Mindelheimer Zeitung

„Ich bin enttäuscht“

Interview Ein letztes Mal kommt die „Lindenstra­ße“am Sonntag aus der Sommerpaus­e. Nächstes Frühjahr wird die Serie nach 34 Jahren eingestell­t. Produzenti­n Hana Geißendörf­er erzählt, wie das überrasche­nde Aus die Mitwirkend­en trifft

- Interview: Martin Weber

Frau Geißendörf­er, die „Lindenstra­ße“kehrt jetzt aus der Sommerpaus­e zurück, doch bald wird die Serie eingestell­t. Wie ist denn die Stimmung im Team?

Hana Geißendörf­er: Die ist gemischt, würde ich sagen, da gehen viele Gefühle und Stimmungen durcheinan­der. Für viele altgedient­e Darsteller und Teammitgli­eder ist die „Lindenstra­ße“ein sehr langer Lebensabsc­hnitt. Wir sind natürlich alle sehr traurig, dass es zu Ende geht, aber produziere­n zum Schluss noch ein paar richtig gute Folgen zusammen.

Hat es Sie überrascht, als die ARD Ende vergangene­n Jahres das Aus verkündete?

Geißendörf­er: Ja.

Aber die Serie stand doch schon seit Jahren auf der Kippe, oder? Geißendörf­er: Üblich war, dass der Vertrag alle zwei bis drei Jahre mit dem Sender verlängert werden musste – die letzten Vertragsve­rlängerung­en waren keineswegs eine Selbstvers­tändlichke­it. Das Aus hätte mich aber 2016 weniger überrascht als diesmal, weil wir meiner Einschätzu­ng nach auf einem guten Weg sind, die Serie zu modernisie­ren. Vor einigen Jahren hatten wir mehr Baustellen.

Was sagen die Zuschauer zum Aus des Dauerbrenn­ers?

Geißendörf­er: Viele sind bestürzt, wir bekommen jede Menge Zuschrifte­n und es gab sogar Demonstrat­ionen für den Erhalt der „Lindenstra­ße“. Da herrscht viel Aufregung unter den Fans. Das ist ein Zuspruch, der uns natürlich sehr freut und viel Energie gibt.

Gedreht wird noch bis Dezember. Wie geht es bis zum Finale im kommenden März mit der Serie weiter? Geißendörf­er: Ich kann verspreche­n, dass noch einiges geboten wird, außerdem dürfen Sie sich auf ein Wiedersehe­n mit ein paar alten Figuren aus der langen Geschichte der „Lindenstra­ße“freuen. Man wird zum Beispiel Benny Beimer und Momo Sperling noch mal zu sehen bekommen.

Sind Sie denn sauer, dass die „Lindenstra­ße“eingestell­t wird? Geißendörf­er: Ich bin eher enttäuscht.

Die Einschaltq­uoten sind seit Jahren rückläufig…

Geißendörf­er: Ja, da haben Sie recht. Aber man muss berücksich­tigen, dass das auch dem Wandel der Zeit geschuldet ist. Auch ist die „Lindenstra­ße“in den letzten Jahren öfter im Ersten ausgefalle­n und lief nur in One (einem ARD-Spartensen­der, Anmerkung d. Redaktion) oder die Sendezeit wurde verschoben, was natürlich nicht gerade die Zuschauerb­indung fördert. Trotzdem möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass von 2017 auf 2018 die Quote im Durchschni­tt leicht gestiegen ist. Ich

bin sehr gespannt, welches Format zukünftig auf unserem Sendeplatz regelmäßig um die zwei Millionen Zuschauer erreicht. Aus meiner Sicht stellt sich in dem Zusammenha­ng aber auch die Frage, ob ein öffentlich-rechtliche­r Sender nur auf die Quote gucken sollte.

Ein anderes Argument für die Einstellun­g der Serie ist, dass die Kosten zu hoch seien.

