Der Ehemann, ein Unbekannter
Literatur Javier Marías neuer Roman „Berta Isla“zwischen Spionagethriller und Romanze
Sie ist mit ihm vertraut, und doch bleibt er ihr ein Leben lang fremd. Sie ist mit Tomás Névinson verheiratet, doch über Monate, sogar Jahre weiß sie nicht, wo er welches Leben lebt, ja zu leben hat. In dieser Spannung befindet sich Berta Isla, die Protagonistin des neuen, gleichnamigen Romans des großen spanischen Erzählers Javier Marías. Schon die ersten Zeilen saugen den Leser hinein in diese Geschichte einer Liebe, so fragil, so geheimnisvoll, so bedroht, dass man die 656 Seiten, die das Buch umfasst, in einem Zuge durchlesen möchte.
Der Roman spielt im 20. Jahrhundert zwischen der Franco-Zeit und den Falkland-Kriegen. Der Leser befindet sich mit Tomás zunächst als Student in Oxford, Berta Isla bleibt in Madrid, später werden sie heiraten. Er ist ein junger, begabter Mann, der das Englische wie das Spanische beherrscht. Sein „außerordentliches Geschick“, Dialekte und Ausdrucksweisen perfekt zu imitieren, macht ihn für den britischen Geheimdienst interessant. In die Enge getrieben durch einen Mord, der ihm in die Schuhe geschoben wird, stellt er sich dem Geheimdienst zur Verfügung und beginnt, ein Doppelleben zu führen.
In diesem großen Roman, Spionagethriller und Liebesgeschichte zugleich, zeichnet Javier Marías mit der Icherzählerin Berta Isla eine starke Frau, der durch das Minimum dessen, was sie von Tomás’ Tätigkeit erfahren darf, klar ist, dass sie mit einem Unbekannten lebt. Dem es verboten ist, über ganze Monate seines Lebens Auskunft zu geben, und die dies auch hinnimmt. „Aber Tom war ihr“, so heißt es im Text, „teils mehr als vertraut, so selbstverständlich wie die Luft. Und die Luft prüft man niemals kritisch“.
Parallel dazu wird von Tomás erzählt, in Andeutungen, mit welchen Leuten er zu tun hat, und auch davon, dass er dabei Grenzen überschreiten muss. Die Ungeheuerlichkeit seines Tuns, vor allem den Verrat, hält er nur aus in fremden Identitäten – bis hin zur Selbstauflösung seines Namens. Aus den Tagen und Wochen des Wartens auf Tomás werden für seine Frau Berta Isla schließlich Jahre, bis sie selbst nicht mehr glaubt, dass es ihn mit seinem „wirklichen Gesicht“noch gibt.
Javier Marías gelingt es in diesem Roman, sprachlich Raum gebend und packend zugleich, die Zerrissenheit seiner Figuren zu beschreiben. Nichts ist eindeutig, doch gerade dadurch hält er die Spannung. Es ist, als lege sich ein unsichtbares Netz über dieses Geschehen, immer dichter und dichter und verhängnisvoller. Es lässt auch den Leser nicht mehr los.
» Javier Marías: Berta Isla. S. Fischer, 656 S., 26 ¤