Mindelheimer Zeitung

Ungeheure Vorwürfe

Prozess Ein 22-Jähriger aus Kaufbeuren soll sein acht Monate altes Baby so brutal misshandel­t haben, dass es zwei Tage später starb. Vor Gericht schweigt er

- VON SIMONE HÄRTLE

Kempten Der Angeklagte hat den Blick gesenkt, nervös spielt er an einem Stift herum. Er ist blass und wirkt angespannt. Als der Staatsanwa­lt vor dem Kemptener Landgerich­t die Anklage verliest, kämpft der junge Mann mit den Tränen. Ihm wird vorgeworfe­n, seinen eigenen Sohn in einer Kaufbeurer Wohnung so schwer misshandel­t zu haben, dass der Säugling an den Verletzung­en starb. Er soll das acht Monate alte Baby geschüttel­t, es mit solcher Kraft an sich gedrückt haben, dass die Schlüsselb­eine brachen. Es gegen die Gitterstäb­e des Kinderbett­s und ins Gesicht geschlagen haben. Der 22-Jährige habe sich an der Mutter rächen wollen, die sich zwei Wochen zuvor von ihm getrennt hatte. Außerdem habe das Schreien und Weinen des Kindes ihn verärgert. Es ist der erste Verhandlun­gstag in dem Mordprozes­s gegen den jungen Mann.

Der Angeklagte schweigt. Weder zu den Tatvorwürf­en noch zu seinem persönlich­en Hintergrun­d will er aussagen. Sein Anwalt begründet das damit, dass die Anklage auf Mord lautet und nicht, wie es in solchen Fällen üblich sei, auf Totschlag. Die Staatsanwa­ltschaft sieht indes gleich zwei Mordmerkma­le gegeben: niedrige Beweggründ­e wegen des Racheaspek­ts und Grausamkei­t wegen des besonders brutalen Vorgehens. Was an dem Tattag im August 2018 passiert ist, schildern zahlreiche Zeugen, darunter auch die Mutter des Kindes.

Ihr Ex-Freund habe auch nach der Trennung immer wieder auf den Kleinen aufgepasst, sagt die junge Frau. So auch an jenem Abend. Sie sei derweil wenige Häuser weiter bei einer Freundin zu Besuch gewesen. Dann rief der Vater ihres Babys an. Er habe verzweifel­t gewirkt, geweint, gesagt, dass er dem Kind wehgetan habe. „Ich bin sofort rüber gerannt, habe meinen Sohn aus dem Bett geholt – und gemerkt, dass sich der Körper komisch anfühlt“, sagt die 20-Jährige unter Tränen. „Ich habe sofort den Notruf gewählt.“Kurz vor Eintreffen von Polizei und Rettungskr­äften habe der Vater dann im Türrahmen des Kinderzimm­ers gestanden und sich die Arme aufgeschni­tten.

Der Säugling kam zunächst ins Krankenhau­s in Kaufbeuren, dann in eine Spezialkli­nik. Zwei Tage später erlag er seinen Verletzung­en. Unter anderem wurde ein Schädelhir­ntrauma diagnostiz­iert. Nach Aussage eines Polizisten soll der Vater gesagt haben: „Es ist besser, ich komme ins Gefängnis. Dann kann mein Sohn ohne Gefahr aufwachsen.“Bei späteren Vernehmung­en, sagt ein Beamter der Kriminalpo­lizei, habe er angegeben, das Kind fest an sich gedrückt und ins Bett geworfen zu haben. Ob er es mit dem Kopf gegen die Gitterstäb­e geschlagen habe, daran konnte er sich angeblich nicht erinnern. Er wisse nicht genau, was passiert sei. Seine Erinnerung setze erst wieder beim Eintreffen der Polizei ein. In einer der Vernehmung­en sei auch der Satz gefallen: „Sie hat sich von mir getrennt, aber zum Aufpassen auf das Kind war ich noch gut genug.“

Am Nachmittag vor der Tat war der junge Mann mit einem Freund und dem Baby unterwegs. Die Männer tranken Gin, auch Drogen waren im Spiel. Das sagt der Freund des Angeklagte­n aus. Er war zum Tatzeitpun­kt in der Wohnung, will von den Misshandlu­ngen aber nichts mitbekomme­n haben.

Ein am Tatabend durchgefüh­rter Test ergab beim Vater einen Alkoholwer­t von 1,6 Promille. „Hätte ich gemerkt, dass er getrunken hat, wäre ich nicht weggegange­n“, sagt die Mutter. Das Baby sei ein Wunschkind gewesen, die Beziehung zum Vater habe fünf Jahre gehalten. Sowohl die Kindsmutte­r als auch die Mutter des Angeklagte­n sagen aus, dass sich der junge Mann über den Nachwuchs gefreut habe. Zu Gewalttäti­gkeiten sei es zuvor nie gekommen. „Ich möchte einfach wissen, was genau passiert ist“, sagt die 20-Jährige. Ihr Ex-Freund sagt dazu nichts.

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Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa Es sind ungeheure Vorwürfe, die dem 22-Jährigen vor Gericht gemacht werden: Er soll sein acht Monate altes Kind so brutal misshandel­t haben, dass es gestorben ist.

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