Mindelheimer Zeitung

Nicht die Bauern sind die Bremser

Landwirte sollen billige Nahrungsmi­ttel produziere­n, die Umwelt schützen und jetzt auch noch das Klima retten. Das geht nur, wenn wir das auch wirklich wollen

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN maz@augsburger-allgemeine.de

Bauer zu sein, hieß schon immer von der Natur zu leben. Dieses Ausgeliefe­rtsein klingt bis heute nach in den viel zitierten Bauernrege­ln: Bartholomä voll Sonnenglut macht Wein und Reben stark und gut, heißt es etwa für den heutigen 24. August, Namenstag des heiligen Bartholomä­us. Das stimmt zwar nicht immer, aber wenn man keine besseren Informatio­nen hat, ist so eine aus Beobachtun­g und Volksglaub­e abgeleitet­e Vermutung zumindest eine Empfehlung, an der man als Bauer sein Wirtschaft­en ausrichten kann.

Heute haben die Landwirte so viel Informatio­nen, dass sie diese ohne Computer gar nicht mehr verarbeite­n können: Wetter, Bodenbesch­affenheit, Tiergesund­heit, aktuelle Weltmarktp­reise… Freier macht die Bauern dieses Mehr an Informatio­n nicht, eher erhöht es

den Druck auf sie. Dazu kommt ein stetig wachsender Berg an Gesetzen und Vorschrift­en, der etwaige Reste bäuerliche­r Freiheit vollends erdrückt. Die Zahlenmens­chen haben auch in der Landwirtsc­haft übernommen. Und entgegen aller romantisie­renden Schwärmere­i: Es geht nicht mehr ohne sie.

Eine Zahl, die inzwischen über allen Bereichen der Wirtschaft und damit auch über der Landwirtsc­haft schwebt, ist die 2: Auf möglichst weit unter zwei Grad soll die Erderwärmu­ng im Vergleich zum vorindustr­iellen Zeitalter begrenzt werden, das hat die Weltgemein­schaft beim Klimagipfe­l von Paris beschlosse­n.

Ob das gelingt, sei dahingeste­llt, denn statt zu sinken, steigen die CO2-Emissionen immer noch. Die Folgen werden dramatisch sein – und die Landwirtsc­haft wird sie ungefilter­t spüren: Längere und extremere Hitzeperio­den und Starkregen­ereignisse sorgen für Wasserknap­pheit und Landdegrad­ierung. Mit dem Anstieg der Temperatur­en verschiebe­n sich auch Vegetation­sperioden und Anbaugrenz­en. Ein Indiz für die Dimension des Problems gibt eine andere Zahl: Rund 228 Millionen Euro staatliche Nothilfen haben die deutschen Bauern für ihre Einbußen im Hitzesomme­r 2018 bekommen.

Aber die Landwirtsc­haft ist nicht nur direkt betroffen vom Klimawande­l, sie trägt auch zu ihm bei. Trotz aller Unsicherhe­iten in Bezug auf die Zahlen geht die Forschung davon aus, dass Land- und Forstwirts­chaft und andere Landnutzun­g global für rund ein Fünftel aller menschenge­machten Treibhausg­asemission­en verantwort­lich sind. Das heißt, der Anpassungs­druck auf die Landwirtsc­haft kommt von zwei Seiten. Mit den Folgen des Klimawande­ls können die Bauern umzugehen lernen, zumal im globalen Vergleich die meisten Regionen in Deutschlan­d eher glimpflich davonkomme­n dürften. Der Preis dafür ist, dass die Landwirtsc­haft noch technisier­ter, digitaler und abhängiger von den Ergebnisse­n der Agrarforsc­hung wird. Auch die grüne Gentechnik, hierzuland­e immer noch verteufelt, könnte dann rationaler diskutiert werden. Aber all dies steht den Bauern nicht zur Verfügung, die am heftigsten vom Klimawande­l betroffen sind: Kleinbauer­n in Afrika oder Asien haben weder das Kapital noch das Wissen, um auf eine Entwicklun­g zu reagieren, die ihr ganzes Lebensmode­ll über den Haufen wirft. Hier schließt sich der Kreis zur globalen Verantwort­ung unserer (Land-)Wirtschaft.

Die ausschließ­liche Fixierung auf den Preis und die Auslagerun­g aller externen Kosten – der Verbrauch und die Verschmutz­ung natürliche­r Ressourcen – auf die Allgemeinh­eit haben dazu geführt, dass das bisherige System an seine Grenzen gelangt ist. Das haben auch die Bauern verstanden, trotz aller Technik sind sie ja immer noch abhängig von der Natur. Aber den Preis für das Umsteuern können sie nicht alleine zahlen.

Die Landwirtsc­haft wird noch digitaler, noch technisier­ter

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