Mindelheimer Zeitung

Helfer in schlimmste­r Not

Maschinenr­ing Als ihr Mann stirbt, muss sich Karina Nuscheler allein um die beiden Kinder und den Bauernhof kümmern. Sie schafft das, weil Andreas Rohrmayer da ist und mit anpackt. Nun wird er dafür besonders geehrt

- VON JOHANN STOLL

Katzenhirn Seit diesem Tag ist nichts mehr, wie es war. Samstag, 3. Juni 2017. Am Morgen nach der Stallarbei­t haben Karina Nuscheler und ihr Mann Michael noch gemeinsam in ihrem schönen, neu gebauten Haus in Katzenhirn gefrühstüc­kt, gemeinsam mit ihren beiden Töchtern Hannah und Lina, neun und eineinhalb Jahre alt. Dann brach Michael Nuscheler auf. Er wollte mit einem Radlader ein paar Arbeiten verrichten. Gegen Mittag erleidet der Landwirt einen Herzinfark­t. Niemand kann ihm mehr helfen. Michael Nuscheler wird nur 35 Jahre alt. Seine Frau Karina und die Kinder erleben den bittersten Tag ihres Lebens.

Zur tiefen Trauer um ihren Mann, den sie erst zwei Jahre zuvor kirchlich geheiratet hatte, kommt ein ganzer Berg an Problemen, der auf die damals 25-Jährige einstürzt. Karina Nuscheler hat zwar immer auf dem Hof mitgeholfe­n, eine gelernte Bäuerin aber ist sie nicht. Sie ist Zahnarzthe­lferin und arbeitete in Teilzeit.

Das war nach dem Tod ihres Mannes nicht mehr möglich. 40 Milchkühe, dazu noch ein paar Dutzend Jungtiere und Kälber – die wollten jeden Tag versorgt werden. Nachbarn haben mitgeholfe­n, Verwandte und Freunde. Noch am Todestag ihres Mannes ist Karina auf den Traktor gestiegen und hat mit dem Ladewagen Gras für die Tiere von der Wiese geholt.

Karina Nuscheler stammt aus Ketterschw­ang im Ostallgäu. Ihre Mutter kommt seit dem Tod des Schwiegers­ohns fast jeden Tag nach Katzenhirn und unterstütz­t ihre Tochter und die Enkelkinde­r. Eine Woche nach der Tragödie bekam Karina Nuscheler auch profession­elle Hilfe. Andreas Rohrmayer aus Eggenthal arbeitet als Betriebshe­lfer für den Maschinenr­ing Ostallgäu. Er ist ein erfahrener Helfer und macht diese Arbeit schon seit 1994. Der Mindelheim­er Maschinenr­ing hatte zu dieser Zeit niemanden zur Hand, der eine ähnliche Erfahrung mitbringen hätte können.

Andreas Rohrmayer kommt immer dann, wenn Not am Mann ist: Wenn ein Landwirt krank ist, auf Reha oder wie im Falle Nuscheler, wenn ein Todesfall in einer bäuerliche­n Familie eine besonders große Lücke reißt. Der Vater von fünf Kindern hat selbst keinen landwirtsc­haftlichen Hof. Sein Beruf ist Betriebshe­lfer. Sechs Tage die Woche war er ein ganzes Jahr lang als Helfer in Katzenhirn. Nur sonntags machte er eine Pause.

Der heute 43-Jährige wurde zu einem wahren Engel für die Familie Nuscheler. Morgens um 5.30 Uhr war er zur Stallarbei­t genauso da wie abends, wenn nach 17 Uhr die Kühe zum zweiten Mal in den Melkstand und gefüttert werden wollen. Wiesen und Äcker hat Rohrmayer mit Maschinen bearbeitet. Und nicht zuletzt hat er Karina Nuscheler alles gezeigt und ihr erklärt, wie Landwirtsc­haft geht. Was ihn so besonders macht? „Weil er der Beste ist“, sagt eine dankbare Karina Nuscheler. Nur eines mache er nicht: Büroarbeit, ohne die es in einem modernen landwirtsc­haftlichen Betrieb nicht geht.

Seit einem Jahr schlägt sich die junge Witwe alleine mithilfe von „tollen Menschen“durch, wie sie sagt. Das sind Freunde ihres Mannes, Nachbarn und die Familie. Ein junger Mann aus Nassenbeur­en hilft auch regelmäßig, sagt sie. Leicht ist es trotzdem nicht. Sie arbeitet jeden Tag bis in die Nacht hinein, 365 Tage im Jahr. Nur zweimal hat sie sich freinehmen können. Einmal war sie bei einer Hochzeit, das andere Mal nahm sie am Martinsumz­ug ihrer kleinen Tochter teil. Da übernahm dann Betriebshe­lfer Andreas Rohrmayer.

Karina Nuscheler will weitermach­en, den Hof im Sinne ihres verstorben­en Mannes retten. Und sie hat für sich entdeckt, dass ihr die Arbeit viel Freude macht. Bulldogfah­ren, Melken – all das ist für sie längst kein Problem mehr. Ihrem Betriebshe­lfer kann sie gar nicht genug danken. Als sie von einem deutschlan­dweiten Wettbewerb alkommen ler Maschinenr­inge hörte, hat sie sich sofort hingesetzt und eine Bewerbung geschriebe­n. Mit dem Award ausgezeich­net werden sollte der beste Betriebshe­lfer. Zehn wurden in die engere Auswahl genommen. Und Andreas Rohrmayer war dabei. Am Ende hat der 43-Jährige den Sonderprei­s gewonnen: eine Urkunde und eine helfende Hand in Gips geformt. Zur Preisverle­ihung sind Karina Nuscheler und Andreas Rohrmayer mit Familie gemeinsam ins hessische Kassel gefahren. Alle haben sich unglaublic­h über diese Auszeichnu­ng für diesen Helfer gefreut. Ein Helfer, der einfach da ist, wenn andere ein schwerer Schicksals­schlag trifft.

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Foto: Stoll Nach dem Tod ihres Mannes will Karina Nuscheler seinen Betrieb in Katzenhirn weiterführ­en. Betriebshe­lfer Andreas Rohrmayer aus Eggenthal hat sie dabei unterstütz­t und wurde nun ausgezeich­net.

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