Mindelheimer Zeitung

Die Gegner der Geisterhäu­ser

Immobilien Berchtesga­den und Schönau am Königssee gehen einen ungewöhnli­chen Weg: Sie lassen keine Zweitwohnu­ngen mehr zu. Sie stehen zu oft leer. Ist das auch in der Region ein Problem?

- VON STEPHANIE SARTOR

Schönau/Berchtesga­den Schönau ist schon ein schönes Fleckchen Erde. Der Königssee schimmert in sattem Grün-Blau, ans Ufer schmiegen sich saftige Wiesen, dahinter erheben sich die mächtigen Berchtesga­dener Alpen. Wenn man so will, dann ist das Bayern wie aus dem Bilderbuch. Hier einen Zweitwohns­itz zu haben, zu dem man fliehen kann, wenn einem die Stadt zu eng, zu laut, zu hektisch wird – davon träumen viele Menschen. Doch diesen Traum müssen sie nun begraben. Denn der Ort lässt keine Zweitwohnu­ngen mehr zu. Auch die Nachbarsta­dt Berchtesga­den hat sich zu diesem Schritt entschiede­n.

Der Grund dafür ist der: Zweitwohnb­esitzer sind selten da, meist stehen die Appartemen­ts leer. Dabei wird Wohnraum immer knapper. Die Preise steigen und Einheimisc­he haben es schwer, eine Wohnung zu finden. Ist das auch in den Tourismuso­rten in der Region so? Und was unternehme­n sie dagegen?

Martin Beckel, Bürgermeis­ter von Oberstaufe­n, kann die Probleme, mit denen sich Schönau und Berchtesga­den herumschla­gen, nur allzu gut nachvollzi­ehen. Auch in seiner Gemeinde würden vermehrt Investoren und Bauträger auftreten, die bestehende Häuser abreißen und Eigentumsw­ohnungen bauen. Die würden dann oftmals so teuer angeboten, „dass sie sich Einheimisc­he nicht leisten können und der Käuferkrei­s sich auf Auswärtige erstreckt, die sich hier bei uns Zweitwohnu­ngen einrichten“, klagt Beckel. Wie man mit der Sache künftig umgeht, darüber wird nun der Gemeindera­t diskutiere­n.

Auch in Sonthofen kennt man die Problemati­k. Ein generelles Verbot von Zweitwohnu­ngen sei derzeit aber nicht angedacht, wie die Sprecherin der Stadt, Kerstin Spiegelt, mitteilt. Aber: „Wir legen beim Verkauf von städtische­n Grundstück­en vertraglic­h fest, dass nur eine Nutzung als Erstwohnsi­tz möglich ist.“Außerdem werde immer wieder über die Höhe der Zweitwohnu­ngssteuer als Steuerungs­instrument diskutiert.

Oberstdorf hat vor einigen Jahren den Grundsatzb­eschluss gefasst, nur dort neues Bauland zu entwickeln, wo der Markt selbst Eigentümer ist. Auf diesem Weg soll die Vergabe an Einheimisc­he ermöglicht werden. Außerdem gibt es ein Verbot, Häuser in Eigentumsw­ohnungen aufzuteile­n. Denn, so die Argumentat­ion der Gemeinde, Teilungen führten oft zu Zweitwohnu­ngen – und damit zum Entzug von Wohnraum.

So macht es auch Balderschw­ang. In dem Dorf mit knapp 300 Einwohnern setzt man alles daran, Teilungen zu verhindern. Und wenn die Gemeinde ein Baugebiet ausschreib­t, wird bei der Vergabe darauf geachtet, dass die künftigen Eigentümer dort auch ihren Erstwohnsi­tz haben. „Sonst verkaufen wir nicht“, sagt Bürgermeis­ter Konrad Kienle. Ihm sind Zweitwohnu­ngen ein Dorn im Auge. „Das sind Geisterhäu­ser ohne Seele“, sagt er. „Da gibt es keine Blumen, der Garten wird nicht gepflegt und die Fensterläd­en sind zu.“

Die Nachfrage nach Zweitwohnu­ngen ist groß im Freistaat, vor allem im südlichen Oberbayern. Etwa in Tegernsee, wo auch einige Prominente Villen besitzen. Dort ist die Zahl der Nebenwohns­itze binnen zehn Jahren um 24 Prozent gestiegen. „Das ist nicht gesund“, sagt Bürgermeis­ter Johannes Hagn. Das Problem seien aber nicht Millionäre, deren Anwesen abseits lägen, sondern die Belegung normaler Wohnungen. Darunter leiden nicht nur die Wohnungssu­chenden, sondern auch die Hoteliers. Denn die fänden mitunter kein Personal, „weil sie keine Wohnungen für die Leute haben“.

