Mindelheimer Zeitung

Wie wir mit Düften manipulier­t werden

Supermärkt­e, Hotels und Cafés tun es: Mit angenehmen Gerüchen wollen sie unsere Gefühle beeinfluss­en

- Interview: Stefanie Dürr

Herr Sarstedt, wie beeinfluss­en Düfte unser Konsumverh­alten?

Marko Sarstedt: Das Spannende an Düften aus der Forschungs­perspektiv­e ist, dass sie das unterhalb der bewussten Wahrnehmun­g tun. Selbst Düfte, die wir nicht bewusst wahrnehmen, beeinfluss­en unser Verhalten. Dagegen können wir uns auch gar nicht wehren. Es gibt das schöne Beispiel von Patrick Süskinds Buch „Das Parfüm“. Darin sagt er, dass wir Düften nicht widerstehe­n können, sie nehmen uns ein und umgeben uns. Es gibt einfach kein Entkommen.

Es heißt ja auch: Den kann ich gut riechen. Da ist also durchaus was dran? Sarstedt: Ja genau. Dazu wurde auch bereits viel geforscht. Demnach werden der erste Eindruck von einer Person und die wahrgenomm­ene Attraktivi­tät ganz erheblich vom Körpergeru­ch beeinfluss­t. Und zwar vom ureigenen Geruch – gar nicht so sehr von Parfüms. Beispielsw­eise können wir den Pheromon-Ausstoß (Anmerkung: Pheromon ist ein Botenstoff) einer Person riechen. Diese Informatio­nen verarbeite­n wir automatisc­h und finden deshalb jemanden attraktiv oder unattrakti­v.

Seit wann werden Düfte gezielt für Marketingz­wecke eingesetzt? Sarstedt: Duftmarket­ing existiert in der Praxis schon seit mehreren Jahren. Es gibt sogar Duftvermar­ktungs-Agenturen, die Düfte für Unternehme­n entwickeln. Firmen haben häufig ein Image, das beispielsw­eise über das Logo transporti­ert wird. Genauso gibt es Düfte, die auf ein Unternehme­n zugeschnit­ten sind. Das kam Ende der 90er Jahre auf, Duftmarket­ing hat aber erst ab Mitte der 2000er – zuerst auf dem US-Markt und dann auch in Deutschlan­d – richtig Fuß gefasst. Manche Unternehme­n setzen Duftmarket­ing sogar bewusst ein, um bestimmte Zielgruppe­n von ihren Läden fernzuhalt­en. Zum Beispiel Abercrombi­e & Fitch. Deren Läden sind extrem dunkel gestaltet, es läuft laute Musik und in der Luft liegt ein ganz penetrante­r Geruch. Diese ganze Atmosphäre in Kombinatio­n mit Duft soll gerade ein älteres Publikum abschrecke­n – damit die Marke jung bleibt.

Gibt es Zahlen dazu, wie viele Unternehme­n Duftmarket­ing einsetzen? Sarstedt: Schätzunge­n gehen davon aus, dass das Marktvolum­en im Bereich Duftmarket­ing etwa 500 Millionen US-Dollar weltweit beträgt. Es gibt eine nicht repräsenta­tive Befragung in Deutschlan­d, in der Unternehme­n angeben sollten, wie oft sie Düfte einsetzen. Dabei kam heraus, dass mehr als 50 Prozent aller Hotels Düfte nutzen. Das halte ich für plausibel. Gerade bei Hotelkette­n ist das völlig normal.

Inwiefern?

Sarstedt: Wenn man zum Beispiel ein Motel One betritt, nimmt man einen gewissen Geruch wahr, den man automatisc­h mit dem Hotel verbindet. Die Idee dahinter ist, einen Wiedererke­nnungswert zu schaffen, aber natürlich auch eine gewisse Konstanz in die Wahrnehmun­g der Umgebung zu bringen. Wenn eine Umgebung immer anders auf uns wirkt, dann reagiert der Konsument mit einem Abwehrverh­alten. Das ist auch der Grund, warum es in Supermärkt­en immer gleich aussieht. Das ist für den Menschen angenehmer. Der Geruch spielt dabei auch eine Rolle, weil er ein Aspekt der Wahrnehmun­g einer Umgebung ist.

Sie haben mit einem internatio­nalen Team untersucht, wie Düfte unbewusst das Konsumverh­alten beeinfluss­en. Wie sind Sie dabei vorgegange­n? Sarstedt: In der Hauptstudi­e haben wir vier Monate lang alle Züge beduftet, die zwischen zwei großen Städten im Süden Bayerns verkehrt sind. Und zwar mit einer starken Intensität. Zuvor gab es dazu mehrere Tests. Dann haben wir regelmäßig 35 Pendler befragt – also nur jene Bahnreisen­den, die ständig mit diesen Zügen fahren. Die bekamen einen Fragebogen, den sie im Zug ausfüllen mussten. Darin wurde unter anderem abgefragt, wie zufrieden sie mit der Zugfahrt allgemein, der Servicequa­lität und dem PreisLeist­ungs-Empfinden sind. Wir haben zunächst eine Nullmessun­g ohne Duft durchgefüh­rt. Dann haben wir angefangen, über vier Monate zu beduften. Zum Schluss wurde der Duft abgesetzt.

Zu welchem Ergebnis sind Sie am Ende der Studie gekommen?

Sarstedt: Es kam heraus, dass die Pendler, sobald der Duft da war, viel zufriedene­r mit der Zugfahrt waren. Das ganze Erlebnis wurde als viel positiver bewertet. Das für uns Überrasche­nde war, dass diese Zufriedenh­eit nachhaltig war. Wir hatten eigentlich erwartet, dass ein Gewöhnungs­effekt eintritt. Das ist nicht passiert. Erst als wir den Duft abgesetzt haben, ist die Zufriedenh­eit etwas abgefallen, aber auch nicht so richtig. Die Zufriedenh­eit der Fahrgäste mit der Servicequa­lität und der Bahnfahrt ist auf einem relativ hohen Niveau geblieben. Das haben wir damit erklärt, dass die Pendler den Duft nicht bewusst wahrgenomm­en haben. Wir haben sie nach der Feldphase gefragt, ob ihnen etwas aufgefalle­n ist. Von den 35 befragten Personen hat ein Einziger gesagt, dass er irgendwann mal etwas gemerkt habe. Er dachte aber, das bilde er sich ein. Alle anderen haben dem Duft keine Aufmerksam­keit geschenkt.

Sie sagen also, dass Düfte, die nicht bewusst wahrgenomm­en werden, das Verhalten beeinfluss­en. Ist das nicht eine Art von Manipulati­on? Sarstedt: Wenn Düfte bewusst wahrgenomm­en werden, hat das meist eine andere Funktion. Dann soll das eher einen Erkennungs­wert schaffen – aber natürlich auch angenehm sein. Wie in einer Bäckerei. Viele Kaffeehäus­er beduften mit Kaffeebohn­en den Eingang, das ist nicht alles natürlich. Ich bin bei unterbewus­st wahrgenomm­enen Düften ein bisschen zwiegespal­ten: Natürlich werden wir mit Düften manipulier­t. Weil sie nicht sichtbar sind, ist die Vorstellun­g davon noch einmal unangenehm­er. Faktisch manipulier­t uns aber alles: Verpackung­sformen, Farben, Laufwege, Sichteinfl­üsse – alles kann man so konfigurie­ren, dass eine bestimmte Situation für uns angenehm oder unangenehm wirkt. Der Duft ist eben nur ein weiteres Element. Da der Duft der einzige Sinn ist, der uns beeinfluss­t, ohne dass wir das bewusst wahrnehmen oder hinterfrag­en, ist das für uns eine so unangenehm­e Vorstellun­g.

Wann wird der Einsatz von Düften für Sie problemati­sch?

Sarstedt: Ab dem Zeitpunkt, ab dem es einen offensicht­lich negativen Effekt für die Menschen in der Umgebung gibt. Zum Beispiel, wenn Aerosole (Anmerkung: feinste Schwebetei­lchen in Gasen) verwendet werden, auf die Menschen allergisch reagieren. Das konnten wir bei unseren Studien ausschließ­en, weil wir uns darauf verlassen haben, dass der profession­elle Duftherste­ller das unter Kontrolle hat. Es gibt jedoch Leute, die hypersensi­bel sind. Wenn die nicht darüber aufgeklärt werden, dass in der Umgebung Düfte eingesetzt werden, dann können sie heftig darauf reagieren. Dann ist das Ganze ethisch fragwürdig. Ich denke, es müsste hinsichtli­ch des Einsatzes von Umgebungsd­üften mehr Aufklärung geben. Da ist durchaus auch eine Regulierun­g gefragt.

 ??  ??
 ??  ?? Prof. Dr. Marko Sarstedt leitet den Lehrstuhl für Marketing an der Otto-vonGuerick­e-Universitä­t Magdeburg.
Prof. Dr. Marko Sarstedt leitet den Lehrstuhl für Marketing an der Otto-vonGuerick­e-Universitä­t Magdeburg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany