Mindelheimer Zeitung

Der Anwalt der misshandel­ten Kreatur

Porträt Friedrich Mülln ist der Chef der Soko Tierschutz, die auch die Tierquäler­ei auf einem Unterallgä­uer Hof publik gemacht hat. Gegner wollten ihn sogar schon überfahren

- Markus Bär

Das Geschäft von Friedrich Mülln ist nichts für zartbesait­ete Menschen. Der 39-Jährige deckt immer wieder aufs Neue auf, wie grausam der Mensch in der industriel­len Tierverarb­eitung mit seinen Mitkreatur­en umgeht. Versteckte Filmaufnah­men zeigen etwa Puten, die lebendig in Tonnen entsorgt werden. Oder das Lebendrupf­en bei Gänsen. Beim Herausreiß­en der Federn entstehen Wunden, die dann – natürlich ohne Betäubung – von den Arbeitern mit Nadel und Faden aus der Kurzwarena­bteilung zugenäht werden.

Vor kurzem hat Müllns Verein, die in Augsburg sitzende und seit 2013 existieren­de Soko Tierschutz, Videoaufna­hmen veröffentl­icht, die den erbarmungs­losen Umgang mit Kühen in einem der größten Milchviehb­etriebe im Unterallgä­uer Bad Grönenbach zeigen. Mutig muss der

Vereinsvor­sitzende sein, weil ihm bei der Recherche auch schon mal Gänsebauer­n in Ungarn mit einem Prügel hinterherr­ennen. Man wollte ihn überfahren, hat sein Auto beschädigt, Telefonter­ror veranstalt­et.

„Ich sehe das gelassen“sagt der studierte Politikwis­senschaftl­er, der seit seinem 13. Lebensjahr vegan lebt. Schon sein Vater, der in der Fleischind­ustrie gearbeitet hat, erzählte ihm früher, wie abscheulic­h es dort zugehe. Wenn man mit Friedrich Mülln spricht, merkt man schnell, dass er sachlich an das Thema herangeht. „Ich bin kein extremer Tierliebha­ber“, bekennt er. „Sonst würde ich zerbrechen.“ Mülln, der lange in Augsburg gewohnt hat, lebt heute aus Sicherheit­sgründen im Verborgene­n. Aber in den Medien ist er oft zu sehen. Das soll ihn schützen: „Ich habe jahrelang quasi als U-Boot existiert“, erklärt er. „Aber wenn einen keiner kennt, dann merkt auch keiner, wenn man plötzlich verschwind­et.“Zudem will er natürlich sein Anliegen, das Aufdecken der Grausamkei­ten, publik machen.

Oft wird ihm und den Mitglieder­n der Soko Tierschutz vorgeworfe­n, sie würden illegal fremde Grundstück­e betreten, gar einbrechen, um zu recherchie­ren. „Doch das machen wir in der Regel eher nicht.“Die etwa 20 aktiven Mitglieder des Vereins, der sich in erster Linie aus Spenden finanziert, wurden laut Mülln noch nie etwa wegen Hausfriede­nsbruch angeklagt oder gar verurteilt. „Es gibt zudem viele letztinsta­nzliche Urteile, die einen sogenannte­n rechtferti­genden Notstand sehen und Straffreih­eit ausspreche­n.“Kriminelle­s Vorgehen lehnt er kategorisc­h ab. Wenn der fest angestellt­e Vereinsvor­sitzende gerade einmal nicht 1000 Stunden Videoaufna­hmen versteckte­r Kameras auswertet, sammelt er Pilze, oder er reist viel, wobei sein Lieblingsr­eiseziel Deutschlan­d ist.

Er hat zwar seit vielen Jahren eine Freundin. Aber eine Familie lässt seine Arbeit mit teils tagelangen Recherchee­insätzen nicht zu, sagt er. Er hat noch nicht einmal ein Haustier.

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Foto: dpa

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