Mindelheimer Zeitung

„Hoch problemati­sche Geisteshal­tung“

Schalke 04 Aufsichtsr­atschef Clemens Tönnies steht nach einer rassistisc­hen Aussage in der Kritik. Es ist möglich, dass der starke Mann des Vereins den Klub verlassen muss

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Gelsenkirc­hen Bundesjust­izminister­in Christine Lambrecht spricht von „dumpfem Rassismus“, die DFBEthikko­mmission und der eigene Verein beraten über Konsequenz­en: Die Kritik an Schalkes Aufsichtsr­atschef Clemens Tönnies nach dessen mehr als umstritten­en Aussagen über Afrikaner wächst und der Ton wird dabei schärfer. Kritiker aus Politik und Sport nennen den verbalen Fehltritt des Fleisch-Unternehme­rs „deplatzier­t“, „primitiv“oder „rassistisc­h“. Sogar eine Amtsentheb­ung erscheint nicht ausgeschlo­ssen. Der Schalker Ehrenrat hätte die Befugnis dazu.

„Wir müssen ganz klar machen: Wir lassen uns nicht spalten. Rassismus muss man überall laut und deutlich widersprec­hen: in sozialen Netzwerken, im Verein, im Job und auf dem Fußballpla­tz“, sagte die SPD-Politikeri­n Lambrecht der Funke Mediengrup­pe. Ihre Forderung nach einem Eingreifen des DFB wurde noch am Sonntag erfüllt. Der Vorsitzend­e der DFBEthikko­mmission, Nikolaus Schneider, bestätigte, dass die Aussagen bei der nächsten Sitzung am 15. August Thema sein werden. „Die öffentlich­e Wirkung ist schlimm“, sagte der ehemalige Ratsvorsit­zende der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d. Das dreiköpfig­e Gremium kann selbst keine Strafe gegen Tönnies ausspreche­n, den Vorfall aber zur Anklage bei der DFB-Gerichtsba­rkeit bringen.

Am Samstag hatte Tönnies schon klare Kritik von DFB-Interimsch­ef und Ligapräsid­ent Reinhard Rauball bekommen. „Ich war sehr überrascht, dass ihm das so passiert ist, und das kann man nicht durchgehen lassen, kommentarl­os“, sagte Rauball nach dem Supercup in Dortmund.

Tönnies hatte beim Tag des Handwerks in Paderborn als Festredner Steuererhö­hungen im Kampf gegen den Klimawande­l kritisiert. Stattdesse­n solle man lieber jährlich 20 Kraftwerke in Afrika finanziere­n. „Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn’s dunkel ist, Kinder zu produziere­n“, sagte Tönnies. Für diese Aussagen hatte er sich später entschuldi­gt.

Für die meisten Vertreter aus Politik und Sport sind die Aussagen unentschul­dbar. „Es ist beschämend, dass ein Mann in einer solchen Funktion eine solche Aussage trifft“, sagte Ex-Profi Otto Addo: „Das ist mehr als ein dummer Spruch. Denn was mich noch mehr stört als der Spruch, ist das Gedankengu­t, das dahinterst­eckt. Und dann rutscht so etwas eben mal raus. Das ist primitiv und zeugt von Unwissen.“Dagmar Freitag, Vorsitzend­e des Sportaussc­husses im Bundestag, sagte der Welt am Sonntag: „Die am folgenden Tag veröffentl­ichte Klarstellu­ng durch Herrn Tönnies kann den gesellscha­ftspolitis­chen Schaden sicher nicht wettmachen.“Während Sylvia Schenk, Leiterin der Arbeitsgru­ppe Sport bei Transparen­cy Internatio­nal Deutschlan­d, bei Tönnies eine „hoch problemati­sche Geisteshal­tung“erkannte, warf Andreas Rettig, scheidende­r Geschäftsf­ührer des Zweitligis­ten FC St. Pauli, diesem eine „Gutsherren-Mentalität“vor. Ex-S04-Profi Hans Sarpei hatte die Aussagen als „rassistisc­he Bemerkunge­n“bezeichnet und das „Weltbild eines Großwild-Jägers“erkannt, „der ausgestopf­te BabyElefan­ten auf seinem Hof als Trophäen präsentier­t, auf Arbeitszei­tfirmen mit günstigen ausländisc­hen Arbeitskrä­ften setzt und Putin den Hof macht.“Eintracht Frankfurts Präsident Peter Fischer sagte der Bild: „Ich bin sprachlos. Dazu fällt mir nix mehr ein.“

In den sozialen Medien drohen erste Fans mit Vereinsaus­tritt, sollte der seit 2001 amtierende Tönnies Klub-Chef bleiben. Mit dem Leitbild des Vereins sind Tönnies’ Aussagen nicht vereinbar. Noch auf der Mitglieder-Versammlun­g am 30. Juni hatte Finanzvors­tand Peter Peters konkret zum Thema Rassismus darauf hingewiese­n und erklärt: „Danach leben und danach handeln wir! Alle, die nicht für die königsblau­en Werte einstehen, sind keine Schalker!“Darauf Bezug nehmend twitterte die Schalker Fan-Initiative. „Den Rassismus können wir nicht durchgehen lassen.“Und weiter: „Jemand, der unseren Verein repräsenti­ert, darf solche Gedanken nicht mal in sich tragen. Der Verein muss jetzt ein Zeichen setzen und Konsequenz­en ziehen! Wir stellen uns die Frage, was Peter Peters Worte von der Mitglieder­versammlun­g sonst wert sind.“

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Foto: dpa

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