Diese Kandidaten wollen alle die SPD retten
Hintergrund Nach zunächst zögerlichem Start erklären nun immer mehr Sozialdemokraten, dass sie antreten wollen
Berlin Knapp zwei Wochen haben die SPD-Mitglieder noch Zeit, um sich für den Parteivorsitz zu bewerben und ihre Kandidatur anzumelden. Die Frist läuft schon länger, aber erst in den vergangenen Tagen hat das Kandidatenkarussell an Fahrt aufgenommen. Auch Vizekanzler Olaf Scholz – als der bisher einzige echte Hochkaräter – will den Hut in den Ring werfen, aber offiziell beworben hat sich der Finanzminister bisher nicht. Er sucht noch eine Frau für eine Doppelspitze. Anderen Kandidaten fehlt die nötige Unterstützung von mindestens fünf Unterbezirken, von einem Bezirk oder einem Landesverband.
Ein Überblick über den aktuellen Wasserstand des SPD-Castings:
● Duo Mattheis/Hirschel Am Sonntag hat die SPD-Linke Hilde Mattheis ihre Kandidatur angekündigt. Auf Twitter schrieb die langjährige Vorsitzende des Forums Demokratische Linke 21 (DL21): „Gemeinsam mit dem DL21-Vorstandsmitglied und Verdi-Chefökonomen Dierk Hirschel trete ich für den SPD-Vorsitz an. Kämpft mit uns, für eine Sozialdemokratie, die ihrem Namen alle Ehre macht! Macht Veränderung möglich.“Die 64 Jahre alte Ulmer Bundestagsabgeordnete, die im Sauerland zur Welt kam, ist seit 1986 Mitglied der Sozialdemokraten. Sie und der 1970 in Nürnberg geborene Hirschel seien, so denkt sie, „ein gutes linkes Angebot“. Der Gewerkschaftssekretär ist bislang nicht nennenswert als SPDPolitiker überregional in Erscheinung getreten.
● Duo Pistorius/Köpping Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius, 59, und Sachsens Integrationsministerin Petra Köpping, 61, sprechen eher die konservativeren SPDMitglieder an. Pistorius gilt als einer der profiliertesten Innen- und Sicherheitspolitiker der SPD. Beiden fehlt aber noch die nötige Unterstützung für eine offizielle Bewerbung. ● Duo Schwan/Stegner An der Vorsitzenden der SPD-Grundwertekommission, Gesine Schwan, 76, und dem stellvertretenden Parteivorsitzenden Ralf Stegner, 59, reiben sich viele in der SPD. Beide sind überzeugte linke Sozialdemokraten, waren für ihre Partei in der Vergangenheit auch durchaus ungemütlich. Auch ihre Bewerbung ist noch nicht offiziell.
● Duo Roth/Kampmann EuropaStaatsminister Michael Roth, 48, und die ehemalige nordrhein-westfälische Familienministerin Christina Kampmann, 39, haben als Erste ihren Hut in den Ring geworfen – und sind bisher auch das einzige Duo mit offizieller Unterstützung aus der Partei. Beide gehören dem linken Parteiflügel an, sehen die Große Koalition kritisch und rufen nach mehr innerparteilicher Fairness.
● Duo Lauterbach/Scheer Auch die beiden Bundestagsabgeordneten Karl Lauterbach, 56, und Nina Scheer, 47, gehören zum linken Flügel der SPD und sprechen sich offen für ein Ende der Großen Koalition aus. Dem Gesundheitspolitiker und der Umweltexpertin fehlt noch die nötige Unterstützung aus der Partei für eine offizielle Bewerbung.
● Duo Lange/Ahrens Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange, 42, tritt zusammen mit dem Oberbürgermeister von Bautzen, Alexander Ahrens, 53, an. Sie hatte bereits 2018 für den Parteivorsitz kandidiert, aber gegen Andrea Nahles verloren. Ahrens spricht sich für ein Ende der Großen Koalition aus. Auch die Kandidatur dieser beiden ist noch nicht offiziell.
● Einzelkandidat Brunner Der Bundestagsabgeordnete Karl-Heinz Brunner (66, Wahlkreis Neu-Ulm) sieht sich als Gegengewicht zu den überwiegend linken Kandidaten. Er hält nichts von der Duo-Bildung und will alleine kandidieren. ● Einzelkandidat Maier Der Vizepräsident des SPD-Wirtschaftsforums, Robert Maier, 39, ist ein Start-up-Unternehmer aus Berlin. Politische Schwerpunkte sieht er in der Sicherheits- und Migrationspolitik. Maier will alleine antreten – die nötige Unterstützung fehlt ihm allerdings noch. ● Einzelkandidat Wallow Der 79 Jahre alte Hans Wallow aus Rheinland-Pfalz war in den 80er und 90er Jahren Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion. Sein Landesverband will die Kandidatur aber nicht unterstützen. Wallow kündigte an, notfalls werde er sich auf die Rechtsordnung der Partei berufen und trotzdem kandidieren.
● Wer noch sondiert Vizekanzler
Olaf Scholz, 61, hat nun doch seine Kandidatur angeboten – und sucht seit ein paar Tagen nach einer Partnerin für eine Doppelspitze. Zuvor hatte er immer betont, das Amt des Parteivorsitzenden lasse sich nicht mit dem des Finanzministers vereinbaren. Generalsekretär Lars Klingbeil, 41, hat sich eine Kandidatur bisher bewusst offengehalten.
● Wer nicht will Familienministerin
Franziska Giffey, 41, galt als Hoffnungsträgerin – sagte aber ab, wohl auch, weil ihre Doktorarbeit wegen eines Plagiatsverdachts geprüft wird. Auch die drei Interimsvorsitzenden, Thorsten Schäfer-Gümbel, 49, Manuela Schwesig, 45, und Malu Dreyer, 58, schließen eine Kandidatur aus. Ebenfalls negativ – aber weniger eindeutig – äußerten sich Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, 60, und Arbeitsminister
Hubertus Heil, 46.
Kandidaten aus der Region: Die Ulmerin Hilde Mattheis und der Illertisser KarlHeinz Brunner.