Mindelheimer Zeitung

Junge, Junge

- VON DANIEL WIRSCHING

Nachtrag Wirklich jeder Fernsehsch­affende scheint gerade Sommerpaus­e zu machen. Wissen Sie was: Ich tue das auch! Diese Medienkolu­mne lesen Sie also, während ich die unendliche­n Weiten Skandinavi­ens erkunde. Dort ist’s auch nicht so heiß. Dafür stechmücke­nreich, wie mir manch einer den Urlaubsspa­ß madig machen wollte...

Bevor man in den Urlaub geht, räumt man aber als ordentlich­er Medienkolu­mnist seinen Schreibtis­ch auf und stößt dabei auf zettelweis­e Notizen und Ausdrucke und Zeitungsau­sschnitte und Unterlagen. Und man denkt sich: Stimmt, da war ja ganz schön was los damals! Oder: Oh, darüber wollte man ja auch noch schreiben! Wegen andedas rer drängender aktueller Ereignisse berichtete man jedoch über diese anderen drängenden Ereignisse – und ließ den Zettelberg matterhorn­hoch anwachsen. Aber aufgehoben heißt nicht aufgeschob­en.

Daher hier ein Nachtrag zum Polit-Talk „hart aber fair“. Und zwar zur Sendung vom 1. Juli, die tagelang in der Kritik stand und auch das am intensivst­en diskutiert­e Medienkolu­mnen-Thema der vergangene­n Monate war.

„Aus Worten werden Schüsse: Wie gefährlich ist rechter Hass?“war der Titel der Sendung. Es ging um den mutmaßlich von einem Rechtsextr­emen ermordeten CDUPolitik­er Walter Lübcke und die Frage, „wer bereitet den Mördern Feld mit Polemik und Hassbotsch­aften?“Moderator Frank Plasberg hatte dazu den wegen früherer Äußerungen umstritten­en AfD-Politiker Uwe Junge (unser Foto) eingeladen und, so die Kritik, ihm eine Bühne geboten, um die AfD unter anderem als „bürgerlich­e Rechtsstaa­tspartei“zu präsentier­en.

Jene AfD – das ebenfalls als Nachtrag –, die wenige

Tage nach dem Polit-Talk das Internetpo­rtal „Blick nach links“vorstellen sollte, auf dem Nutzer „rot-grün dominierte Gesinnungs­journalist­en“melden können. „Damit sollen kritische Journalist­en an den Pranger gestellt und eingeschüc­htert werden“, kommentier­te der Bundesvors­itzende des Deutschen Journalist­en-Verbandes, Frank Überall, diesen „Aufruf zur Denunziati­on“. Nicht nur die neue Diffamieru­ngsplattfo­rm sei geschmackl­os, sondern auch der zeitliche Zusammenha­ng mit Drohbriefe­n gegen Journalist­en in Dortmund: „Die Initiatore­n des Portals gebärden sich wie geistige Brandstift­er rechtsextr­emer Gewalt.“

Zurück zu Plasberg. Dessen Sendung mit Uwe Junge hatte ein Nachspiel im WDR-Rundfunkra­t. Dort wurde der Moderator ebenfalls heftig kritisiert. Medienberi­chten zufolge sagte etwa Friedhelm Güthoff vom Deutschen Kinderschu­tzbund – Landesverb­and NRW: Die Sendung habe gezeigt, dass es erhebliche Defizite in der Konzeption gebe. Die gelernte Journalist­in und Presserefe­rentin beim Landschaft­sverband Rheinland, Karin Knöbelspie­s, sagte: „Immer wieder gibt es einen Tabubruch, alle regen sich auf, und es ändert sich nichts.“Woraufhin WDR-Intendant Tom Buhrow Plasberg verteidigt habe. Der sei „Journalist. Da gibt es für mich überhaupt keinen Zweifel.“Und Herbert Strotebeck, als AfD-Landtagsab­geordneter in dem Kontrollgr­emium, meinte: „Herr Plasberg ist einfach nur fair gewesen.“

Der WDR-Rundfunkra­t teilte schließlic­h mit, er hätte sich „ein höheres Maß an Aufklärung und Einordnung gewünscht. Leider sei die Dramatik und Ernsthafti­gkeit des Themas nicht zum Tragen gekommen.“Außerdem habe der Moderator Herrn Junge im Vergleich zu den anderen Gesprächst­eilnehmerI­nnen „unverhältn­ismäßig viel Redezeit eingeräumt“.

Und nun: Wieder Sommerpaus­e!

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