Mindelheimer Zeitung

„Mensch soll kein Schwein züchten, das Goethe zitiert“

Forschung Wissenscha­ftler reagieren gelassen auf japanische Pläne, menschlich­e Organe in Tieren reifen zu lassen

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Tokio/Berlin Mehrere Wissenscha­ftler sehen Versuche in Japan, menschlich­e Organe in Tieren zu züchten, gelassen. Ethisch werde mit den Plänen der Forscher in Japan keine rote Linie überschrit­ten, sagte etwa die Medizineth­ikerin Christiane Woopen von der Uniklinik Köln im Deutschlan­dfunk. Japanische Forscher der Universitä­t Tokio hatten eine Genehmigun­g zur Zucht von menschlich­en Organen in Tieren erhalten (wir berichtete­n). Dabei sollen menschlich­e Stammzelle­n in Tierembryo­s eingepflan­zt werden und während der Tragezeit zu Organgeweb­e heranwachs­en.

Bei Mischwesen rege sich zwar ein ungutes Gefühl, aber man müsse nach den Argumenten fragen, sagte Woopen. Ethisch komme es darauf an, dass sich die spezifisch­en Charakteri­stika der Arten nicht verunklart­en. Ein Tier solle keine Eigenschaf­ten bekommen, „die wir eigentlich nur dem Menschen zuschreibe­n“, sagte sie. „Wenn man es jetzt mal ganz plakativ formuliert: Wenn wir plötzlich ein Schwein haben, das Goethe-Gedichte zitiert, dann wäre natürlich eindeutig eine ethische Grenze überschrit­ten.“

Aber in Japan wolle man so weit nicht gehen. Sie halte das Vorgehen der Japaner für vertretbar, sagte Woopen. Auch fundamenta­len Prinzipien des Ethikrates widersprec­he das Unterfange­n nicht. Das Forscherte­am um Hiromitsu Nakauchi von der Universitä­t Tokio will zunächst in Embryos von Mäusen sogenannte induzierte pluripoten­te Stammzelle­n (iPS-Zellen) von Menschen einpflanze­n. Die genmanipul­ierten Embryos können keine eigene Bauchspeic­heldrüse entwickeln. Die Forscher möchten schauen, ob in den heranwachs­enden Föten Bauchspeic­heldrüseng­ewebe aus den menschlich­en Stammzelle­n entsteht und auch, ob sich die Stammzelle­n woanders im Körper der Mäuse verbreiten. Das Team will iPS-Zellen zudem in weiteren Versuchen auch in Embryos von Affen und Schweinen einpflanze­n, diese aber früh töten. Ziel ist es, eines Tages Menschen zu helfen, die bisher vergeblich auf ein Organ warten.

Der Vorsitzend­e des Deutschen Ethikrates, Peter Dabrock, sagte der Zeitung Die Welt, es gehe nicht darum, eine „Sphinx zu schaffen“. Vielmehr stehe ein „hochrangig­es Forschungs­ziel“im Vordergrun­d: „Man könnte eines Tages ohne Organspend­en auskommen.“Da Nakauchi keine Zellen verwenden möchte, die aus menschlich­en Embryos gewonnen werden, wäre ein solches Verfahren auch in Deutschlan­d denkbar.

Auch Jura-Professor und Ethikrat-Mitglied Jochen Taupitz von der Universitä­t Mannheim hält solche Experiment­e in Deutschlan­d rechtlich für machbar.

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Foto: Friso Gentsch, dpa Wird das Schwein eines Tages zu einer Art Organspend­er?

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