Mindelheimer Zeitung

Was passierte vor der Freiburger Disco?

Prozess Seit Juni stehen elf Männer vor Gericht. Sie sollen eine 18-Jährige gemeinsam vergewalti­gt haben. Es geht um K.-o.-Tropfen, Ecstasy und die Frage, was sich beweisen lässt

- VON MIRJAM MOLL

Freiburg Der Mammutproz­ess um die Freiburger Gruppenver­gewaltigun­g zieht sich. Elf Angeklagte – acht Syrer, ein Iraker, ein Algerier und ein Deutscher, stehen unter Verdacht, eine damals 18-Jährige im Oktober in einem Gebüsch unmittelba­r neben dem Eingang einer Diskothek in einem Industrieg­ebiet vergewalti­gt zu haben. Zehn Prozesstag­e sind vorbei, die verbleiben­den 17 werden nicht reichen – so viel ist schon jetzt zur Sommerpaus­e des Landgerich­ts klar. Bislang scheint der Prozess mehr Fragen aufzuwerfe­n als zu beantworte­n.

Wie sieht die Beweislage gegen die elf Angeklagte­n aus?

Darüber wurde bisher nur wenig im Prozess bekannt. Der Hauptangek­lagte Majd H. streitet den Geschlecht­sverkehr mit dem mutmaßlich­en Opfer Franziska W. gar nicht ab, behauptet aber, es sei einvernehm­lich gewesen. Auch Timo B. behauptet, die junge Frau habe sich ihm regelrecht aufgedräng­t. Von einem Muhamad M. hat die Staatsanwa­ltschaft offenbar keine DNASpuren beim Opfer gefunden, trotzdem soll auch er sich an ihr vergangen haben. Die anderen Angeklagte­n wollten nicht aussagen. Die Beweislage sei bei den einzelnen Angeklagte­n sehr unterschie­dlich, sagt die Staatsanwa­ltschaft.

Wie sehr belastet die Aussage der 18-Jährigen die Angeklagte­n?

Ihre Aussage fand unter Ausschluss der Öffentlich­keit statt. Die Staatsanwa­ltschaft bestätigte aber, dass sich die heute 19-Jährige zum Teil nicht mehr erinnern könne, was in der Nacht geschehen sei. Unstrittig ist aber, dass sie den Haupttäter identifizi­eren konnte.

Gibt es ein rechtsmedi­zinisches Gutachten?

Ja. Der Gutachter muss nach der Sommerpaus­e seinen Bericht erst noch vorbringen. Einzelheit­en sind aber bereits bekannt. Demnach hat das mutmaßlich­e Opfer Hämatome an den Oberschenk­elinnensei­ten erlitten, ebenso sei ihr Körper von Schürfwund­en gezeichnet, unter ihren Fingernäge­ln wurden fremde Hautpartik­el gefunden – was auf ein Abwehrverh­alten hindeuten kann.

Gab es Zeugen der Tat?

Ja. Diejenigen, die bislang aussagten, stehen aber selbst unter Verdacht – die Staatsanwa­ltschaft ermittelt noch wegen einer möglichen Tatbeteili­gung. Ein Zeuge machte deshalb Gebrauch von seinem Aussagever­weigerungs­recht. Ein weiterer sagte zwar aus, gab aber an, er habe gehört, wie Franziska W. mit derben Aussagen den Sex eingeforde­rt habe, während ein Mann im Gebüsch Geschlecht­sverkehr mit ihr hatte. Anderersei­ts war er sich nicht sicher, ob die Frau wollte, was geschah. Insgesamt sind 47 Zeugen geladen. Darunter sind Besucher der Diskothek, Freunde des mutmaßlich­en Opfers und der Angeklagte­n, Mitarbeite­r des Klubs.

Wie argumentie­rt die Verteidigu­ng?

Der Anwalt des Hauptangek­lagten Majd H., Jörg Ritzel, kündigte schon zum Prozessauf­takt an, dass er einen Freispruch für seinen Mandanten erwirken wolle, da es keine Vergewalti­gung, sondern einvernehm­licher Sex gewesen sei. Andere Verteidige­r stützen sich auf angebliche sexuelle Vorlieben und frühere Partnerwah­l des mutmaßlich­en Opfers. Die Verteidige­rin von Jekar D. machte von sich reden, weil für sie offenbar relevant war, ob das Opfer an dem Abend Strapse oder normale Strumpfhos­en trug.

Welche Rolle spielen Drogen in diesem Prozess?

Im Blut des mutmaßlich­en Opfers waren Spuren eines Betäubungs­mittels wie K.-o.-Tropfen gefunden worden. Erschweren­d hinzu kommt, dass Franziska W. zu Beginn ihres Discobesuc­hs die Partydroge Ecstasy einnahm. Die Staatsanwa­ltschaft beschreibt die Nacht in der Anklage so, dass die junge Frau durch die Wirkung des Betäubungs­mittels irgendwann nicht mehr in der Lage gewesen sei, sich physisch zu wehren, zu schreien und zunehmend das Bewusstsei­n verlor. Zeugen behaupten dagegen, dass die damals 18-Jährige „voll auf Drogen“gewesen wäre, aufgeputsc­ht durch Ecstasy, euphorisch und sexhungrig. Männer aus dem Umfeld der Angeklagte­n sagten vor Gericht aus, die Partydroge verstärke die sexuelle Lust. Hier wird die Einschätzu­ng des Drogenexpe­rten Torsten Passie eine entscheide­nde Rolle spielen. Der als Gutachter geladene Wissenscha­ftler hat die Wirkung verschiede­ner Drogen erforscht.

Wie geht es weiter?

Am 9. September wird der Prozess fortgesetz­t. Dann sollen Vorstrafen der Angeklagte­n verlesen werden. Richter Stefan Bürgelin sprach von einer „ellenlange­n Liste“. Gegen den Hauptangek­lagten Majd H. und einen Mitangekla­gten wird zudem ein weiteres Verfahren geführt werden – auch hier geht es um die Vergewalti­gung einer jungen Frau.

 ?? Foto: Patrick Seeger, dpa ?? Hier, unweit einer Disco im Freiburger Industrieg­ebiet, soll die Gruppenver­gewaltigun­g passiert sein.
Foto: Patrick Seeger, dpa Hier, unweit einer Disco im Freiburger Industrieg­ebiet, soll die Gruppenver­gewaltigun­g passiert sein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany