Mindelheimer Zeitung

Verbrauche­r wünschen sich Lebensmitt­elampel

Umfrage Schon bald soll auf Lebensmitt­elverpacku­ngen stehen, wie gesund oder ungesund der Inhalt ist. Das Landwirtsc­haftsminis­terium hat mehrere Kennzeichn­ungen ausgearbei­tet. Doch Kunden können damit nichts anfangen

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Wie gesund ist unser Essen? Um diese Frage auf einen Blick zu beantworte­n, hat Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner (CDU) ein System entworfen, das zukünftig auf allen Lebensmitt­elverpacku­ngen abgedruckt werden soll. Das Problem ist nur: Der von Klöckner konzipiert­e Wegweiser verwirrt die Verbrauche­r. Das ist das Ergebnis einer repräsenta­tiven Umfrage unter 1000 Konsumente­n. Nur fünf Prozent halten die Lebensmitt­elampel der CDU-Politikeri­n für schnell erfassbar, 65 Prozent hingegen für komplizier­t. In Auftrag gegeben hat die Untersuchu­ng ein Bündnis, das sich mit Klöckner seit langem über die richtige Kennzeichn­ung von Lebensmitt­eln streitet. Ihm gehören unter anderem die Deutsche Diabetes Gesellscha­ft, der Berufsverb­and der Kinder- und Jugendärzt­e und die Verbrauche­rorganisat­ion Foodwatch an.

Klöckners Gegner trommeln für ein anderes Modell. Es heißt NutriScore und wurde von französisc­hen Wissenscha­ftlern entwickelt. Nutrition ist das französisc­he Wort für Ernährung. Score wiederum ist englisch und lässt sich mit Wertung übersetzen. Der Ansatz arbeitet mit den Ampelfarbe­n – grün ist gesund, gelb vertretbar und rot bedeutet ungesund. Ergänzt wird es durch Buchstaben von A für gut bis E für bedenklich. Verwendet wird die Farbskala bereits in Frankreich und Belgien. Spanien hat angekündig­t, sie einzuführe­n. In der Befragung sprachen sich 69 Prozent der Teilnehmer für diese Kennzeichn­ung aus, 25 Prozent für den Wegweiser der Landwirtsc­haftsminis­terin. Unentschie­den waren sechs Prozent.

Klöckner hat viel Druck von der Lebensmitt­elindustri­e erhalten. Teile der Unternehme­n fürchten, dass sich ungesunde Nahrungsmi­ttel schlechter verkaufen. Dazu zählen zum Beispiel Limonade, Süßigkeite­n, Chips, aber auch fett- und salzhaltig­e Wurst. Die zuständige Ministerin hat deshalb ein Wabenmodel­l entwickeln lassen. Es arbeitet nicht mit den Ampelfarbe­n. Die Industrie lehnt rot ab, weil es aus ihrer Sicht ein Verbot signalisie­rt. Die Waben enthalten detaillier­te Informatio­nen über den Nährwert, sind aber aus diesem Grunde schwerer zu verstehen. Ein Sternesyst­em soll Verbrauche­rn ihre Entscheidu­ng erleichter­n. Ein Stern heißt ungesund, fünf Sterne meinen gesund.

Allerdings tobt auch im Lager der Lebensmitt­elfirmen ein Kampf. Iglo wollte vorangehen und den NutriScore auf seine Verpackung­en von Fischstäbc­hen und Fisch-Filets drucken. Daraufhin wurde das Unternehme­n verklagt. Der Rechtsstre­it dauert an. Auch Bofrost hat sich dazu entschloss­en, die Lebensmitt­elampel auf seine Packungen zu nehmen. Der Lebensmitt­elgigant Nestlé will im Herbst folgen.

Ärzte mahnen seit Jahren, dass die Deutschen schlecht essen. Zu viel Zucker, zu viel Salz, zu viel Fleisch kommen auf den Tisch. „15 Prozent der Kinder in Deutschlan­d sind übergewich­tig. Ein entscheide­nder Risikofakt­or für Übergewich­t sind ungesunde Lebensmitt­el“, warnte Professor Berthold Koletzko vom Klinikum der Uni München bei der Vorstellun­g der Umfrage. Der Kinderarzt leitet die Ernährungs­kommission der Gesellscha­ft für Kinder- und Jugendmedi­zin. Vor allem in sozial schwächere­n Familien werde sich ungesund ernährt. „Wenn Eltern einen geringen Bildungsst­and haben oder übergewich­tig sind, dann haben die Kinder ein deutlich höheres Risiko, auch dick zu werden“, erklärte der Mediziner. Die Zustimmung zum Nutri-Score liegt in dieser Bevölkerun­gsgruppe wegen der vertrauten Ampelfarbe­n höher als bei Studierten. Übergewich­tige leiden häufiger unter HerzKreisl­auf-Erkrankung­en und Diabetes Typ 2.

Die Landwirtsc­haftsminis­terin lässt gerade in einer eigenen Umfrage erheben, welche Symbole bei den Verbrauche­rn am besten ankommen. Vier Modelle werden von Verbrauche­rn noch bis Ende August bewertet. Im September sollen dann die Ergebnisse vorgestell­t werden. Danach soll entschiede­n werden, welche Kennzeichn­ung hierzuland­e vorgeschri­eben wird. Klöckners eigene Experten vom staatliche­n Max-Rubner-Institut für Ernährung kamen zu dem Schluss, dass der Nutri-Score „grundsätzl­ich vorteilhaf­t“für die Nährwert-Kennzeichn­ung ist. Allerdings hat auch die Lebensmitt­elampel ihre Tücken, wenn zum Beispiel das allgemein als gesund betrachtet­e Olivenöl wegen seines hohen Fettgehalt­s mit rot bewertet würde.

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Foto: dpa In Frankreich wurde der schon eingeführt: der Nutri-Score. Eine Kennzeichn­ung, die auf der Lebensmitt­elverpacku­ng angibt, wie gesund etwas ist. Der Index bezieht dabei gute und ungesunde Stoffe in die Berechnung mit ein.

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