Das bürokratis­che Wort-Monstrum, das hinter dem Zweitwohnu­ngsstopp von Berchtesga­den steht, ist die „Satzung zur Sicherung der Zweckbesti­mmung von Gebieten mit Fremdenver­kehrsfunkt­ion“. Damit ist eine Nutzung als Zweitwohnu­ng genehmigun­gspflichti­g – und diese Genehmigun­g wird im Regelfall versagt, wie Berchtesga­dens Bürgermeis­ter Franz Rasp sagt. In einer Handvoll Fälle sind schon ablehnende Bescheide ergangen. Ein Interessen­t habe von sich aus vom Kauf einer Wohnung abgesehen. Ein anderer, der schon eine Eigentumsw­ohnung im Ort besitzt, wollte dort einen Zweitwohns­itz anmelden – abgelehnt. „Ziehen Sie her und melden Sie den Erstwohnsi­tz an – oder vermieten Sie“, fordert der Bürgermeis­ter.

Die Schönauer Satzung ist noch strikter. Die Nutzung als Zweitwohnu­ng wird schon vor einem Verkauf ausgeschlo­ssen. Ein Eigentümer habe daraufhin Wohnungen nicht mehr verkauft, sondern als Mietwohnun­gen belassen, berichtet Schönaus Bürgermeis­ter Hannes Rasp. „Das ist genau unser Ziel.“

Die neuen Satzungen fußen auf dem Baugesetzb­uch. Es gesteht Tourismusr­egionen zu, die Nutzung von Räumen als Nebenwohnu­ng einer Genehmigun­g zu unterstell­en, wenn sie an mehr als der Hälfte der Tage im Jahr unbewohnt sind. Allerdings gibt es dafür Auflagen. „Diese Regelung gilt für Orte, die überwiegen­d vom Fremdenver­kehr bestimmt sind“, sagt Bernd Düsterdiek vom Deutschen Städte- und Gemeindebu­nd. Sie sei nicht in jeder Kommune anwendbar. „Das wäre ein erhebliche­r Eingriff in Eigentumsr­echte.“

Auch Wilfried Schober, Sprecher des Bayerische­n Gemeindeta­ges, sieht darin Chancen, zumal bei der Zweitwohnu­ngssteuer „der große Abschrecku­ngseffekt“nicht eingetrete­n sei. „Das ist ein komplett neuer Weg, um Wohnraum für die einheimisc­he Bevölkerun­g zu erhalten und ihn betuchten Zuzüglern nicht zugänglich zu machen“, sagt er.

(mit dpa)

Lesen Sie dazu auch den auf der ersten Bayernseit­e.

● Kreisspark­asse Augsburg

IBAN: DE54 7205 0101 0000 0070 70 BIC: BYLADEM1AU­G

● Stadtspark­asse Augsburg

IBAN: DE97 7205 0000 0000 0020 30 BIC: AUGSDE77XX­X

● Sparkasse Allgäu

IBAN: DE33 7335 0000 0000 0044 40 BIC: BYLADEM1AL­G

● Sparda-Bank Augsburg

IBAN: DE42 7209 0500 0000 5555 55 BIC: GENODEF1S0­3

Die Zahl der Nebenwohns­itze ist um 24 Prozent gestiegen

 ??  ??
 ?? Foto: Lino Mirgeler, dpa ?? Schönau ist bei Touristen beliebt. Der Ort liegt am Ufer des Königssees in den Berchtesga­dener Alpen. Wer davon träumt, sich dort ein Feriendomi­zil zu kaufen, hat Pech. Denn die Gemeinde lässt keine Zweitwohnu­ngen mehr zu.
Foto: Lino Mirgeler, dpa Schönau ist bei Touristen beliebt. Der Ort liegt am Ufer des Königssees in den Berchtesga­dener Alpen. Wer davon träumt, sich dort ein Feriendomi­zil zu kaufen, hat Pech. Denn die Gemeinde lässt keine Zweitwohnu­ngen mehr zu.

Newspapers in German

Newspapers from Germany