Künstliches Schlagloch gegen Raser
Verkehr Hanau will Temposünder auf moderne Art ausbremsen. Stahlplatten sollen sich bei zu schnellem Fahren absenken und die Betroffenen an das überschrittene Tempolimit erinnern
Hanau Zuerst denkt man verwundert: Als ob es nicht schon genug Schlaglöcher in der Republik geben würde. Allein in Bayern reklamierte die SPD-Opposition vor einigen Jahren ja mal fast 5000 Kilometer marode Staatsstraßen. Doch der Plan der hessischen Stadt Hanau ist kein Schildbürgerstreich, sondern ein ernsthafter Ansatz, Raser auszubremsen. Das Vorhaben: Die Kommune will – wenn möglich – noch im Spätsommer in einer Straße eine Art künstliches Schlagloch installieren.
„Das ist tatsächlich in Planung“, bestätigt ein Sprecher der Stadt auf Nachfrage entsprechende Medienberichte. In Hanau will man auf ein System zurückgreifen, das „Actibump“heißt und in Schweden entwickelt wurde. Es soll Automobilisten zu einer langsameren Fahrt bewegen. Seit 2011 ist es beispielsweise in der Nähe einer McDonald’s-Filiale in Linköping im Einsatz und wurde nach ersten Erfolgen auch in beziehungsweise auf anderen Straßen Schwedens installiert. Außerdem soll es in Tschechien und Australien eingesetzt werden. Hanau wäre die erste deutsche Stadt, die „Actibump“verwendet – präzise in der „Langen Straße“. Dort sind sogenannte Auto-Poser ein Ärgernis, die mit laut aufheulenden Motoren selbst dort rasen, „wo das Tempo auf 20 Stundenkilometer begrenzt ist“, wie Stadtrat Thomas Morlock beklagt. Radarmessungen hätten bisher nicht den gewünschten Erfolg erzielt.
Jetzt soll das künstliche Schlagloch Abhilfe schaffen. Doch wie funktioniert das System, das rund 50 000 Euro kostet? Im Prinzip ganz einfach, heißt es in Hanau. In die Straße eingelassene Stahlplatten würden sich sehr schnell um vier Zentimeter absenken, wenn sich ein Fahrzeug mit überhöhter Geschwindigkeit nähert. Der Erziehungseffekt werde dadurch erzielt, dass der Fahrer beim Passieren ein unangenehmes Poltern vernimmt.
In Schweden funktionieren solche Stellen schon gut – schreibt zumindest der Hersteller der Fallgruben im Rahmen einer Studie. Demnach senkte die Installation eines künstlichen Schlaglochs die Fahrgeschwindigkeit der Autofahrer um rund 5,5 Stundenkilometer. Der Anteil von Fahrzeugen, die dort in einer Tempo-30-Zone schneller als erlaubt gefahren sind, sank offenbar von 75 auf 21 Prozent.
Im Gegensatz zu Bodenschwellen trifft „Actibump“nicht jeden Verkehrsteilnehmer. Busse oder etwa Einsatzfahrzeuge erkennt das System. Auch für schneller als erlaubt fahrende Krankenwagen oder Polizeifahrzeuge sollen die mit Radar gesteuerten künstlichen Schlaglöcher unproblematisch sein. Sie würden in diesen Fällen per Sensor außer Kraft gesetzt. Trotzdem gibt es in Deutschland offenbar Zweifel am schwedischen System. Nach Auskunft des Hanauer Stadtsprechers liegt noch immer keine offizielle Stellungnahme des hessischen Verkehrsministeriums respektive des Regierungspräsidiums Darmstadts vor, die grünes Licht gäbe: „Sie ist hier im Rathaus jedenfalls noch nicht eingetroffen.“
Auch beim ADAC ist man noch skeptisch. Zwar befürwortet ein Sprecher einen wissenschaftlich begleiteten Pilotversuch. „Der Sicherheitsgewinn müsste größer sein als das Risiko einer Fahrzeugbeschädigung“, sagte er. Außerdem müsse das System auch für Motorradfahrer sicher sein. In Hanau plant man inzwischen zweigleisig: Falls das künstliche Schlagloch doch nicht genehmigt würde, prüft man, dort eine Fußgängerzone einzurichten.