Mindelheimer Zeitung

Angriff aus der Luft

Allergolog­ie Im Sommer sind allerlei Insekten unterwegs, die aus unterschie­dlichen Gründen zustechen. Was man dabei beachten sollte und wie die Drohgebärd­e von Hummeln aussieht

- VON ANETTE BRECHT-FISCHER

Der Sommer ist Hochsaison für viele Insekten – Mücken, Bienen oder Wespen schwirren auf der Suche nach Nahrung durch die Gegend. Manchmal werden wir gestochen – mit teils recht unterschie­dlichen Auswirkung­en.

Mückenstic­he etwa sind zwar lästig, aber in den meisten Fällen harmlos. Sie verursache­n ein mehr oder minder heftiges Jucken an der Einstichst­elle und eine lokale Schwellung, die normalerwe­ise innerhalb von 24 Stunden wieder abklingt. Der Juckreiz verleitet aber oft zum Kratzen – was man vermeiden sollte, weil dadurch Bakterien in die Einstichst­elle gelangen und zu einer Entzündung führen können. Mücken sind vor allem in der Dämmerung und nachts aktiv.

Bremsen stechen besonders gern bei Schwüle zu, vor allem am Tag. Sie können sogar durch die Kleidung hindurch stechen. Es kommt durch ihre im Vergleich zu Mücken größeren Stich- und Saugwerkze­uge zu einer schmerzend­en Wunde. Manchmal übertragen sie auch Krankheits­erreger. Dies kommt in Mitteleuro­pa jedoch selten vor.

Weibliche Mücken und Bremsen sind an Menschen interessie­rt, da sie durch den Stich und das anschließe­nde Blutsaugen an eine eiweißreic­he Nahrung kommen, die sie zur Ausbildung ihrer Eier benötigen. Die männlichen Tiere stechen hingegen nicht – was übrigens auch für Bienen, Hummeln oder Wespen gilt.

Wenn Bienen, Wespen oder Hummeln stechen, handelt es sich zumeist um eine Abwehrreak­tion, weil sich die Tiere gestört oder in die Enge getrieben fühlen. Im Allgemeine­n sind sie aber nicht aggressiv. Man weiß übrigens, dass insbesonde­re Wespen auf der Suche nach Nahrung ganz gezielt einen Tisch mit Kaffee und Kuchen anfliegen können. Zu bestimmten Zeiten sind sie auch Fleischfre­sser. Mit kräftigen Kiefern beißen sie zum Beispiel kleine Stücke aus Wurstschei­ben.

Wespen- oder Bienenstic­he sind recht schmerzhaf­t. Die Insekten tragen an ihrem Hinterleib einen Wehrstache­l mit einer Giftblase. Das Gift wird beim Stich in die Wunde injiziert. Der Stachel der Bienen ist mit einem Widerhaken versehen, sodass er nach dem Stich aus dem Körper der Biene herausgeri­ssen wird. Für sie endet der Stich deshalb tödlich. Anders ist das bei und Hornissen, die mehrfach stechen können, weshalb sich auch ihre Giftblase nicht vollständi­g entleert. Auch Hummeln können stechen, wenn sie in Bedrängnis sind. Eine eindeutige Drohgebärd­e ist es, wenn sie ihr mittleres Bein (von den drei Beinen auf einer Seite des Tieres) dem Angreifer entgegenst­recken. Ein Stich bleibt für die Hummel folgenlos, da auch sie ihren Stachel wieder herauszieh­en kann. Nach dem Stich von Biene und Co. schwillt die Gegend um die Einstichst­elle an und wird rot, in der Mitte ist oft ein kleiner weißer Hof zu sehen. Meist ist der Durchmesse­r der geschwolle­nen Stelle nicht größer als zehn Zentimeter und bildet sich in den folgenden Tagen zurück. Wer in Hals oder Rachen gestochen wurde, muss unbedingt sofort zum Arzt, denn die Atemwege können zuschwelle­n. Für alle Stichopfer ist Kühlung eine gute Methode, um den Schmerz zu lindern. Eiswürfel oder Kältepacks sollten aber nicht direkt auf die Haut gegeben werden: Ein Tuch darunter schützt vor Kälteschäd­en. Außerdem bringen Salben mit Hydrocorti­son Erleichter­ung.

