So „grün“sind die TV-Stars
Engagement Hannes Jaenicke sensibilisiert für die Gefahren von Plastikmüll. Benno Fürmann hat eine Baumpatenschaft, Christiane Paul schreibt ein Ökologie-Buch. Doch die Grenzen zwischen echtem Engagement und Gefallsucht verschwimmen
Sie haben Solaranlagen auf dem Dach, produzieren NaturschutzDokumentationen und tragen auf dem roten Teppich Kleidung aus Bio-Baumwolle: Immer mehr Fernsehstars wie Heike Makatsch, Christiane Paul oder Michael Kessler machen sich für Klimaschutz, Tierwohl und die Rettung der Umwelt stark – und nutzen damit ihre Popularität, um ein Vorbild zu sein. Zu den eifrigsten grünen Promis zählt Hannes Jaenicke, der Dokumentationen über gefährdete Arten dreht, eine „Weltverbesserungs-Liste zur ganz privaten Rettung der Umwelt“veröffentlicht hat und sich zur Not auch mal die Hände schmutzig macht: „Wenn Leute vor mir eine Zigarettenkippe auf den Boden schmeißen, dann hebe ich sie auf“, behauptet der Schauspieler.
Die Gretchenfrage des Jahres 2019 lautet: Wie hältst du’s mit dem Umweltschutz? Thomas D, Musiker und ARD-Moderator („Wissen vor 8“), lebt auf einem Hof in der Eifel mit Pelletheizung und Solarzellen. Er ernährt sich vegan und warnt vor dem enorm hohen CO2-Ausstoß, den die Fleischindustrie verursacht: „Hört auf, Fleisch zu essen, damit retten wir die Welt!“Auch Schauspielerin Petra („Tatort“) liegt mit umweltschonenden Maßnahmen voll im Trend: Sie isst vegetarisch, trägt bevorzugt vegane BioMode und putzt eben mit Zitrone: „Das geht ganz toll, ganz ohne Chemie.“Außerdem benutze sie kein Haarshampoo aus der Plastikflasche, sondern verwende ein Stück Shampooseife.
Bei einigen Promis mag die Sache mit der Nachhaltigkeit nur Getue sein, mit dem sie auf ein Trendthema aufspringen. Doch manche Stars sind besonders eifrig. ARD-Kulturmoderator Max Moor („Titel, Thesen, Temperamente“) etwa betreibt mit seiner Frau einen Öko-Bauernhof in Brandenburg. Auch Schauspieler Andreas Hoppe („Tatort“) baut auf einem Hof in Mecklenburg-Vorpommern sein eigenes Gemüse an und macht sich für regionale Ernährung stark. Christiane Paul („8 Tage“) befasst sich seit Jahren mit den Folgen des Klimawandels und schrieb in dem Buch „Das Leben ist eine Öko-Baustelle“darüber, wie sie Fleischkonsum und Autofahren reduziert – oder mit Kellnern darüber diskutiert, dass die Heizpilze vor dem Restaurant unsinnig seien.
Viele Promis praktizieren alltäglichen Umweltschutz: „Ich achte beim Einkaufen darauf, unnötigen Verpackungsmüll zu vermeiden. Vorgeschnittenes Obst oder Salat in sperrigen Plastikboxen finde ich zum Beispiel saublöd“, sagt Uwe Ochsenknecht. Ulrike Folkerts kauft nur noch Bio und bezieht Ökostrom, Heike Makatsch lässt das Auto meistens zugunsten des Fahrrads stehen.
Die Vorbilder der deutschen Promis sind Hollywood-Stars wie Leonardo DiCaprio, der Naturschutzdokus dreht, oder Emma Watson, die dem Zeitgeist besonders eifrig huldigte, indem sie bei einer Gala in einem Kleid aus recycelten Plastikflaschen auftrat. Eine Umfrage ergab schon vor Jahren, dass TV-Prominente als Leitfiguren für den Umweltund Klimaschutz glaubwürdiger als die meisten Politiker sind. „Fernsehen verändert Meinungen, dieser Verantwortung muss man sich bewusst sein, ohne das Medium zu überschätzen“, sagt auch Markus Lanz. Der Moderator ist seit einer Antarktis-Reise 2010 für den Klimaschutz sensibilisiert und war sogar schon bei seinem Talkkollegen Frank Plasberg als Experte in „Hart, aber fair“.
Nur konsequent, dass Prominente ihren Namen auch für Öko-Projekte zur Verfügung stellen. Michael Kessler etwa ist Botschafter der UN-Dekade für Biologische VielSchmidt-Schaller falt, und Schauspieler Benno Fürmann übernahm bei den Protesten gegen den Braunkohleabbau im Hambacher Forst eine Baumpatenschaft. In Hamburg machen sich Fernsehstars wie Suzanne von Borsody, Axel Milberg, Katja Riemann und Walter Sittler bei „Lesen ohne Atomstrom“für die Energiewende stark. Nina Hoss, deren Vater Willi Hoss einst Mitgründer der Grünen war, setzt sich als Sonderbotschafterin für den Erhalt des Regenwaldes ein.
Natürlich profitieren die Promis auch von ihrem Engagement. Max Moor etwa veröffentlichte 2009 (noch unter seinem damaligen Namen Dieter Moor) das Buch „Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht“über sein Leben als Bio-Aussteiger. Die „Geschichten aus der arschlochfreien Zone“, wie es im Untertitel heißt, verkauften sich wie geschnitten Dinkelbrot.
Und Hannes Jaenicke? Der war vor seiner Zeit als Artenschützer und mahnender Aktivist ein Schauspieler, dessen Filme („BermudaDreieck Nordsee“) mehr unterhaltsam als künstlerisch wertvoll waren – mittlerweile ist er seine eigene Marke, wird mit Preisen geehrt und zu Vorträgen eingeladen. Und als Charlotte Roche dem damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff 2010 (erfolglos) ein Schäferstündchen anbot, wenn er das Gesetz zur Verlängerung der AKW-Laufzeiten nicht unterschreibt, waren ihr damit die Schlagzeilen sicher. Die 41-Jährige gilt als vehemente AtomkraftGegnerin und ist seit wenigen Wochen Mitglied bei den Grünen.
Grün ist der neue Glamour. Wer das noch nicht verinnerlicht hat, über den machen sich die User in den sozialen Medien her: Als Matthias Schweighöfer neulich für ein Instagram-Foto vor einem PS-starken SUV posierte oder Til Schweiger gestand, er habe die „Fridays for future“-Protestaktion „nicht so verfolgt“, ernteten beide online viel Tadel.
Doch bei allem Öko-Eifer, den so mancher Promi an den Tag legt: Endstation für das grüne Gewissen ist oft der Flughafen. Viele Stars können von Berufs wegen kaum aufs Flugzeug verzichten, sogar Vorzeige-Naturschützer Hannes Jaenicke jettet von einem Drehort zum anderen. „Tatort“-Publikumsliebling Jan Josef Liefers betont immerhin, dass er innerhalb Deutschlands fast nur noch mit der Bahn unterwegs sei. Und Jessica Schwarz meint etwas treuherzig: „Mir ist Bio wichtig. Selbst am Flughafen versuche ich, den Stand zu finden, an dem es Bio-Lebensmittel gibt.“