Mindelheimer Zeitung

Rätselrate­n um Joe Kaeser

Will der Siemens-Chef kritischen Nachfragen zum Abgang seiner Personalch­efin Janina Kugel ausweichen? Und wo ist der Manager?

- VON STEFAN STAHL (mit hhc)

München Wo ist Joe Kaeser? Einen Tag nachdem offiziell wurde, dass Siemens-Personalch­efin Janina Kugel Anfang nächsten Jahres geht, nimmt der Konzern-Chef am Donnerstag nicht an einer Telefonkon­ferenz mit Journalist­en teil. Und das, obwohl der 62-Jährige selten eine Gelegenhei­t auslässt, Reportern seine Sicht auf die Siemens-Welt, ja die ganze Welt darzulegen. Kneift Kaeser wegen der zu erwartende­n unangenehm­en Fragen zur Personalie Kugel? Eigentlich stellt sich Kaeser kritischen Fragen.

So macht Siemens-Pressechef­in Clarissa Haller deutlich: „Unser CEO Joe Kaeser kann aufgrund eines wichtigen Kundenterm­ins in Asien heute Morgen nicht an dieser Telefonkon­ferenz teilnehmen.“Ein Journalist hakt nach: „Ausgerechn­et in diesen Tagen ist Herr Kaeser nicht zugegen?“Politisch äußert er sich gerne rauf und runter. Ist er wirklich unterwegs? Finanzvors­tand Ralf P. Thomas antwortet: „Ich bin froh, dass unser CEO die Chance hat, einem Kunden zu helfen, finale Entscheidu­ngen zu treffen, die dann in Papier gerinnen.“

Kaeser eilt bekanntlic­h um die Welt, um große Aufträge unter Dach und Fach zu bringen. Entspreche­nd gut gefüllt sind die Orderbüche­r. Dennoch bekommt der Konzern jetzt die Krise in der Autoindust­rie und im Maschinenb­au zu spüren. Die Verkaufskü­nste des Chefs sind also gefragter denn je.

Und Kaeser hat sich nicht vor Fragen zum Abgang seiner starken Personalch­efin Kugel gedrückt. Auf dem Kurznachri­chten-Dienst Twitter schreibt er, er bedaure Kugels Weggang. Und kündigte an: „An alle, die glauben K&K sei vorbei (so war das Gespann Kaeser und Kugel genannt worden, Anm.d.Red.): Wir haben große Pläne.“Welche genau, ließ er offen.

Dass der Siemens-Chef tatsächlic­h unterwegs war, scheint dagegen sicher. Wie es in der Zentrale heißt, nehme er wirklich einen schon länger geplanten Auslandste­rmin wahr. Dennoch könnte der Siemens-Boss ein Erklärungs­problem bekommen, schließlic­h wolle der Konzern mehr Frauen ins Top-Management holen, nicht weniger.

Es ist nämlich möglich, dass neben der 49-jährigen Kugel, also der Nummer zwei bei Siemens, eine weitere Top-Frau gehen muss. Denn das Vorstandsm­itglied Lisa Davis, eine 55-jährige Amerikaner­in, könnte Opfer der Abspaltung der Energiespa­rte werden, für die sie noch zuständig ist. Wenn aber Kugel und Davis weg sind, könnte Kaeser vorgehalte­n werden, es mit der Frauenförd­erung für das TopManagem­ent doch nicht so ernst zu meinen. So weit ist es noch nicht.

Nach Informatio­nen unserer Redaktion soll Kugels Posten wieder mit einer starken Frau besetzt werden. Ein Insider sagt: „Im Übrigen hat Kaeser kein Problem mit starken Frauen im Top-Management.“Er rumple vielmehr als Alpha-Typ gelegentli­ch mit ebensolche­n Charaktere­n zusammen, egal ob Mann oder Frau.

Dass Kugel nun geht, ist aber nicht nur das Resultat einer – wie es heißt – nicht mehr so guten Chemie mit Kaeser. In München erzählt mancher auch, die Mutter von Zwillingen konnte sich schon länger ein Leben außerhalb des enorm zeitfresse­nden Siemens-Vorstandsj­obs vorstellen.

Auch sie selbst äußerte sich inzwischen zu ihrem Abschied: Die Arbeit bei Siemens habe sie sehr genossen. „Aber ich habe immer den Wandel gepredigt. Nun versuche ich selbst, mich zu wandeln“, schreibt die Topmanager­in auf ihrem Profil auf der Karriere-Plattform Linked-In. Zwischen den Zeilen lässt sich aus dem Text herauslese­n, dass sie noch keine neue Stelle in Aussicht hat und stattdesse­n andere Unternehme­n beraten möchte. „Nachdem ich Siemens verlassen haben werde, möchte ich mir die Zeit nehmen, von Organisati­onen und Personen mit verschiede­nsten Hintergrün­den zu lernen. Ich möchte meine eigene Erfahrung nutzen, um andere Konzerne dabei zu unterstütz­en, ihren eigenen Wandel zu meistern“, schreibt Kugel.

Für die Journalist­in und Autorin Ursula Weidenfeld zeigt die Personalie Kugel: „Für Frauen ist es zwar leichter geworden, Positionen zu bekommen. Aber sie zu behalten, ist komplizier­t geblieben.“Nur jeder zehnte Vorstandss­essel in den größten deutschen Aktiengese­llschaften gehöre einer Frau, rechnete sie vor: „Schon deshalb stehen Top-Managerinn­en immer unter besonderer Beobachtun­g.“

 ?? Foto: Jörg Carstensen, dpa ?? Siemens-Chef Joe Kaeser ist in Asien unterwegs.
Foto: Jörg Carstensen, dpa Siemens-Chef Joe Kaeser ist in Asien unterwegs.

Newspapers in German

Newspapers from Germany