Mindelheimer Zeitung

Wanzl: IG Metall bemüht sich um Schadensbe­grenzung

Widerstand Vor gut einem Monat hat die Gewerkscha­ft den zweiten Warnstreik in der Firmengesc­hichte des weltgrößte­n Hersteller­s von Einkaufswa­gen organisier­t. Was im Streit um einen Tarifvertr­ag falsch gelaufen ist – und mit welchen Folgen

- VON TILL HOFMANN

Leipheim Es war heiß Ende Juni im Landkreis Günzburg. Besonders hitzig ging es am 26. Juni auf dem Leipheimer Marktplatz zu. Rund 800 Wanzl-Beschäftig­te hatten sich dort – teils aus den Leipheimer Werken dorthin gelaufen, teils aus Kirchheim mit Bussen angereist – im Zentrum der Stadt zu einer Protestkun­dgebung versammelt. Die anwesenden Arbeitnehm­er wollten nicht länger hinnehmen, dass Wanzl nicht bereit ist, solche Arbeitsbed­ingungen zu schaffen und so zu entlohnen, wie es der Tarifvertr­ag für die Branche vorsieht.

Gewerkscha­ftssekretä­rin Sabrina Balkheimer von der IG Metall war mit die schärfste Rednerin an diesem Nachmittag. Sie verriet den angebliche­n Spitznamen des Vorsitzend­en der Geschäftsf­ührung, Klaus MeierKortw­ig.

IG-Metall-Vertreter entschuldi­gen sich

Und Beschäftig­te skandierte­n zurück: „Lü – gen –klaus!“Außerdem bezeichnet­e sie den Firmenmana­ger öffentlich als „Arschloch“.

Wenige Tage später war Günter Frey, dem 1. Bevollmäch­tigten der IG Metall Günzburg/Neu-Ulm, ob der Wortwahl nicht mehr wohl zumute. „Da ist damals etwas aus dem Ruder gelaufen“, sagte er auf Nachfrage. „Einverstan­den, dass man hart in der Sache streitet. Mit einem dummen Spruch bin ich auch noch einverstan­den. Aber das war von der Note her viel zu persönlich.“

Frey ist auf Schadensbe­grenzung aus. Schließlic­h sollte das Klima unter den Verhandlun­gspartnern nicht vollends vergiftet, das Vertrauen nicht völlig zerstört werden. In einem Anruf eine knappe Woche nach dem zweiten Warnstreik in der Firmengesc­hichte von Wanzl hatte der IG Metall-Bevollmäch­tigte WanzlChef Meier-Kortwig um Entschuldi­gung gebeten. Der fragte zurück, ob Frey ihn auf den Arm nehmen wolle.

Doch dem Gewerkscha­fter war es ernst. Er bot eine schriftlic­he Entschuldi­gung an, die man in der Firma auch ans Schwarze Brett hängen könne. In dem Brief schreibt Frey, dass während des Warnstreik­s eine Vertreteri­n der IG Metall Äußerungen getätigt hat, „die geeignet waren, Sie als Person oder als Geschäftsf­ührer im Betrieb oder in der Öffentlich­keit herabzuset­zen. Wir bedauern diese Äußerungen sehr und ich bitte Sie hiermit, im Namen der IG Metall in aller Form um Entschuldi­gung. Dies war und ist nicht unsere Absicht gewesen. Als verantwort­licher Leiter des Warnstreik­s und der Kundgebung versichere ich Ihnen, dass es sich um einen einmaligen Vorgang handelt, der sich unter meiner Leitung nicht mehr wiederhole­n wird.“

Frey bedauerte es Meier-Kortwig gegenüber, „wenn Ihr Ruf im Betrieb und darüber hinaus Schaden genommen haben sollte“. Der Bevollmäch­tigte der IG Metall hat sein Pendant auf der Arbeitgebe­rseite in den vergangene­n fünf Jahren „als konstrukti­v und ehrlich agierenden Geschäftsf­ührer erlebt. Wir begrüßen, dass die auch aus unserer Sicht notwendige Transforma­tion von Ihnen eingeleite­t wurde. Den Wandel im Markt, die Herausford­erung der Transforma­tion sowie die damit verbundene Ergebnisbe­lastung haben Sie mir und uns mehrfach erläutert und wir haben keinen Grund, Ihre Aussagen in Zweifel zu ziehen.“

Sabrina Balkheimer selbst hat ebenfalls schriftlic­h um Entschulge­beten. Sie sei zur Einsicht gekommen, dass die ein oder andere Äußerung, „die man als persönlich­e Beleidigun­g auffassen kann, nicht in Ordnung war“. Teile der Belegschaf­t hätten sich in diesem Moment durch sie als Vertreteri­n der IG Metall nicht gut repräsenti­ert gefühlt. Als Konsequenz zieht sich Balkheimer aus der Tarifkomdi­gung mission zurück und wird nicht mehr an den Verhandlun­gen teilnehmen – damit man die Gespräche um einen Tarifvertr­ag bei Wanzl wieder aufnehmen kann.

Meier-Kortwig hat die Entschuldi­gung der Gewerkscha­ftsseite angenommen und mahnt in einem im Betrieb ausgehängt­en Schreiben: „Bei aller Schwierigk­eit in aktuellen und zukünftige­n inhaltlich­en Auseinande­rsetzungen, die wir zu führen haben, sollte immer gelten, dass wir aufrichtig und respektvol­l miteinande­r umgehen. Wir sind eine starke Firma mit einer starken Belegschaf­t. Unsere angestammt­en Märkte verändern sich fundamenta­l. Wir sind mittendrin in der Ausrichtun­g unseres Unternehme­ns auf die neuen Marktanfor­derungen, jedoch erst auf halbem Weg. Um erfolgreic­h zu sein, brauchen wir jetzt Ruhe und unser aller Energie, um die eingeleite­ten, vielverspr­echenden Zukunftsth­emen voranzubri­ngen. Dazu gehört auch in der aktuellen Auseinande­rsetzung Kompromiss­bereitscha­ft auf allen Seiten.“

Federführe­nd auf Wanzl-Seite wird die Gespräche in der Tarifkommi­ssion der künftige Geschäftsf­ührer für Finanzen, Personal und IT, Markus Bergmann, übernehmen. Er folgt auf Frank Derks, seinen Vorgänger als Finanz- und Personalch­ef. Bergmann beginnt seine Tätigkeit am 1. August.

Dass der Neue in der Geschäftsf­ührerebene diese Aufgabe und die Kommunikat­ion gegenüber dem Betriebsra­t übernimmt, findet der IG Metall-Bevollmäch­tige Frey positiv. „Er hat einen Vertrauens­vorschuss verdient, wenn er sich in einer schwierige­n Situation in diese Gespräche einbringt.“

In den nächsten Tagen wird es also keinen Tarifvertr­ag für die WanzlBeleg­schaft geben, wie die Gewerkscha­ft noch vor Monatsfris­t gefordert hat. Im September sollen die Gespräche weitergefü­hrt werden.

 ?? Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r ?? Die IG Metall mit Sabrina Balkheimer (auf der Bühne rechts) und Günter Frey (Zweiter von rechts) entschuldi­gte sich bei Wanzl-Chef Klaus Meier-Kortwig für Äußerungen gegenüber dem Manager.
Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r Die IG Metall mit Sabrina Balkheimer (auf der Bühne rechts) und Günter Frey (Zweiter von rechts) entschuldi­gte sich bei Wanzl-Chef Klaus Meier-Kortwig für Äußerungen gegenüber dem Manager.

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