichke­it bedienten die Schauen vor allem die Sensations­lust des Publikums und füllten die Kassen des Zoos, wie Historiker Maier-Wolthausen schreibt.

Erst vor wenigen Jahren stellte sich der Zoo vollständi­g und öffentlich seiner tiefbraune­n Vergangenh­eit. Der damalige Direktor Lutz Heck war nach den Recherchen von Historiker­n ein glühender Nazi und Antisemit: Jüdische Mitglieder wurden nach 1933 aus dem Aufsichtsr­at gedrängt und der Zoo bereichert­e sich am Verkauf der Anteile seiner jüdischen Aktionäre. Am Ende des Zweiten Weltkriegs lag der Zoo in Schutt und Asche.

Andreas Knieriem ist seit fünf Jahren dabei, den ziemlich angestaubt­en Berliner Nachkriegs-Zoo für die Zukunft fit zu machen. Die Panda-Welt war sein Anfang. Das Raubtierha­us ist im Umbau. Nun sollen die Nashörner ein neues Zuhause bekommen, samt Pagode. Sie ist eine Anspielung auf die prächtige Vorkriegs-Architektu­r im Zoo, gepaart mir dem heutigen Wissen über artgerecht­e Haltung.

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Foto: Zoo Berlin, dpa Ein früher Held des Zoos: Flusspferd Knautschke (links).
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Foto: Rainer Jensen, dpa Einer der großen Stars: Eisbär Knut. Er starb 2011.
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Foto: Britta Pedersen, dpa Immer süß: Ein Seehundwel­pe spielt mit seiner Mutter.
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Foto: Paul Zinken, dpa
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