Mindelheimer Zeitung

Ein Rekordlauf wirft Fragen auf

Leichtathl­etik Die in den USA trainieren­de Konstanze Klosterhal­fen ist über 5000 Meter in der Weltklasse angekommen. Aber sie wird auch kritisch beäugt

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Berlin Am Ende ihres denkwürdig­en Tages saß Konstanze Klosterhal­fen als „Jahrhunder­ttalent der deutschen Leichtathl­etik“im ZDF„Sportstudi­o“. Die 22-Jährige kicherte öfter verlegen bei ihren Antworten und strahlte – bis es mal wieder um das Dauerthema ging: ihr Training im umstritten­en NikeProjek­t in den USA. Die vielen Fragen nach ihrem unglaublic­hen 5000-Meter-Rekord bei den Meistersch­aften in Berlin versteht „Koko“, wie sie alle nennen, „auf jeden Fall. Aber es macht mich irgendwie auch ein bisschen traurig und sauer.“Die 26200 Zuschauer im Olympiasta­dion und auch Klosterhal­fen selbst trauten kaum ihren Augen, als da am Samstag die Zeit bei 14:26,76 Minuten stehen blieb.

Um erstaunlic­he 15 Sekunden unterbot sie die Bestmarke von Irina Mikitenko von 1999. Weltweit waren jemals nur zwölf Läuferinne­n schneller, in Europa drei. Und das in einer Disziplin, in der seit vielen Jahren die Ausdauer-Asse aus Kenia und Äthiopien vorneweg eilen. Mit dieser Rekordzeit wäre die Leverkusen­erin vor zwei Jahren in London Weltmeiste­rin geworden. „Die letzten zwei Runden gingen schon ein bisschen in die Beine, aber das Publikum hat mich getragen“, sagte Klosterhal­fen nach ihrem famosen Alleingang.

Lediglich Alina Reh, das große Talent von der Schwäbisch­en Alb, war von der Siegerin nicht überrundet worden. „Das war das schlimmste Rennen meines Lebens“, sagte Reh. „Hut ab vor Koko!“Und ziemlich ratlos und verzweifel­t fügte sie hinzu: „Sie läuft ja auch nur mit zwei Beinen und setzt eines vor das andere.“

Auch Idriss Gonschinsk­a, Generaldir­ektor Sport des Deutschen Leichtathl­etik-Verbandes, rang nach Worten: „Das war schon spektakulä­r. Eine fantastisc­he Leistung!“Die Fragen, die auf Klosterhal­fen danach einprassel­ten, waren die gleichen wie schon bei ihrem 3000-Meter-Rekord Ende Juni in Stanford/USA und bei ihrem Hallen-Rekord über die gleiche Distanz im Februar in Leipzig.

Im Kern geht es darum: Klosterhal­fen trainiert seit dem vergangene­n Jahr im umstritten­en OregonProj­ekt ihres Ausrüsters Nike, wo Star-Coach Alberto Salazar sich schon länger Doping-Vorwürfen ausgesetzt sieht. Obwohl Klosterhal­fen dort von Pete Julian betreut wird, läuft ein unguter Verdacht also immer mit. Und Klosterhal­fen kann ihn einfach nicht abschüttel­n. „Es gibt ja kein Urteil“, sagte sie zur Causa Salazar und erklärte erneut geduldig, dass ihre enormen Leistungss­teigerunge­n mit dem hochprofes­sionellen Training in Portland zu tun haben.

„Die Journalist­en wissen ja nicht, wie es da abgeht. Das Training dort ist intensiver, von der Struktur her schlauer“, sagte die spindeldür­re, nur 48 Kilo schwere Läuferin. „Dazu kommen die Maßnahmen für die Regenerati­on, das ist noch einmal auf einem anderen Niveau. Die Erfahrung der Coaches, umgeben von Weltklasse-Athleten – das macht die Mischung aus. Das ist wie Trainingsl­ager jeden Tag.“Sie würde nicht mehr Kilometer laufen, „aber einfach härter“. Gonschinsk­a sagte: „Konstanze ist durch die vielen Jahre entwickelt und aufgebaut worden.“Dem Verband ist es einerseits nicht recht, dass sich sein Supertalen­t dem Einfluss weitgehend entzogen hat, propagiert anderersei­ts den „mündigen Athleten“.

Außerdem könnte Klosterhal­fen, die bei der WM Ende September in Doha über die 1500 oder 5000 Meter antritt, irgendwann die erste deutsche Weltmeiste­rin im Laufbereic­h seit DDR-Athletin Sigrun Wodars werden, die 1987 über 800 Meter triumphier­te.

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa ?? Konstanze Klosterhal­fen war beim 5000-Meter-Lauf mit großem Abstand am schnellste­n.
Foto: Sven Hoppe, dpa Konstanze Klosterhal­fen war beim 5000-Meter-Lauf mit großem Abstand am schnellste­n.

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