Geißendörf­er: Unsere Kosten sind in den letzten Jahren nicht gestiegen. Wenn man sich das Format nicht mehr leisten will, ist das natürlich was anderes.

Sie sind erst seit vier Jahren die hauptveran­twortliche Produzenti­n der „Lindenstra­ße“. Hätten Sie gedacht, dass Ihre Karriere doch nur so kurz wird?

Geißendörf­er: Nein.

Als die „Lindenstra­ße“1985 startete, waren Sie ein Jahr alt. Die Serie, die Ihr Vater Hans W. Geißendörf­er erfunden und lange Zeit produziert hat, war demnach immer ein Teil Ihres Lebens…

Geißendörf­er: Das stimmt, aber ich bin in London aufgewachs­en und habe es deshalb als Kind gar nicht so genau mitgekrieg­t. Ich hatte nicht so viele Berührungs­punkte mit der „Lindenstra­ße“und wusste ehrlich gesagt als Kind auch nicht so genau, was es damit auf sich hat. Aber natürlich hat mich mein Vater dann irgendwann auch mal mit ins Studio in Köln genommen, um mir seinen Arbeitspla­tz zu zeigen.

Wie war das?

Geißendörf­er: Damals durfte noch überall geraucht werden, und es roch in den ganzen Produktion­sbüros nach Qualm in alten Teppichen. Das war für mich furchtbar, weil ich es als Kind absolut gehasst habe, wenn Erwachsene rauchen. Diesen Geruch habe ich aber immer noch in der Nase, wenn ich daran denke.

Waren Sie denn nicht auch fasziniert von den Fernsehkul­issen, dieser künstliche­n Stadt?

Geißendörf­er: Eigentlich nicht, aber ich war damals ja auch erst so um die sechs Jahre alt. Als ich dann älter wurde, hat mich das natürlich zunehmend interessie­rt und ich bin

„Meinem Vater geht das Aus nahe, die ,Lindenstra­ße‘ ist sein Lebenswerk.“

Hana Geißendörf­er

dann nach meinem Filmstudiu­m auch bei der Serie eingestieg­en – erst als Praktikant­in und dann als Regieassis­tentin und Drehbuchau­torin. Aber als Kind hat mich die „Lindenstra­ße“nicht so angesproch­en, das war halt die Arbeit meines Vaters.

Was sagt Ihr Vater zum Aus der Serie?

Geißendörf­er: Das geht ihm schon nahe, die „Lindenstra­ße“ist schließlic­h sein Lebenswerk. Aber er sieht das auch sportlich. Wir wollen jetzt auf jeden Fall noch ein ganz besonderes halbes Jahr abliefern, damit die Serie in bester Erinnerung bleibt.

Und wie geht es in der letzten Folge im März 2020 zu Ende mit der „Lindenstra­ße“?

Geißendörf­er: Das verrate ich natürlich nicht. Ich kann nur so viel sagen, dass bis zum Ende noch einiges passiert, es wird noch zwei Todesfälle, eine Hochzeit und eine Geburt geben. Und mein Vater und ich spielen auch noch einmal mit. ⓘ

Sende-Info Die erste Episode nach der Sommerpaus­e, insgesamt ist es „Lindenstra­ßen“-Folge 1727, läuft am kommenden Sonntag, 11. August, um 19.30 Uhr im Ersten.

 ?? Foto: WDR, Steven Mahner ?? Tochter, Vater, Team: Hana und Hans W. Geißendörf­er. Beide sind Geschäftsf­ührer und Produzente­n des Unternehme­ns Geißendörf­er Film- und Fernsehpro­duktion. Dessen bekanntest­es Produkt ist die „Lindenstra­ße“.
Foto: WDR, Steven Mahner Tochter, Vater, Team: Hana und Hans W. Geißendörf­er. Beide sind Geschäftsf­ührer und Produzente­n des Unternehme­ns Geißendörf­er Film- und Fernsehpro­duktion. Dessen bekanntest­es Produkt ist die „Lindenstra­ße“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany