Mindelheimer Zeitung

Heil will Angehörige bei Pflege entlasten

Soziales Nur wer mehr als 100 000 Euro verdient, soll finanziell herangezog­en werden

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Berlin Kinder von Pflegebedü­rftigen werden künftig weit seltener als bisher für deren Unterhalt zur Kasse gebeten. Nur wer mehr als 100000 Euro brutto im Jahr verdient, soll noch finanziell herangezog­en werden. Das Kabinett beschloss dazu am Mittwoch das Angehörige­n-Entlastung­sgesetz von Sozialmini­ster Hubertus Heil (SPD), dem Bundestag und Bundesrat noch zustimmen müssen. Die neue Einkommens­grenze soll auch für die Eltern von Kindern gelten, die gepflegt werden müssen.

Bisher gilt die 100000-EuroGrenze nur bei Grundsiche­rung im Alter und Erwerbsmin­derung. Heute springt zunächst das Sozialamt ein, wenn Pflegebedü­rftige etwa die Heimkosten nicht zahlen können. Aber in vielen Fällen holt sich die Behörde das Geld zumindest teilweise von den Angehörige­n zurück. „Das führt zu Unfrieden, das führt aber vor allem zu unkalkulie­rbaren finanziell­en Risiken gerade für die Mitte der Gesellscha­ft“, sagte Heil. „Es sind Menschen oft der mittleren Generation, die jeden Tag arbeiten, die zum Teil kleine Kinder erziehen und die gleichzeit­ig erleben, dass ihre Angehörige­n pflegebedü­rftig werden.“Laut Gesetzentw­urf ist die Zahl derer, die von den Plänen profitiere­n, nur grob zu schätzen. Insgesamt sollen es rund 275 000 Menschen sein, davon in mehreren zehntausen­d Fällen Kinder von Eltern im Pflegeheim, in den meisten Fällen aber Eltern erwachsene­r behinderte­r Kinder. Die Kosten werden auf bis zu 319 Millionen Euro für Länder und Kommunen und 79 Millionen Euro für den Bund im Jahr 2023 geschätzt. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) sagte: „Die Pflege der Eltern darf nicht arm machen.“Bei dem Gesetz habe Heil deshalb seine volle Unterstütz­ung. Die Kommunen warnten vor Belastunge­n in Milliarden­höhe für ihre Haushalte. Der Hauptgesch­äftsführer des Städte- und Gemeindebu­nds, Gerd Landsberg, sagte den Funke-Zeitungen: „Es ist grundsätzl­ich zumutbar, dass Kinder und Eltern gegenseiti­g füreinande­r einstehen. Daran sollte nicht gerüttelt werden.“

Der Sozialverb­and VdK begrüßte das Gesetz, weil es älteren Menschen aus einer schwierige­n Lage hilft, wie Präsidenti­n Verena Bentele in den Funke-Zeitungen erläuterte. „Sie gehen nicht ins Heim, obwohl sie zu Hause nicht mehr ausreichen­d versorgt werden können, damit ihre Kinder nicht belastet werden.“DGB-Vorstandsm­itglied Annelie Buntenbach sagte: „Dieses Gesetz ist ein wichtiger Schritt gegen die hohe Dunkelziff­er derer, die dringend benötigte und ihnen zustehende Sozialleis­tungen nicht in Anspruch nehmen, weil sie einen Rückgriff auf die Einkünfte ihrer Kinder oder Eltern befürchten.“Es soll auch Verbesseru­ngen für Menschen mit Behinderun­gen geben, so soll ihnen eine betrieblic­he Ausbildung durch ein Budget für Ausbildung erleichter­t werden.

Der Behinderte­nbeauftrag­te Jürgen Dusel sagte, die Förderung schaffe in vielen Fällen die Chance auf eine betrieblic­he Ausbildung und einen Berufsabsc­hluss. Bestehende Beratung von Menschen mit Behinderun­g und ihren Angehörige­n soll zudem auf dauer gesichert werden. Die pflegepoli­tische Sprecherin der FDP-Fraktion Nicole Westig kritisiert­e, die Pläne gäben keine Antwort für die mehr als 70 Prozent der Pflegebedü­rftigen, die von ihren Angehörige­n zu Hause betreut werden.

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Foto: dpa Vater des Angehörige­n-Entlastung­sgesetzes: Minister Hubertus Heil.

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