Mindelheimer Zeitung

Warum dürfen 16-Jährige nicht wählen?

Landespoli­tik Während in anderen Bundesländ­ern das Wahlalter längst abgesenkt wurde, bewegt sich in Bayern nichts. Nun nimmt sich ein Abgeordnet­er der Freien Wähler der Sache an

- VON ULI BACHMEIER

München Eigentlich war es, wie so oft, schon wieder vorbei. Bereits Anfang des Jahres sind alle Vorstöße von Grünen, SPD und FDP im Landtag gescheiter­t, das Wahlalter in Bayern auf 16 Jahre abzusenken. Damit war klar, dass die 16- und 17-Jährigen auch bei den Kommunalwa­hlen im kommenden Frühjahr weder wählen noch gewählt werden dürfen. Doch anders als in früheren Zeiten sind jetzt die Freien Wähler in Bayern mit an der Regierung. Und da gibt es einen, der im Ringen mit der CSU nicht locker lässt: den jugendpoli­tischen Sprecher Tobias Gotthardt. Der 42-jährige Abgeordnet­e aus Kallmünz in der Oberpfalz überrascht­e mit einer Pressemitt­eilung, welche die großen Jugendorga­nisationen, allen voran den Bayerische­n Jugendring und den Bund der Deutschen Katholisch­en Jugend (BDKJ) in Bayern, wieder hoffen lässt. „Wir Freien Wähler sind treibende Kraft für eine Wahlaltera­bsenkung bei Kommunalwa­hlen in Bayern“, verkündete Gotthardt.

Seit Mitte der 90er Jahre schon gibt es eine breite Bewegung für mehr politische Mitbestimm­ung der Jugend. In Bremen und Hamburg, Brandenbur­g und Schleswig-Holstein dürfen 16-Jährige bei Landtagswa­hlen ihre Stimme abgeben. In Berlin, Hamburg, Bremen und acht weiteren Bundesländ­ern dürfen sie über ihre Gemeinde-, Stadt- und Kreisräte mit abstimmen. In Bayern datiert die erste Entschließ­ung des BDKJ für ein Wahlalter 16 aus dem Jahr 1996. Doch geändert hat sich bisher nichts. Wer unter 18 ist, der ist nach Auffassung der CSU nicht reif genug, um zur Wahl zu gehen.

In der abschließe­nden Debatte über die Gesetzentw­ürfe aus den Reihen der Opposition Anfang Mai sagte der CSU-Abgeordnet­e Walter Taubeneder: „Die Anknüpfung des Wahlrechts an das Mindestalt­er von 18 Jahren ist aus unserer Sicht nach wie vor sachgerech­t.“An dieser Altersgren­ze orientiert­en sich schließlic­h auch „das Bürgerlich­e Recht hinsichtli­ch der unbeschrän­kten Geschäftsf­ähigkeit, das Jugendschu­tzgesetz oder das Jugendstra­frecht“. Deshalb wäre es auch nicht angemessen, „das Wahlrecht Personen zu verleihen, die in anderen Bereichen der Rechtsordn­ung als noch nicht ausreichen­d reif angesehen werden.“

Daniel Köberle, der BDKJ-Landesvors­itzende, kennt diese Argumente. „Der große Knackpunkt für uns die Juristen und Innenpolit­iker in der CSU“, sagt er. Seine Organisati­on, die als Ziel „ein Wahlalter von 14 Jahren auf allen Ebenen“vertritt, habe sich deshalb „auf eine Politik der kleinen Schritte“verlegt. Zwei Argumente, wie sie auch von Grünen, SPD und FDP vertreten werden, rücken dabei immer mehr in den Vordergrun­d.

Da ist zum einen die demografis­che Entwicklun­g: Noch im Jahr 1990 stellten die Unter-30-Jährigen 23 Prozent der Wähler, die Über60-Jährigen 27 Prozent. Inzwischen sind 36 Prozent der Wähler über 60 Jahre alt und nur noch knapp 15 Prozent unter 30. Nach Auffassung von Eva Lettenbaue­r, der jugendpoli­tischen Sprecherin der Grünen im Landtag, darf es nicht sein, dass weitreiche­nde gesellscha­ftliche Entscheidu­ngen, deren Konsequenz­en vor allem von den jüngeren Menschen getragen werden müssen, vor allem von der älteren Generation getroffen werden.

Zum anderen ist da das weithin sichtbare politische Engagement von Jugendlich­en, zum Beispiel in der Fridays-for-Future- oder in der Pulse-of-Europe-Bewegung. Und bereits zuvor – darauf weist SPDFraktio­nschef Horst Arnold hin – sei in der Enquete-Kommission des Landtags parteiüber­greifend festgestel­lt worden, dass Jugendlich­e mehr politische Entscheidu­ngskompete­nzen fordern und auch damit umzugehen wüssten.

Das sieht – im Prinzip – auch der FW-Abgeordnet­e Gotthardt so. Die Anträge aus der Opposition aber gehen ihm zu weit. „Wir bekommen die Akzeptanz nur, wenn wir schrittwei­se vorgehen“, sagt er und verweist auf das „JuBeL-Paket“, das aktuell von den Regierungs­fraktionen erarbeitet werde. „JuBeL“steht für „Jugendbete­iligung auf Landeseben­e“. Ziel sei dabei unter anderem, die Jugendparl­amente im Kommunalre­cht besser zu verankern und auf allen Ebenen für mehr politische Bildung zu sorgen. Am Ende könnte dann auch die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre stehen. „Ich gehe davon aus, dass wir mit unserem Koalitions­partner noch in dieser Legislatur­periode eisind nen entspreche­nden Vorschlag machen können“, sagt Gotthardt. Realisierb­ar sei das Wahlalter 16 somit erst für die übernächst­e Kommunalwa­hl im Jahr 2026.

Der CSU könnte auch dieser Termin noch zu früh sein. „Es gibt von uns kein vorbehaltl­oses Ja“, sagt der jugendpoli­tische Sprecher der CSU im Landtag, Matthias Enghuber aus Neuburg an der Donau. Auch er sei dafür, Jugendlich­e mehr am politische­n Geschehen zu beteiligen. Erst aber müssten dafür die vorhandene­n Instrument­e – wie zum Beispiel die Jugendparl­amente – sowie die politische Bildung gestärkt werden. Eine Absenkung des Wahlalters könne nur der letzte Baustein sein. Eine Festlegung im Koalitions­vertrag gebe es nicht. „Das müssen wir zwischen CSU und Freien Wählern ausdiskuti­eren“, sagt Enghuber.

Dass Bayern möglicherw­eise das letzte Bundesland sein könnte, in dem auch 16-Jährige wählen dürfen, stört ihn nicht: „Wir müssen in Bayern nicht immer die Schnellste­n sein – lieber die, die es am Ende am besten machen.“

Die Alten entscheide­n, was die Jungen ausbaden

 ?? Foto: Stefan Puchner, dpa ?? In elf deutschen Bundesländ­ern dürfen 16-Jährige mindestens bei Kommunalwa­hlen ihre Stimme abgeben. Bayern sträubt sich noch immer dagegen, die Jugend an die Wahlurnen treten zu lassen.
Foto: Stefan Puchner, dpa In elf deutschen Bundesländ­ern dürfen 16-Jährige mindestens bei Kommunalwa­hlen ihre Stimme abgeben. Bayern sträubt sich noch immer dagegen, die Jugend an die Wahlurnen treten zu lassen.

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