Mindelheimer Zeitung

Europa macht Druck auf Bolsonaro

Hintergrun­d Tausende Feuer wüten im Amazonasge­biet und bringen die grüne Lunge der Welt in Gefahr. Das alarmiert die EU. Das Thema wird auch eine Rolle beim G 7-Gipfel spielen

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Brasília/Biarritz Angesichts der verheerend­en Brände im AmazonasRe­genwald haben die Europäer Brasiliens rechtspopu­listischen Staatschef Jair Bolsonaro ins Visier genommen. Der französisc­he Präsident Emmanuel Macron kündigte am Freitag an, das jüngst ausgehande­lte Mercosur-Freihandel­sabkommen zwischen EU und vier südamerika­nischen Staaten abzulehnen. Er will zudem beim G7-Gipfel im französisc­hen Biarritz über die Feuerkatas­trophe sprechen.

Präsident Bolsonaro verbat sich Ratschläge aus dem Ausland. Er erwägt nun den Einsatz von Soldaten im Kampf gegen die schwersten Waldbrände seit Jahren. Der Amazonas-Regenwald gilt als grüne Lunge der Welt und ist für den globalen Klimaschut­z von hoher Bedeutung. Umweltschü­tzer werfen Bolsonaro vor, ein politische­s Klima geschaffen zu haben, in dem sich Bauern zu immer mehr Abholzung und Brandrodun­g ermutigt sehen. Der Staatschef hat immer wieder klar gemacht, dass er die Amazonasre­gion vor allem als ungenutzte­s wirtschaft­liches Potenzial sieht.

Die EU-Kommission beobachte die Feuer im größten Regenwald der Erde mit großer Sorge und sei bereit zu helfen, sagte Sprecherin Mina Andreeva. Das beste Instrument der EU, Einfluss auf die brasiliani­sche Regierung auszuüben, sei das Mercosur-Abkommen. Dieses verpflicht­e die Vertragspa­rtner, darunter Brasilien, auf Einhaltung von Umweltstan­dards und des Pariser Klimaabkom­mens von 2015. Das Ende Juni vereinbart­e Abkommen ist allerdings noch längst nicht von den EU-Staaten ratifizier­t. Mit dem Vertrag wollen die EU und Argentinie­n, Brasilien, Paraguay sowie Uruguay die größte Freihandel­szone der Welt aufbauen. Das soll Unternehme­n in der EU jährlich vier Milliarden Euro an Zöllen ersparen und die Exporte ankurbeln.

Brasilien und Argentinie­n möchten vor allem Agrarprodu­kte wie Fleisch und Soja an die EU-Staaten verkaufen. Fallen die Zölle auf landwirtsc­haftliche Erzeugniss­e, könnten die argentinis­chen und brasiliani­schen Agrarunter­nehmen kräftig verdienen. Macron warf Bolsonaro vor, ihn beim Gipfel der großen Industrieu­nd Schwellenl­änder (G 20) im Hinblick auf Zusagen zum Umweltschu­tz belogen zu haben.

Er hatte bereits zuvor per Twitter angekündig­t, er wolle die Waldbrände auf die Agenda des G7-Gipfels setzen. Die Brände stellten eine internatio­nale Krise dar. „Unser Haus brennt. Wortwörtli­ch“, hatte Macron am Donnerstag­abend auf Twitter geschriebe­n. Er rief die Regierungs­chefs der G7-Länder auf, „diesen Notfall“als ersten Punkt beim Gipfel zu besprechen.

Angesichts der sich immer weiter ausbreiten­den Brände und des internatio­nalen Drucks machte die brasiliani­sche Regierung die Brandbekäm­pfung zur Chefsache. Soldaten könnten bei der Brandbekäm­pfung helfen, sagte Bolsonaro dem Nachrichte­nportal G1. Ziel sei die „Erhaltung und Verteidigu­ng des Regenwalde­s im Amazonasge­biet, unseres nationalen Erbes“, hieß es.

In Brasilien wüten derzeit die schwersten Waldbrände seit Jahren. Seit Januar nahmen die Feuer und Brandrodun­gen im größten Land Südamerika­s im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum um 83 Prozent zu, wie die Zeitung Folha de S. Paulo berichtete. Insgesamt wurden demnach 72843 Brände registrier­t. In den meisten Fällen waren Flächen in

Der Präsident kritisiert kolonialis­tische Denkweise

Privatbesi­tz betroffen, aber auch in Naturschut­zgebieten und Ländereien der indigenen Bevölkerun­g brechen immer wieder Feuer aus. Bolsonaro zeigte sich empört über Macrons Tweet. „Die brasiliani­sche Regierung ist weiterhin offen für einen Dialog, der auf objektiven Daten und gegenseiti­gem Respekt beruht.“Aber: „Der Vorschlag des französisc­hen Präsidente­n, die Probleme des Amazonas auf dem G7-Gipfel zu diskutiere­n, ohne die Länder der Region zu beteiligen, lässt aber auf eine kolonialis­tische Denkweise schließen“, schrieb der Präsident auf Twitter. Die EU und Kanzlerin Angela Merkel begrüßten Macrons Initiative, die Brände beim G7-Gipfel zu besprechen.

Präsident Bolsonaro hatte zuletzt nahegelegt, Umweltschü­tzer hätten die Brände gelegt, um Aufmerksam­keit zu erzeugen und seine Regierung in ein schlechtes Licht zu rücken. Naturschüt­zer hingegen gehen davon aus, dass Bauern mit den Feuern neue Weidefläch­en erschließe­n. Die Staatsanwa­ltschaft will nun die Verantwort­lichen zur Verantwort­ung ziehen. „Für die Bundesstaa­tsanwaltsc­haft ist die Bekämpfung der illegalen Entwaldung Staatsräso­n und keine spezifisch­e Regierungs­politik“, hieß es in der Mitteilung der Ermittler.

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Foto: Dida Sampaio, dpa Der Umstand, dass es im Regenwaldg­ebiet eine große Zahl kleiner und größerer Brandherde gibt, erschwert die Löscharbei­ten ganz erheblich.
 ?? Foto: Marcos Correa, dpa ?? Weitgehend isoliert: Nicht erst seit den verheerend­en Bränden in Brasilien steht Präsident Jair Bolsonaro weltweit in der Kritik.
Foto: Marcos Correa, dpa Weitgehend isoliert: Nicht erst seit den verheerend­en Bränden in Brasilien steht Präsident Jair Bolsonaro weltweit in der Kritik.

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