Junge, Junge
Nachtrag Wirklich jeder Fernsehschaffende scheint gerade Sommerpause zu machen. Wissen Sie was: Ich tue das auch! Diese Medienkolumne lesen Sie also, während ich die unendlichen Weiten Skandinaviens erkunde. Dort ist’s auch nicht so heiß. Dafür stechmückenreich, wie mir manch einer den Urlaubsspaß madig machen wollte...
Bevor man in den Urlaub geht, räumt man aber als ordentlicher Medienkolumnist seinen Schreibtisch auf und stößt dabei auf zettelweise Notizen und Ausdrucke und Zeitungsausschnitte und Unterlagen. Und man denkt sich: Stimmt, da war ja ganz schön was los damals! Oder: Oh, darüber wollte man ja auch noch schreiben! Wegen andedas rer drängender aktueller Ereignisse berichtete man jedoch über diese anderen drängenden Ereignisse – und ließ den Zettelberg matterhornhoch anwachsen. Aber aufgehoben heißt nicht aufgeschoben.
Daher hier ein Nachtrag zum Polit-Talk „hart aber fair“. Und zwar zur Sendung vom 1. Juli, die tagelang in der Kritik stand und auch das am intensivsten diskutierte Medienkolumnen-Thema der vergangenen Monate war.
„Aus Worten werden Schüsse: Wie gefährlich ist rechter Hass?“war der Titel der Sendung. Es ging um den mutmaßlich von einem Rechtsextremen ermordeten CDUPolitiker Walter Lübcke und die Frage, „wer bereitet den Mördern Feld mit Polemik und Hassbotschaften?“Moderator Frank Plasberg hatte dazu den wegen früherer Äußerungen umstrittenen AfD-Politiker Uwe Junge (unser Foto) eingeladen und, so die Kritik, ihm eine Bühne geboten, um die AfD unter anderem als „bürgerliche Rechtsstaatspartei“zu präsentieren.
Jene AfD – das ebenfalls als Nachtrag –, die wenige
Tage nach dem Polit-Talk das Internetportal „Blick nach links“vorstellen sollte, auf dem Nutzer „rot-grün dominierte Gesinnungsjournalisten“melden können. „Damit sollen kritische Journalisten an den Pranger gestellt und eingeschüchtert werden“, kommentierte der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Frank Überall, diesen „Aufruf zur Denunziation“. Nicht nur die neue Diffamierungsplattform sei geschmacklos, sondern auch der zeitliche Zusammenhang mit Drohbriefen gegen Journalisten in Dortmund: „Die Initiatoren des Portals gebärden sich wie geistige Brandstifter rechtsextremer Gewalt.“
Zurück zu Plasberg. Dessen Sendung mit Uwe Junge hatte ein Nachspiel im WDR-Rundfunkrat. Dort wurde der Moderator ebenfalls heftig kritisiert. Medienberichten zufolge sagte etwa Friedhelm Güthoff vom Deutschen Kinderschutzbund – Landesverband NRW: Die Sendung habe gezeigt, dass es erhebliche Defizite in der Konzeption gebe. Die gelernte Journalistin und Pressereferentin beim Landschaftsverband Rheinland, Karin Knöbelspies, sagte: „Immer wieder gibt es einen Tabubruch, alle regen sich auf, und es ändert sich nichts.“Woraufhin WDR-Intendant Tom Buhrow Plasberg verteidigt habe. Der sei „Journalist. Da gibt es für mich überhaupt keinen Zweifel.“Und Herbert Strotebeck, als AfD-Landtagsabgeordneter in dem Kontrollgremium, meinte: „Herr Plasberg ist einfach nur fair gewesen.“
Der WDR-Rundfunkrat teilte schließlich mit, er hätte sich „ein höheres Maß an Aufklärung und Einordnung gewünscht. Leider sei die Dramatik und Ernsthaftigkeit des Themas nicht zum Tragen gekommen.“Außerdem habe der Moderator Herrn Junge im Vergleich zu den anderen GesprächsteilnehmerInnen „unverhältnismäßig viel Redezeit eingeräumt“.
Und nun: Wieder Sommerpause!