Nicht die Bauern sind die Bremser
Landwirte sollen billige Nahrungsmittel produzieren, die Umwelt schützen und jetzt auch noch das Klima retten. Das geht nur, wenn wir das auch wirklich wollen
Bauer zu sein, hieß schon immer von der Natur zu leben. Dieses Ausgeliefertsein klingt bis heute nach in den viel zitierten Bauernregeln: Bartholomä voll Sonnenglut macht Wein und Reben stark und gut, heißt es etwa für den heutigen 24. August, Namenstag des heiligen Bartholomäus. Das stimmt zwar nicht immer, aber wenn man keine besseren Informationen hat, ist so eine aus Beobachtung und Volksglaube abgeleitete Vermutung zumindest eine Empfehlung, an der man als Bauer sein Wirtschaften ausrichten kann.
Heute haben die Landwirte so viel Informationen, dass sie diese ohne Computer gar nicht mehr verarbeiten können: Wetter, Bodenbeschaffenheit, Tiergesundheit, aktuelle Weltmarktpreise… Freier macht die Bauern dieses Mehr an Information nicht, eher erhöht es
den Druck auf sie. Dazu kommt ein stetig wachsender Berg an Gesetzen und Vorschriften, der etwaige Reste bäuerlicher Freiheit vollends erdrückt. Die Zahlenmenschen haben auch in der Landwirtschaft übernommen. Und entgegen aller romantisierenden Schwärmerei: Es geht nicht mehr ohne sie.
Eine Zahl, die inzwischen über allen Bereichen der Wirtschaft und damit auch über der Landwirtschaft schwebt, ist die 2: Auf möglichst weit unter zwei Grad soll die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter begrenzt werden, das hat die Weltgemeinschaft beim Klimagipfel von Paris beschlossen.
Ob das gelingt, sei dahingestellt, denn statt zu sinken, steigen die CO2-Emissionen immer noch. Die Folgen werden dramatisch sein – und die Landwirtschaft wird sie ungefiltert spüren: Längere und extremere Hitzeperioden und Starkregenereignisse sorgen für Wasserknappheit und Landdegradierung. Mit dem Anstieg der Temperaturen verschieben sich auch Vegetationsperioden und Anbaugrenzen. Ein Indiz für die Dimension des Problems gibt eine andere Zahl: Rund 228 Millionen Euro staatliche Nothilfen haben die deutschen Bauern für ihre Einbußen im Hitzesommer 2018 bekommen.
Aber die Landwirtschaft ist nicht nur direkt betroffen vom Klimawandel, sie trägt auch zu ihm bei. Trotz aller Unsicherheiten in Bezug auf die Zahlen geht die Forschung davon aus, dass Land- und Forstwirtschaft und andere Landnutzung global für rund ein Fünftel aller menschengemachten Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Das heißt, der Anpassungsdruck auf die Landwirtschaft kommt von zwei Seiten. Mit den Folgen des Klimawandels können die Bauern umzugehen lernen, zumal im globalen Vergleich die meisten Regionen in Deutschland eher glimpflich davonkommen dürften. Der Preis dafür ist, dass die Landwirtschaft noch technisierter, digitaler und abhängiger von den Ergebnissen der Agrarforschung wird. Auch die grüne Gentechnik, hierzulande immer noch verteufelt, könnte dann rationaler diskutiert werden. Aber all dies steht den Bauern nicht zur Verfügung, die am heftigsten vom Klimawandel betroffen sind: Kleinbauern in Afrika oder Asien haben weder das Kapital noch das Wissen, um auf eine Entwicklung zu reagieren, die ihr ganzes Lebensmodell über den Haufen wirft. Hier schließt sich der Kreis zur globalen Verantwortung unserer (Land-)Wirtschaft.
Die ausschließliche Fixierung auf den Preis und die Auslagerung aller externen Kosten – der Verbrauch und die Verschmutzung natürlicher Ressourcen – auf die Allgemeinheit haben dazu geführt, dass das bisherige System an seine Grenzen gelangt ist. Das haben auch die Bauern verstanden, trotz aller Technik sind sie ja immer noch abhängig von der Natur. Aber den Preis für das Umsteuern können sie nicht alleine zahlen.
Die Landwirtschaft wird noch digitaler, noch technisierter