Mindelheimer Zeitung

Auf dem Weg nach Doha

Leichtathl­etik Die deutsche Meistersch­aft in Berlin ist einer der letzten Härtetests vor der WM in Katar. Dabei ist vielen noch nicht ganz klar, wer sich überhaupt qualifizie­rt – und wie

-

Frankfurt am Main Für die deutschen Leichtathl­eten ist es ein Jahr der Experiment­e mit vielen Herausford­erungen und Unwägbarke­iten. Wer bei der Wüsten-WM Ende September in Doha/Katar in Topform sein will, braucht einen langen Atem und eine exzellente Trainingsp­lanung. Die nationalen Meistersch­aften am Wochenende in Berlin gelten als wichtige Durchgangs­station. „Sie sind ein erster wirklicher Meilenstei­n auf dem Weg zur WM“, sagt Idriss Gonschinsk­a, Generaldir­ektor des Deutschen Leichtathl­etik-Verbandes. „Daher sollten die Athleten zumindest im Sinne des speziellen Formaufbau­s schon gut vorbereite­t sein.“

Die für die WM qualifizie­rten DLV-Asse müssen danach noch einmal knapp acht Wochen überbrücke­n, bis im runtergekü­hlten Khalifa-Stadion von Doha am 27. September die Eröffnungs­feier beginnt. „Wir werden nach der deutschen Meistersch­aft erst mal eine Woche aus dem Training rausgehen, damit man komplett runterkomm­t“, erklärt Speerwurf-Vizeeuropa­meister Andreas Hofmann. Danach werde die Vorbereitu­ng mit Fokus auf die WM gestartet: „Dass man das Niveau über die gesamte Saison nicht wird halten können und es mal zwischendu­rch ein paar Einbrüche gibt, ist klar.“

Sein Bundestrai­ner Boris Obergföll sieht sich auch in der Pflicht, die erfolgreic­hste Abteilung des DLV so geschlosse­n wie möglich zur WM in Topform zu bringen. „Die Saison ist lang, es liegt an uns zu schauen, dass die Jungs Ende September nicht ausgebrann­t sind“, sagt er.

Angesichts fünf Weltklasse­werfern – Johannes Vetter, Thomas Röhler, Andreas Hofmann, Bernhard Seifert und Julian Weber – plagt ihn ein weiteres (Luxus-)Problem. Bei der WM können „nur“vier Werfer starten. Titelverte­idiger Vetter hat eine Wildcard. Nur ein deutsches Trio ist bei den Olympische­n Spielen 2020 zugelassen, obwohl Röhler 2016 Gold holte. Für Obergföll heißt das: „Aus fünf mach vier! Nächstes Jahr: Aus fünf mach drei!“Es könne sein, dass man 90 Meter werfen müsse, um nach Tokio zu kommen.

Im Vergleich zum Vorbereitu­ngsmaratho­n bis zur WM ist die Zeit bis zu den Tokio-Spielen, die am 24. Juli 2020 beginnen, extrem kurz. Äußerst lang ist dafür der Qualifikat­ionszeitra­um vom 1. Mai diesen Jahres bis 29. Juni 2020. „Für uns ist das eine neue spannende Struktur“, erklärt Gonschinsk­a vielsagend. Krankheite­n oder Verletzung­en in dieser Zeit könnten sich mehr denn je auf die Olympia-Startchanc­e auswirken.

Wer in Tokio dabei sein will, muss nicht nur eine Leistungsn­orm erbringen, sondern auch Punkte für die Weltrangli­ste sammeln. Bei der Nominierun­g sollen die Startplätz­e jeweils zur Hälfte nach Normerfüll­ung und Punktestan­d vergeben werden. „Es ist ein Experiment, das eine höhere Wettkampft­ätigkeit und somit eine Präsenz der Athleten weltweit anstrebt. Man muss sehen, wie sich das bewährt“, sagt Gonschinsk­a. „Gesundheit­liche Störungen hätten direkten Einfluss auf die Chancen im Rankingver­fahren.“

Viele Athleten sehen die Neuerung skeptisch. „Durch das Punktesyst­em blicken viele nicht durch, wie und wo gepunktet wird“, sagt Sprintstar Gina Lückenkemp­er. „Ich reihe mich da gerne ein. Es ist tricky.“Um Punkte zu sammeln, seien Startplätz­e bei internatio­nalen Meetings umkämpft. „Selbst ich hatte Schwierigk­eiten als Vizeeuropa­meisterin über 100 Meter mit Zeiten unter elf Sekunden in die Meetings in Europa zu kommen“, berichtet die 22-Jährige. „Anderersei­ts sehe ich auch, dass die Athleten endlich aus der Komfortzon­e herauskomm­en müssen und verpflicht­et sind, internatio­nal zu starten.“

Eine besondere Herausford­erung ist Doha und Tokio für alle. „Es gibt zwei Risikofakt­oren: Die große Hitze und die hohe Luftfeucht­igkeit“, betont Gonschinsk­a. „Da hat man eigentlich nicht viel Lust, sich draußen zu bewegen.“

 ??  ??
 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa ?? Sprinterin Gina Lückenkemp­er ist einer der Stars der deutschen Leichtathl­etik. Im vergangene­n Jahr gewann sie Silber bei der Europameis­terschaft in Berlin. Jetzt kehrt sie zu den deutschen Meistersch­aften ins Olympiasta­dion zurück.
Foto: Sven Hoppe, dpa Sprinterin Gina Lückenkemp­er ist einer der Stars der deutschen Leichtathl­etik. Im vergangene­n Jahr gewann sie Silber bei der Europameis­terschaft in Berlin. Jetzt kehrt sie zu den deutschen Meistersch­aften ins Olympiasta­dion zurück.

Newspapers in German

Newspapers from Germany