Aiwanger: Ohne Autos geht das Licht aus
Konjunktur Bayerns Wirtschaftsminister rechnet mit einer „gewissen Stagnation“, schimpft über „überzogenen Kündigungsschutz“, fordert Steuersenkungen und verteidigt den Verbrennungsmotor als „Exportschlager“
München In Zeiten drohender Konjunkturkrisen den richtigen Ton zu finden, gehört zu den wohl heikelsten Aufgaben eines bayerischen Wirtschaftsministers. Er soll einerseits Zuversicht verbreiten und die Widerstandskraft der heimischen Unternehmen betonen. Andererseits muss er auf Schwachstellen hinweisen, um seinen Forderungen an die Berliner Politik Nachdruck zu verleihen. Hubert Aiwanger (Freie Wähler) entschied sich bei der Vorlage des bayerischen Industrieberichts gestern gegen ein sorgfältig abgewogenes Sowohl-alsauch. Er wählte drastische Worte.
Zur bayerischen Autoindustrie, mit 208000 Beschäftigten und 106 Milliarden Euro Jahresumsatz die dominierende Branche im Freistaat, sagte Aiwanger: „Wenn das Automobil wegbricht, dann können wir hier das Licht ausschalten. Oder wir brauchen es gar nicht auszuschalten – es geht dann von selber aus.“Zu den besorgniserregenden Problemen der Weltwirtschaft wie dem drohenden No-Deal-Brexit und dem Handelsstreit zwischen China und den USA sagte er: „Wenn es gut läuft international, sind wir ganz vorne mit dabei. Wenn es irgendwo Verwerfungen gibt, merken wir das als Erste.“
Gleichzeitig geißelte er wirtschaftspolitische Entscheidungen in jüngster Vergangenheit als Fehler. Zum Beispiel die Besteuerung von Strom, den Unternehmen selbst erzeugen: „Völlig fahrlässig wurde der Branche hier ins Knie geschossen.“Oder Versäumnisse in der Forschung: „Wenn wir schon die Batterien verschlafen haben, dürfen wir nicht auch noch den Wasserstoff verschlafen.“
Das Motiv für Aiwangers alarmierende Redeweise ist offenkundig: Es geht ihm in der Bundespolitik alles zu langsam. Er erwartet eine „gewisse Stagnation“und rechnet für dieses Jahr in Bayern nur mehr mit einem Wirtschaftswachstum von 0,5 bis 0,6 Prozent. Um gegenzusteuern, fordert er mehr Geld für Forschung, mehr Tempo beim 5G-Mobilfunk, die Abschaffung des Solidaritätszuschlags, eine Senkung der Unternehmensteuern „Richtung 25 Prozent“und eine Reform der Erbschaftsteuer, die inhabergeführte Familienunternehmen bei Betriebsübergaben entlastet und wieder „Vertrauen in den Standort“schafft.
Ein Dorn im Auge sind Aiwanger auch einige arbeits- oder tarifrechtliche Vorschriften, die seiner Ansicht nach die Bewältigung der bevorstehenden Transformationsprozesse behindern. Er spricht zum Beispiel von „überzogenem Kündigungsschutz“. Hier müsse man „alte Zöpfe abschneiden“und sich auch bei Arbeitszeitregelungen „deutlich liberaler aufstellen“, um auf ein „internationales Niveau“zu kommen. Dann könnte es, so das Argument des Ministers, auch schneller gehen, von Personalabbau betroffene Beschäftigte in anderen Branchen unterzubringen. Nach wie vor nämlich würden Fachkräfte gesucht, zum Beispiel in der Gastronomie oder im Handwerk, sagte Aiwanger und forderte alle Beteiligten dazu auf, sich der Transformation zu stellen und sie „unaufgeregt“zu gestalten.
Für die Autoindustrie empfiehlt Aiwanger eine Doppelstrategie. Zum einen will er am Verbrennungsmotor festhalten, weil der noch über viele Jahre und weit über 2030 hinaus ein „Exportschlager“sein werde. Zum anderen fordert er mehr Anstrengungen für Wasserstofftechnologie. Wasserstoffautos sollten von Audi und BMW kommen statt aus Asien. Dieses Thema dürfe nicht verschlafen werden, „sonst sitzen wir am Ende auf der Batterie und die Chinesen haben Wasserstoff und lachen sich eins.“
Zur künftigen Entwicklung sagte Aiwanger, dass es „noch keine Negativstimmung“gebe. Zwar gingen die Auftragseingänge zurück, die Auftragsbücher aber seien noch gut gefüllt. Er habe die Hoffnung, „dass uns der breite Mittelstand trägt, wenn es bei den ganz Großen nicht mehr so gut läuft.“