Die Gegner der Geisterhäuser
Immobilien Berchtesgaden und Schönau am Königssee gehen einen ungewöhnlichen Weg: Sie lassen keine Zweitwohnungen mehr zu. Sie stehen zu oft leer. Ist das auch in der Region ein Problem?
Schönau/Berchtesgaden Schönau ist schon ein schönes Fleckchen Erde. Der Königssee schimmert in sattem Grün-Blau, ans Ufer schmiegen sich saftige Wiesen, dahinter erheben sich die mächtigen Berchtesgadener Alpen. Wenn man so will, dann ist das Bayern wie aus dem Bilderbuch. Hier einen Zweitwohnsitz zu haben, zu dem man fliehen kann, wenn einem die Stadt zu eng, zu laut, zu hektisch wird – davon träumen viele Menschen. Doch diesen Traum müssen sie nun begraben. Denn der Ort lässt keine Zweitwohnungen mehr zu. Auch die Nachbarstadt Berchtesgaden hat sich zu diesem Schritt entschieden.
Der Grund dafür ist der: Zweitwohnbesitzer sind selten da, meist stehen die Appartements leer. Dabei wird Wohnraum immer knapper. Die Preise steigen und Einheimische haben es schwer, eine Wohnung zu finden. Ist das auch in den Tourismusorten in der Region so? Und was unternehmen sie dagegen?
Martin Beckel, Bürgermeister von Oberstaufen, kann die Probleme, mit denen sich Schönau und Berchtesgaden herumschlagen, nur allzu gut nachvollziehen. Auch in seiner Gemeinde würden vermehrt Investoren und Bauträger auftreten, die bestehende Häuser abreißen und Eigentumswohnungen bauen. Die würden dann oftmals so teuer angeboten, „dass sie sich Einheimische nicht leisten können und der Käuferkreis sich auf Auswärtige erstreckt, die sich hier bei uns Zweitwohnungen einrichten“, klagt Beckel. Wie man mit der Sache künftig umgeht, darüber wird nun der Gemeinderat diskutieren.
Auch in Sonthofen kennt man die Problematik. Ein generelles Verbot von Zweitwohnungen sei derzeit aber nicht angedacht, wie die Sprecherin der Stadt, Kerstin Spiegelt, mitteilt. Aber: „Wir legen beim Verkauf von städtischen Grundstücken vertraglich fest, dass nur eine Nutzung als Erstwohnsitz möglich ist.“Außerdem werde immer wieder über die Höhe der Zweitwohnungssteuer als Steuerungsinstrument diskutiert.
Oberstdorf hat vor einigen Jahren den Grundsatzbeschluss gefasst, nur dort neues Bauland zu entwickeln, wo der Markt selbst Eigentümer ist. Auf diesem Weg soll die Vergabe an Einheimische ermöglicht werden. Außerdem gibt es ein Verbot, Häuser in Eigentumswohnungen aufzuteilen. Denn, so die Argumentation der Gemeinde, Teilungen führten oft zu Zweitwohnungen – und damit zum Entzug von Wohnraum.
So macht es auch Balderschwang. In dem Dorf mit knapp 300 Einwohnern setzt man alles daran, Teilungen zu verhindern. Und wenn die Gemeinde ein Baugebiet ausschreibt, wird bei der Vergabe darauf geachtet, dass die künftigen Eigentümer dort auch ihren Erstwohnsitz haben. „Sonst verkaufen wir nicht“, sagt Bürgermeister Konrad Kienle. Ihm sind Zweitwohnungen ein Dorn im Auge. „Das sind Geisterhäuser ohne Seele“, sagt er. „Da gibt es keine Blumen, der Garten wird nicht gepflegt und die Fensterläden sind zu.“
Die Nachfrage nach Zweitwohnungen ist groß im Freistaat, vor allem im südlichen Oberbayern. Etwa in Tegernsee, wo auch einige Prominente Villen besitzen. Dort ist die Zahl der Nebenwohnsitze binnen zehn Jahren um 24 Prozent gestiegen. „Das ist nicht gesund“, sagt Bürgermeister Johannes Hagn. Das Problem seien aber nicht Millionäre, deren Anwesen abseits lägen, sondern die Belegung normaler Wohnungen. Darunter leiden nicht nur die Wohnungssuchenden, sondern auch die Hoteliers. Denn die fänden mitunter kein Personal, „weil sie keine Wohnungen für die Leute haben“.
Das bürokratische Wort-Monstrum, das hinter dem Zweitwohnungsstopp von Berchtesgaden steht, ist die „Satzung zur Sicherung der Zweckbestimmung von Gebieten mit Fremdenverkehrsfunktion“. Damit ist eine Nutzung als Zweitwohnung genehmigungspflichtig – und diese Genehmigung wird im Regelfall versagt, wie Berchtesgadens Bürgermeister Franz Rasp sagt. In einer Handvoll Fälle sind schon ablehnende Bescheide ergangen. Ein Interessent habe von sich aus vom Kauf einer Wohnung abgesehen. Ein anderer, der schon eine Eigentumswohnung im Ort besitzt, wollte dort einen Zweitwohnsitz anmelden – abgelehnt. „Ziehen Sie her und melden Sie den Erstwohnsitz an – oder vermieten Sie“, fordert der Bürgermeister.
Die Schönauer Satzung ist noch strikter. Die Nutzung als Zweitwohnung wird schon vor einem Verkauf ausgeschlossen. Ein Eigentümer habe daraufhin Wohnungen nicht mehr verkauft, sondern als Mietwohnungen belassen, berichtet Schönaus Bürgermeister Hannes Rasp. „Das ist genau unser Ziel.“
Die neuen Satzungen fußen auf dem Baugesetzbuch. Es gesteht Tourismusregionen zu, die Nutzung von Räumen als Nebenwohnung einer Genehmigung zu unterstellen, wenn sie an mehr als der Hälfte der Tage im Jahr unbewohnt sind. Allerdings gibt es dafür Auflagen. „Diese Regelung gilt für Orte, die überwiegend vom Fremdenverkehr bestimmt sind“, sagt Bernd Düsterdiek vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. Sie sei nicht in jeder Kommune anwendbar. „Das wäre ein erheblicher Eingriff in Eigentumsrechte.“
Auch Wilfried Schober, Sprecher des Bayerischen Gemeindetages, sieht darin Chancen, zumal bei der Zweitwohnungssteuer „der große Abschreckungseffekt“nicht eingetreten sei. „Das ist ein komplett neuer Weg, um Wohnraum für die einheimische Bevölkerung zu erhalten und ihn betuchten Zuzüglern nicht zugänglich zu machen“, sagt er.
(mit dpa)
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Die Zahl der Nebenwohnsitze ist um 24 Prozent gestiegen