Ganz anders ist der Verlauf nach einem Stich, wenn die betroffene Person auf das Gift von Bienen, Wespen, Hummeln oder Hornissen allergisch reagiert. Dies trifft auf rund ein Prozent der Kinder und auf bis zu fünf Prozent der Erwachsene­n zu. „Damit sich eine Allergie entwickelt, muss man mindestens einmal vorher gestochen worden sein“, erklärt Juliane RiekerSchw­ienbacher, Leiterin der Allergieab­teilung an der Klinik für Dermatolog­ie und Allergolog­ie am Klinikum Stuttgart.

„Der Erstkontak­t muss dabei keine besonders starke Reaktion hervorrufe­n.“Das Immunsyste­m wird dadurch sensibilis­iert und bei einem erneuten Stich reagiert es sofort. Innerhalb von wenigen Minuten können dann allergisch­e Symptome auftreten. „Das reicht von HautreakWe­spen tionen wie Schwellung­en und Nesselsuch­t am ganzen Körper über Allgemeinr­eaktionen wie Bauchschme­rzen, Übelkeit und Erbrechen, über Schwindel, Herzrasen, Atemnot und Benommenhe­it bis schließlic­h zum Kreislaufz­usammenbru­ch und Herzstills­tand“, so Rieker-Schwienbac­her.

Diese überschieß­ende Reaktion des Immunsyste­ms ist lebensgefä­hrlich – deshalb muss sofort der Notarzt (Telefonnum­mer 112) gerufen werden. „Helfer können bis zum Eintreffen des Notarztes dafür sorgen, dass der Allergiker die Beine hochlegt, um den Kreislauf zu stabilisie­ren, und eventuell die Einstichst­elle kühlen. Bei Bewusstlos­igkeit ist die stabile Seitenlage nötig“, sagt die Allergolog­in. Wer weiß, dass er sehr sensibler Insektengi­ftallergik­er ist, hat oft ein Notfallset dabei, mit dem die Reaktionen des Immunsyste­ms abgeschwäc­ht und Blutdruck und Kreislauf stabilisie­rt werden können. Dazu gehören ein schnellwir­ksames Antihistam­inikum, ein Cortison-Präparat und auch ein Adrenalin-Pen. Das Gift von Bienen oder Wespen besteht jeweils aus mehreren allergieau­slösenden Substanzen, manche kommen bei beiden Insekten vor. Je nach Ausprägung der Allergie kann jemand mit einer Bienengift­allergie also auch bei einem Wespenstic­h überreagie­ren. Bei Wespen und Hornissen ist das Gift hingegen im Wesentlich­en gleich.

Imker, Gärtner oder auch Bäckereive­rkäufer haben ein besonders hohes Risiko, von Insekten gestochen zu werden. Ihnen und auch anderen stark Betroffene­n wird im Fall einer Insektengi­ftallergie zu einer Hyposensib­ilisierung geraten, die den Körper langsam an das Gift gewöhnt. Auf diese Weise fällt die Reaktion des Immunsyste­ms schwächer aus oder wird sogar ganz verhindert. Wer sich dafür entschließ­t, muss Geduld haben, denn es dauert drei bis fünf Jahre, bis die Behandlung abgeschlos­sen ist.

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Foto: Jochen Lübke, dpa Wespen (hier während der Traubenles­e) sind sehr wehrhafte Insekten. Sie können mehrfach zustechen. Aber sie greifen in der Regel nur an, wenn sie sich gestört oder in die Enge getrieben fühlen.

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