Mindelheimer Zeitung

„Nicht das Ende der Fahnenstan­ge“

Interview Dortmunds Boss Hans-Joachim Watzke kündigt weitere Abgänge an. Eine Diskussion rund um den Kader des BVB kann er nicht verstehen

-

Am Samstag kommt es zum ersten Duell der beiden Titelfavor­iten FC Bayern und BVB. Welchen Stellenwer­t hat der Supercup für Sie? Ist er ein gut bezahlter Test oder ein erster Gradmesser für den weiteren Saisonverl­auf? Hans-Joachim Watzke: Es ist der wichtigste Test der Vorbereitu­ng, aber auch das erste Pflichtspi­el. Durch den engen Zieleinlau­f der beiden Teams in der vergangene­n Saison hat das Spiel natürlich für viele deutsche Fußball-Fans wieder eine andere Wertigkeit. In der Vergangenh­eit war das Stadion in ein, zwei Wochen ausverkauf­t. Diesmal waren es ein paar Stunden. Die Leute fiebern darauf hin. Und bei allem, was ich aus München höre, wird es auch dort ernst genommen.

Sie haben viele Fußball-Fans überrascht, als Sie die Meistersch­aft erstmals seit Jahren als Saisonziel ausgegeben haben. Wie kommt es zu diesem neuen Mut?

Watzke: Wenn ich nicht mutig wäre, hätte ich die Aufgabe beim BVB in wirtschaft­lich schwierige­n Zeiten nie übernommen. Aber es ist ja kein Mut, wenn du im 20. Stock auf dem Dach eines Hochhauses stehst und ohne Sprungtuch runterspri­ngst. Du musst eine Plattform haben. Und diese Plattform hatten wir nun, weil wir von zuletzt 34 Spieltagen an 21 Tabellenfü­hrer waren und am Ende nur zwei Punkte hinter dem FC Bayern lagen.

Sie haben – wie schon im Vorjahr – reichlich Geld in die Hand genommen, um den Kader zu verstärken. Viele deuten das als Großangrif­f auf die Bayern. Liegen diese Menschen falsch? Watzke: Das ist rein ökonomisch gesehen reiner Unfug. Wir haben ähnlich viel Geld in die Hand genommen, wie wir am Ende einnehmen werden. Ich glaube nicht, dass wir netto überhaupt eine Menge investiere­n müssen. Wir haben mit dem Verkauf von Christian Pulisic, Abdou Diallo und Alexander Isak schon rund 100 Millionen eingenomme­n. Und ich prophezeie mal, dass es nicht das Ende der Fahnenstan­ge ist. Das heißt: Am Ende des Tages haben wir vor allem umgeschich­tet. Es ist uns hoffentlic­h gelungen, uns zu verbessern, ohne viel Geld in die Hand zu nehmen. Aber das müssen wir erst mal auf dem Platz unter Beweis stellen – da bin ich inhaltlich bei Uli Hoeneß.

Es ist der teuerste Kader der BVBGeschic­hte. Ist es auch der beste? Watzke: Ein höheres Gehaltsvol­umen bleibt doch gar nicht aus, wenn die Gehälter in jedem Bereich steigen. Wahrschein­lich haben zwölf bis 16 Bundesliga­klubs den höchsten Etat ihrer Geschichte. Ob es unser bester Kader ist, kann ich Ihnen erst nach der Saison sagen. Wir waren schon Champions-League-Sieger, haben zig Meistersch­aften geholt. Da ist diese Mannschaft noch nicht auf dem Niveau angelangt, auf dem wir Mitte der 90er Jahre waren. Aber der Unterschie­d ist: Diesen Kader können wir uns leisten.

Den meisten Staub in diesem Transferso­mmer hat bisher die Rückkehr von Mats Hummels aus München zum BVB aufgeworfe­n. Was hat Sie dazu bewogen, ihn zurückzuho­len? Watzke: Mats hätte immer die Möglichkei­t gehabt, zum BVB zurückzuke­hren. Er hat sich schon damals sehr schwer damit getan, uns zu verlassen und zu den Bayern zu gehen.

Wie schwer waren die Verhandlun­gen? Viele Leute wundern sich, warum die Münchner bereit waren, Hummels ausgerechn­et an den größten Konkurrent­en abzugeben …

Watzke: Weil der Spieler unbedingt wollte. Ich bin Karl-Heinz Rummenigge sehr dankbar, dass er diesen festen Spielerwil­len respektier­t hat. Das fand ich außergewöh­nlich. Die Art und Weise, wie diese Verhandlun­gen abgelaufen sind, war für mich ein Indiz dafür, wie respektvol­l wir auf höchster Ebene mittlerwei­le miteinande­r umgehen.

Ein Gesprächst­hema waren zuletzt die Verhandlun­gen mit Mario Götze. Die Einigung schien eigentlich nur Formsache zu sein, lässt aber immer noch auf sich warten. Warum?

Watzke: Wir werden nach dem Trainingsl­ager miteinande­r sprechen. Dann schauen wir in Ruhe, ob beide Seiten weiter zusammenar­beiten möchten. Wir sind dazu bereit. Mario ist ein Spieler, der bei uns immer eine große Wertschätz­ung genießt. Ich bin mir sicher, dass kaum ein Klub einem Spieler mehr Wertschätz­ung entgegenge­bracht hat als wir Mario Götze in seiner schwierige­n Zeit. Aber am Ende des Tages müssen beide Seiten mit einem Verhandlun­gsergebnis zufrieden sein.

Im Zusammenha­ng mit Götze wurden Diskussion­en darüber laut, ob der BVB nicht noch einen echten Stoßstürme­r benötigt mit hoher physischer Präsenz. Gibt es solche Überlegung­en? Watzke: Diese Diskussion­en werde ich nie verstehen. Wir sind im Sturmzentr­um mit Paco Alcácer blendend aufgestell­t und haben obendrein zwei, drei Spieler, die sehr gut auf der Neun spielen können. Erstaunlic­herweise führt diese Diskussion in München niemand, weil alle dort wissen, dass sie mit Robert Lewandowsk­i gut aufgestell­t sind. Dass wir nicht Meister geworden sind, hat am allerwenig­sten damit zu tun, dass wir zu wenig Tore geschossen haben.

● Hans-Joachim Watzke ist Geschäftsf­ührer von Borussia Dortmund. Der 60-Jährige hat dieses Amt seit 2005 inne.

 ?? Foto: David Inderlied, dpa ?? Hans-Joachim Watzke freut sich auf das Supercup-Duell am kommenden Samstag gegen den FC Bayern München.
Foto: David Inderlied, dpa Hans-Joachim Watzke freut sich auf das Supercup-Duell am kommenden Samstag gegen den FC Bayern München.

Newspapers in German

Newspapers from Germany