Mindelheimer Zeitung

Pizza, Pasta, Pleite?

Gastronomi­e Vapiano legte einst einen rasanten Aufstieg hin. Doch seit einiger Zeit rumort es in dem Unternehme­n – und nicht nur dort. Über eine Branche zwischen Boom und Krise

- VON SARAH SCHIERACK

Augsburg Cornelius Everke ist ein Manager, der sich mit harter Arbeit auskennt. Sein Handwerk hat der 54-Jährige in verschiede­nen Luxushotel­s gelernt, in den Nullerjahr­en baute er den deutschen Ableger der Kaffeekett­e Starbucks auf. Heute gibt es in nahezu jeder größeren Stadt eine Filiale des US-amerikanis­chen Unternehme­ns – meist in bester Innenstadt-Lage.

Everke schien also der richtige Mann zu sein, als Ende vergangene­n Jahres ein neuer Chef für den kriselnden Restaurant-Konzern Vapiano gesucht wurde. Das Kölner Unternehme­n, das eine Art edles FastFood-Restaurant ist, hatte da gerade einen gewaltigen Absturz hingelegt. Der Manager trat mit dementspre­chend großen Plänen an. Deren Ausgang ist nun jedoch ungewiss. Everke verlässt das Unternehme­n überrasche­nd zum Monatsende, aus persönlich­en Gründen, wie der Konzern kurz vor der Hauptversa­mmlung am Mittwoch mitteilte.

Für Vapiano fällt die Personalie mitten in eine Zeit des Umbruchs. Seit dem Börsengang im Jahr 2017 hatte das Unternehme­n massiv aufgestock­t: Allein im vergangene­n Jahr wurden 30 neue Restaurant­s eröffnet – zu viele, wie Everke zuletzt noch in einem Interview einräumte. Das schlug sich auch in den Zahlen nieder: 2018 schrieb die Pizza-Kette einen Verlust von 100 Millionen Euro. Der Umsatz brach ein, der Schuldenbe­rg wuchs.

Dabei schien lange ausgeschlo­ssen, dass Vapiano in Schieflage geraten könnte. Der Gastro-Konzern galt seit seinem Start im Jahr 2002 als Branchenli­ebling. „Vapiano hatte damals eines der innovativs­ten Konzepte auf dem Markt“, erinnert sich Michael Lidl, Partner der Münchner Beratungsf­irma Treugast. Das Unternehme­n wurde schnell zum Kundenmagn­eten. Fast Casual nennt sich das Konzept, auf dem der Erfolg von Vapiano basiert: Das Essen schmeckt wie beim klassische­n Italiener, es wird aber so schnell und unkomplizi­ert serviert wie in einem Fast-Food-Restaurant. Nach und nach entwickelt­e sich ein regelrecht­er Hype, Vapiano wurde zum Treffpunkt für alle mit Anspruch und wenig Zeit.

Was dann schieflief? „Vapiano hat zu viel Fokus auf Wachstum gelegt“, urteilt der Gastronomi­eexperte. Dabei habe das Unternehme­n den Kunden in den bestehende­n Läden aus den Augen verloren. Lidl zählt auf: Die Karte sei immer komplizier­ter geworden, die Gerichte immer teurer, die Wartezeite­n länger. Das kommt bei den Kunden nicht gut an, denn sie seien in der Gastronomi­e besonders anspruchsv­oll, ergänzt Lidl. „Wer einmal ein Haar in der Suppe findet, kommt so schnell nicht wieder.“

Der Kunde kann sich diesen Anspruch leisten. Denn anders als in den Anfangszei­ten von Vapiano gibt es heute unzählige Restaurant­ketten, die gleichzeit­ig gehobenes Essen und schnellen Service anbieten. Während Systemgast­ronomie sich vor 15 bis 20 Jahren meist nur auf McDonald’s, Burger King oder Pizza Hut beschränkt­e, kämpfen seit einigen Jahren immer neue Wettbewerb­er um den Kunden und sein Geld: die Burgerbrät­er Hans im Glück und Peter Pane etwa, die Pizza-Restaurant­s der L’Osteria oder die Wrap-Kette Dean & David.

Diese Entwicklun­g lässt sich auch in den Innenstädt­en beobachten, in den Einkaufsst­raßen und den Shopping-Centern. Wo früher Modeläden oder andere Einzelhänd­ler ihren Stammsitz hatten, ziehen heute immer öfter junge, hippe Restaurant­s ein. Statt Büchern werden dann Burger oder Bowls verkauft, statt Spielwaren können die Kunden Sushi mit nach Hause nehmen. „Gastronomi­e ist der neue Einzelhand­el“, sagt Branchen-Experte Lidl. Während besonders Textilhänd­ler seit einiger Zeit tief in der Krise stecken, boomt die Gastronomi­e-Branche gewaltig.

Der Boom kann der Branche aber auch zum Verhängnis werden. Denn genauso schnell wie die Ladeninhab­er wechseln auch die Trends. „Gastronomi­e ist ein schnellleb­iges Geschäft“, sagt Experte Lidl. Bubble-Tea-Läden etwa verschwand­en vielerorts nach kurzer Zeit wieder. Die Auskunftei Creditrefo­rm hat ausgerechn­et, dass ein Unternehme­n im Gastgewerb­e im Schnitt nur zwölfeinha­lb Jahre alt wird. Selbst Einzelhänd­ler halten durchschni­ttlich 20 Jahre durch.

Viele Gastro-Konzerne versuchen, dieser Schnellleb­igkeit mit einem enormen Wachstum entgegenzu­treten. Die Burger-Kette Hans im Glück etwa eröffnete allein in den vergangene­n drei Jahren 50 neue Läden, sogar in Singapur gibt es drei Filialen. Konkurrent Peter Pane kommt mittlerwei­le auf 31 BurgerRest­aurants in ganz Deutschlan­d. Jedes Jahr sollen fünf bis zehn neue Ableger hinzukomme­n.

Vapiano will sein Wachstum in diesem Jahr erst einmal bremsen. Nur zehn bis 15 Neueröffnu­ngen stehen für das laufende Jahr im Plan. Noch-Chef Everke kündigte vor kurzem an, jetzt wolle man sich wieder mehr auf den Kunden konzentrie­ren – und die Menükarte verschlank­en. „Wir müssen zurück zu den Wurzeln, also zur klassische­n, ehrlichen italienisc­hen Küche.“

 ?? Archivfoto: Sebastian Kahnert, dpa ?? Die Gastro-Kette Vapiano zog mit ihrem Konzept und ihren italienisc­hen Gerichten jahrelang verlässlic­h Kunden an. Aber seit dem Börsengang im Jahr 2017 kriselt es im Konzern. Nun tritt der Chef überrasche­nd ab.
Archivfoto: Sebastian Kahnert, dpa Die Gastro-Kette Vapiano zog mit ihrem Konzept und ihren italienisc­hen Gerichten jahrelang verlässlic­h Kunden an. Aber seit dem Börsengang im Jahr 2017 kriselt es im Konzern. Nun tritt der Chef überrasche­nd ab.

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