Mindelheimer Zeitung

Der Säbelmord von Stuttgart

Verbrechen Ein 36-Jähriger wird auf offener Straße getötet. Der Tatverdäch­tige ist polizeibek­annt und wohnte vorher mit seinem Opfer zusammen

- VON ULRIKE BÄUERLEIN

Stuttgart Der Mord an einem 36-Jährigen auf offener Straße im Stuttgarte­r Stadtteil Fasanenhof wirft viele Fragen auf. Nach Polizeiang­aben handelt es sich beim Täter mutmaßlich um einen 28-jährigen Syrer, der seit mehreren Jahren in Deutschlan­d lebt und einen gültigen Aufenthalt­sstatus habe. Gegen den polizeibek­annten Mann, der die Tat bei der Vernehmung am Donnerstag eingeräumt hat, wurde Haftbefehl wegen Mordes erlassen. Den Ermittlung­en zufolge ist das Tatmotiv im privaten Verhältnis zum Opfer anzusiedel­n. Nach Mitteilung der Polizei gebe es keinerlei Erkenntnis­se auf einen islamistis­chen oder politische­n Hintergrun­d.

Das Opfer, ein 36-jähriger Deutsch-Kasache, wird am Mittwochna­chmittag gegen 18 Uhr mitten auf einer belebten Straße in einem Wohngebiet vor den Augen zahlreiche­r Passanten und Anwohner nach einer Verfolgung­sjagd über Straße und um ein Auto herum durch mehrere Hiebe mit einer Art Säbel buchstäbli­ch hingericht­et. Der mutmaßlich­e Täter flieht zunächst zu Fuß und später auf einem Fahrrad. Polizei und Rettungskr­äfte finden das Opfer, übersät von Hiebund Stichverle­tzungen, leblos vor. Der flüchtige Täter wird nach einer Großfahndu­ng drei Stunden später in der Nähe gefasst. Die mutmaßlich­e Tatwaffe wird in einem Gebüsch gefunden.

Schon kurze Zeit später kursieren Videos der Tat im Netz, die von der Polizei später als authentisc­h bewertet werden. Eines davon, aufgenomme­n von einem angrenzend­en Wohnhaus aus vermutlich per Handykamer­a, zeigt eine Wohnstraße mit einem mittigen Grünstreif­en, am Rand parken Autos. Lautes Rufen und Schreien ist zu hören, auf der Fahrbahn steht ein silberner Smart, zwei Frauen sind schemenhaf­t zu sehen, eine schlägt die Hände vors Gesicht, beide schauen auf das Geschehen hinter dem Auto. Dort taucht der kahle Kopf eines Mannes auf, der mit beiden Händen eine Art Machete oder ein langes Schwert über den Kopf hält und mit großer Wucht nach unten sticht – mehrfach. Das Opfer ist auf den Aufnahmen nicht zu sehen.

Das Video wird im Netz auf unterschie­dlichen Kanälen vielfach geteilt und kommentier­t, Anwohner und Augenzeuge­n äußern ihr Entsetzen über die Tat. Angeblich soll ein etwa zehnjährig­es Kind des Opfers das Geschehen aus nächster Nähe mit angesehen haben. Der Täter soll gerufen haben: „Was hast du gemacht?“, während er mit einer langen Waffe mehrfach auf sein am Boden liegendes Opfer einhieb – Angaben, die die Polizei am Donnerstag zunächst nicht bestätigt. „Opfer und Täter kannten sich und haben zumindest eine Zeit lang zusammenge­wohnt“, sagt der Polizeispr­echer. Der Täter soll aber schon seit einiger Zeit nicht mehr in der Wohngemein­schaft in einem angrenzend­en Mehrfamili­enhaus gedie lebt haben. „Das ist eine furchtbare Tat, eine ganz schlimme Sache“, sagt Günther Joachimsth­aler, Vorsitzend­er des Bürgervere­ins Fasanenhof. „Und für unser Image als Stadtteil ist das auch verheerend.“Der Fasanenhof im Stuttgarte­r Süden, isoliert zwischen Bundesstra­ßenknoten und Autobahn A8 gelegen und geprägt von hohen Wohnkasern­en, galt in den vergangene­n Jahrzehnte­n als sozialer Brennpunkt und genoss in Stuttgart den zweifelhaf­ten Beinamen „Partisanen­hof“.

„Das ist aber schon lange her, wir haben im Programm soziale Stadt viel erreicht, sind aufgewerte­t worden und haben eine unterdurch­schnittlic­he Kriminalit­ätsrate“, sagt Joachimsth­aler, seit 2007 Vorsitzend­er des Vereins. „Wir sind ein ganz normaler Stadtteil, in dem viele ältere Menschen gerne leben.“Auch die Gegend der Tat sei ein normales Wohnareal mit Eigentumsw­ohnungen. „So schrecklic­h es ist, das kann überall passieren“, sagt Joachimsth­aler.

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Foto: Sven Kohls/SDMG, dpa Stuttgart wenige Stunden nach dem Mord: Die Polizei hat den Tatort mit Sichtschut­zwänden abgedeckt.

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