Mindelheimer Zeitung

Ermittlung­en um Ibiza-Video ausgeweite­t

Österreich Führt eine heiße Spur in die Glücksspie­l-Branche?

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien Gerade hatten die Österreich­er über die vermeintli­che Untätigkei­t der Behörden in Sachen Ibiza-Affäre zu murren begonnen, als die Wiener Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft in Wien mit Hausdurchs­uchungen begann. Prominente­ster Betroffene­r der Polizeimaß­nahme war ohne Zweifel ExFPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Der Vorwurf lautet Korruption. Die Ermittlung­en laufen intern angeblich unter dem Namen „Causa Blaue Glücksfee“.

Das Justizmini­sterium gab bekannt, dass im Zusammenha­ng mit dem Ibiza-Video in insgesamt neunzehn Punkten ermittelt wird – da geht es um Vorwürfe der Bestechlic­hkeit oder der Gründung einer staatsfein­dlichen Organisati­on. Es werde auch geprüft, ob ein Zusammenha­ng zwischen dem Video und den geschredde­rten Drucker-Festplatte­n bestehe, die ein Mitarbeite­r von Ex-Kanzler Sebastian Kurz unter falschem Namen zerstören ließ. Ferner stehen „Überlassun­g von Kokain“, Steuerhint­erziehung und Urkundenfä­lschung auf der Liste. Ermittelt wird gegen zwanzig Personen. Allerdings stehen die Staatsanwä­lte vor dem Problem, nicht das gesamte Video zu kennen.

Angesichts der bevorstehe­nden Parlaments­wahl am 29. September können die neuen Vorwürfe erhebliche Konsequenz­en haben. Denn durch die Ermittlung­en zeigt sich, dass das Ibiza-Video mehr war als „eine bsoffne Geschicht‘ “, wie die FPÖ bisher glauben machen will. In dem mittlerwei­le berühmten Filmchen hatte Strache Novomatic erwähnt. Er sagte: „Novomatic zahlt alle.“Er kündigte an, dass das bestehende Glücksspie­l-Monopol der Casinos Austria aufzubrech­en sei. Dies dürfte Sebastian Kurz im Falle seines Wahlsieges eine Koalition mit der FPÖ erschweren.

Die ÖVP äußerte sich empört über einen „unglaublic­hen Schmutzküb­elwahlkamp­f“. Ihr geht natürlich gegen den Strich, dass die Ibiza-Affäre in Zusammenha­ng mit dem Schreddern von Akten des Kanzleramt­es gebracht wird. Die konservati­ve Partei droht jedem, der das behauptet, mit einer Klage.

Mit den Hausdurchs­uchungen bei Ex-FPÖ-Chef Strache und dem früheren FPÖ-Fraktionsv­orsitzende­n Johann Gudenus begann am Montag eine neue Offensive der Ermittler. Darauf folgten weitere Razzien bei den Novomatic-Chefs Harald Neumann, Johann Graf und dem Finanzchef der Casinos Austria AG, Peter Sidlo. Der Ex-Staatssekr­etär im Finanzmini­sterium, Herbert Fuchs (FPÖ), soll das Geschacher um Posten zugunsten des FPÖ-Politikers Sidlo auf einer Messe in London

Es geht um Vorteilsna­hme und Postengesc­hacher

mit Novomatic-Eigentümer Graf ausgehande­lt haben. Danach wurde Sidlo ohne entspreche­nde Qualifikat­ion mit den Stimmen des Aktionärs Novomatic-Finanzchef bei den Casinos Austria. Novomatic seien im Gegenzug geschäftli­che Vorteile und eine Liberalisi­erung des Glücksspie­ls versproche­n worden, so die Vermutung der Staatsanwa­ltschaft.

Bei den Hausdurchs­uchungen beschlagna­hmten die Beamten die Handys und Computer von Strache und Gudenus sowie Sidlo. Danach nahm sich die Staatsanwa­ltschaft die „Pension Enzian“in St. Jakob (Osttirol) vor. In dem FPÖ-eigenen Hotel, das häufig für Sitzungen der rechtspopu­listischen Partei genutzt wird, machte Strache häufig Urlaub.

Alle Verdächtig­en bestreiten die Vorwürfe. Strache spricht auf Facebook von „politische­n Angriffen“, die ihn „mundtot machen sollten“. Aufhorchen lässt, dass der amtierende FPÖ-Chef Norbert Hofer gegenüber Strache und Gudenus auf Distanz ging.

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Foto: Helmut Fohringer, dpa Heinz-Christian Strache: Reißen die Ermittlung­en um das legendäre Ibiza-Video weitere Politiker und Unternehme­r in den Abgrund?

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