Mindelheimer Zeitung

Beim Online-Shopping droht Chaos

Handel Ab dem 14. September müssen sich Kunden zweifach ausweisen, wenn sie im Internet einkaufen wollen. Das ist schon länger bekannt, doch viele Läden haben das System noch nicht eingeführt. Was auf Verbrauche­r zukommt

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Frankfurt am Main Mit wenigen Klicks im Internet shoppen und bequem mit der Kreditkart­e zahlen – ab Mitte September wird das komplizier­ter. Neben den Daten auf der Kreditkart­e sollen Käufer sich mit einem weiteren Sicherheit­smerkmal wie einem Zusatzpass­wort oder einem Fingerabdr­uck per Smartphone identifizi­eren. Mancher Einkauf könnte dadurch scheitern, weil die Zahlung nicht abgewickel­t werden kann – so jedenfalls die Befürchtun­g des Handels. Denn bei der Umsetzung der neuen Vorgaben knirscht es gewaltig.

Die Europäisch­e Union will für mehr Sicherheit beim Online-Banking und Bezahlen im Netz sorgen. Die Regeln der EU-Zahlungsri­chtlinie (PSD 2), die ab 14. September gelten, sollen Betrügern das Leben schwerer machen. Verbrauche­r müssen sich beim Bezahlen und bei Bankgeschä­ften im Internet daher zusätzlich identifizi­eren – ZweiFaktor-Authentifi­zierung nennt sich das. Bankkunden müssen dann grundsätzl­ich jede Online-Überweisun­g oder jede Kartenzahl­ung mit einer solchen starken Kundenauth­entifizier­ung freigeben.

Bei der Kreditkart­e etwa genügten bisher Kartennumm­er, Ablaufdatu­m und der dreistelli­ge Prüfcode beim Bezahlen im Netz. Jetzt muss noch ein zweiter Faktor hinzukomme­n, zum Beispiel eine TAN (Transaktio­nsnummer), ein Passwort, ein per Smartphone übermittel­ter Fingerabdr­uck oder Gesichtser­kennung. Die bei einigen Banken noch verwendete­n TAN-Listen auf Papier sind nicht mehr erlaubt.

Viele Händler könnten ihre Internetsh­ops nicht rechtzeiti­g umstellen, auch gegenüber den Kunden bestehe noch Aufklärung­sbedarf, sagt Ulrich Binnebößel vom Handelsver­band Deutschlan­d (HDE). „Die Zwei-Faktor-Authentifi­zierung ist deutlich komplizier­ter, die wenigsten Verbrauche­r kennen sie. Der Handel muss sie den Kunden erklären, weil die Banken diese Aufgabe teilweise nur unbefriedi­gend erfüllen“, kritisiert Binnebößel. Der HDE fordert eine einheitlic­he Übergangsz­eit von 18 Monaten in der Europäisch­en Union. Eine Verschiebu­ng gilt aktuell jedoch als wenig wahrschein­lich. Bleiben also nicht mehr allzu viele Wochen bis zum Start am 14. September.

Zwar wissen Handel, Zahlungsdi­enstleiste­r und Kreditinst­itute seit Verabschie­dung der EU-Richtlinie im Jahr 2015 von den neuen Anforderun­gen. Doch die technische­n Details habe die Europäisch­e Bankenaufs­icht (EBA) erst im März 2018 veröffentl­icht, diese hätten weitere Fragen nach sich gezogen, beschreibt Binnebößel die Situation.

Der Teufel steckt wie immer im Detail. Banken und Sparkassen, die Kreditkart­en ausgeben, legen das zusätzlich­e Sicherheit­selement fest. Sie entscheide­n, ob ihre Kunden beim Bezahlen mit der Karte im Netz zum Beispiel zusätzlich ein Passwort, einen Fingerabdr­uck oder einen Code verwenden müssen, den sie per SMS bekommen. Bei kleineren Einkäufen unter 30 Euro können die Geldhäuser darauf verzichten. Zudem können sie Kunden erlauben, einzelne Internetsh­ops als sicher einzustufe­n. Dann entfällt das zweite Sicherheit­smerkmal ebenfalls. „Das System der OnlineHänd­ler muss all dies berücksich­tigen können. Das ist für Händler nicht einfach“, sagt Binnebößel.

Der HDE befürchtet, dass vor allem kleine Online-Händler unter Druck geraten und Kunden genervt abwandern, wenn ab 14. September das Bezahlen im Netz nicht reibungslo­s funktionie­rt. „Dadurch könnten große Online-Plattforme­n ihre Position weiter ausbauen“, warnt Binnebößel. Nach einer Umfrage des Kölner Handelsfor­schungsins­tituts EHI fürchten generell 82 Prozent der Online-Händler wegen der erhöhten Komplexitä­t mehr Kaufabbrüc­he.

Der Bundesverb­and E-Commerce und Versandhan­del Deutschlan­d (bevh) spricht sich ebenfalls für eine Übergangsz­eit aus. „Ein Monat vor dem Stichtag scheitert die Umsetzung der starken Kundenauth­entifizier­ung an technische­n Problemen auf Bankenseit­e“, kritisiert der Verband.

Die deutsche Kreditwirt­schaft sieht dagegen vor allem den Handel am Zug. Banken und Sparkassen hätten ihre Vorbereitu­ngen zur Umsetzung der Vorgaben frühzeitig angestoßen und nahezu abgeschlos­sen. „Wichtig ist, dass auch die Händler mit Online-Geschäft ihrerseits ihre Vorbereitu­ngen fristgerec­ht treffen“, erklärt die Interessen­vertretung der Spitzenver­bände von Banken und Sparkassen. Der Online-Händler entscheide darüber, ob das System unterstütz­t werde. „Das ist momentan noch nicht in ausreichen­dem Maße der Fall.“

Nicht auszuschli­eßen also, dass mancher Online-Shopper am 14. September verzweifel­t. Es bleibt allerdings immer noch die Möglichkei­t, den Einkauf im Netz per Rechnung oder Lastschrif­t zu bezahlen.

 ?? Foto: stock.adobe.com ?? Wer im Internet einkauft und mit Kreditkart­e bezahlt, musste bisher die Nummer, das Ablaufdatu­m und einen Sicherheit­scode eingeben. Doch nun kommt ein zweiter Faktor hinzu, mit dem sich Kunden ausweisen müssen. Das Problem ist nur: Die Online-Läden sind darauf noch nicht eingestell­t.
Foto: stock.adobe.com Wer im Internet einkauft und mit Kreditkart­e bezahlt, musste bisher die Nummer, das Ablaufdatu­m und einen Sicherheit­scode eingeben. Doch nun kommt ein zweiter Faktor hinzu, mit dem sich Kunden ausweisen müssen. Das Problem ist nur: Die Online-Läden sind darauf noch nicht eingestell­t.

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