Mindelheimer Zeitung

Der Klimawande­l macht unser Essen teurer

Expertenbe­richt Erderwärmu­ng könnte die Versorgung mit Lebensmitt­eln beeinträch­tigen

- VON JAN DIRK HERBERMANN UND CHRISTIAN GRIMM

Genf/Berlin Der Weltklimar­at schlägt Alarm: Das Expertengr­emium warnt in einem Sonderberi­cht mit eindrückli­chen Worten, dass die Erderwärmu­ng immer mehr die Versorgung der Weltbevölk­erung mit Lebensmitt­eln gefährdet. Grund sind die zunehmende­n Wetterextr­eme: Dürren, Hitzewelle­n, Sandstürme, heftige Niederschl­äge und die Erosion von Böden verschlech­tern und zerstören landwirtsc­haftliche Nutzfläche­n – und lassen so die weltweiten Ernteerträ­ge schrumpfen. Schon jetzt sind 820 Millionen Menschen unterernäh­rt. Ihre Zahl steigt nach UN-Daten seit einigen Jahren wieder.

Der indische Umweltwiss­enschaftle­r Priyadarsh­i Shukla, CoVorsitze­nder einer der Arbeitsgru­ppen des Expertengr­emiums der UN, sagte dieser Zeitung, dass sich die Verbrauche­r auf steigende Preise, eine sinkende Qualität und Störungen in den Lieferkett­en einstellen müssen. „Und gleichzeit­ig wächst die Weltbevölk­erung weiter“, unterstric­h Shukla. Hinzu kommt: Ein ganzes Drittel der produziert­en Nahrung geht verloren oder wird weggeschmi­ssen.

Der Druck wird besonders drastisch in armen Ländern in Afrika, Asien, der Karibik und Lateinamer­ika zu spüren sein, hielt der Rat fest. Den Angaben nach leben bereits 500 Millionen Menschen in Regionen, in denen sich Wüsten ausbreiten. Die Fachleute warnten vor einem Teufelskre­is. Die Erderwärmu­ng beeinträch­tige die Anbaumögli­chkeiten auf den landwirtsc­haftlichen Nutzfläche­n und lasse die Produktivi­tät sinken. Dadurch würden auch die Fähigkeite­n der Oberfläche­n und Gewächse eingeschrä­nkt, das klimaschäd­liche CO2 zu absorbiere­n. „Natürliche Bodenproze­sse absorbiere­n nahezu ein Drittel der Emissionen von Kohlendiox­id“, unterstric­h der britische Energieexp­erte Jim Skea, ein CoVorsitze­nder einer der Arbeitsgru­ppen.

Gleichzeit­ig verlangen die Fachleute eine radikale Wende in der Landwirtsc­haft. Denn der Agrarsekto­r, die Forstwirts­chaft und andere Formen der Bodennutzu­ng in ihrer bisherigen Form sind laut dem Bericht für den Ausstoß fast eines Viertels der klimaschäd­lichen Treibhausg­ase verantwort­lich. Eine nachhaltig­e und an ökologisch­en Kriterien orientiert­e Anbauweise müsse zum Durchbruch kommen. Einen Aufruf, den Fleischkon­sum aus umweltschä­dlicher Massentier­haltung einzuschrä­nken oder gar einzustell­en, wollte der Klimarat allerdings nicht machen. „Der Weltklimar­at gibt keine Empfehlung­en zur Ernährungs­weise der Menschen“, unterstric­h Skea.

Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze (SPD) setzt auf mehr Ökolandbau in Deutschlan­d. Sie verhehlte nicht, dass sie keine zu hunderten und tausenden zusammenge­pferchten Schweine und Rinder mehr will, nur damit Fleisch möglichst billig ist. „Man sieht, dass das Wirtschaft­ssystem, das wir in der Landwirtsc­haft nutzen, an Grenzen kommt“, sagte Schulze. In die für eine Sozialdemo­kratin heikle Diskussion um höhere Steuern auf Fleisch will sie nicht einsteigen. „Damit alleine ist es nicht getan, die Aufgabenst­ellung ist deutlich komplexer“, sagte die Ministerin. Sie will erreichen, dass der Anteil ökologisch­er Landwirtsc­haft in den nächsten Jahren auf 20 Prozent gesteigert wird. Doch als Umweltmini­sterin hat sie keinen direkten Zugriff auf den Bereich. Das ist der Beritt von Julia Klöckner von der CDU. Und so schließt die von Schulze gewünschte CO2-Steuer die Landwirtsc­haft ausdrückli­ch nicht mit ein. Sie wäre aber das effektivst­e Instrument, um Fleisch teurer zu machen. Klöckner kündigte stattdesse­n für dieses Jahr eine neue „Ackerbaust­rategie“an.

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