Mindelheimer Zeitung

SPD will Vermögenst­euer wiederbele­ben

Hintergrun­d Union spricht von „Kriegserkl­ärung“, einen „Griff in die sozialisti­sche Mottenkist­e“monieren die Liberalen. Doch Ökonom Fratzscher kann dem Vorschlag einiges abgewinnen

- VON BERNHARD JUNGINGER UND CHRISTIAN GRIMM

Berlin Die SPD will den Reichen tiefer in den Geldbeutel fassen und die Vermögenst­euer wiedereinf­ühren. Damit sorgen die Genossen nicht nur bei der FDP für helle Aufregung. Auch die Koalitions­partner von CDU und CSU schäumen vor Wut angesichts des Plans des kommissari­schen SPD-Chefs Thorsten Schäfer-Gümbel. Wenn es nach ihm geht, soll der Staat jährlich rund zehn Milliarden Euro von seinen wohlhabend­sten Bürgern kassieren. Der Hesse hat ein Konzept erarbeitet, das nach seiner Darstellun­g vor allem Multimilli­onäre und Milliardär­e ins Visier nimmt. Der Rheinische­n Post sagte er: „Nach unseren Vorstellun­gen sollen diejenigen, die gerade in den vergangene­n Jahren überpropor­tional von der wirtschaft­lichen Lage, selbst in der Finanzmark­tkrise 2008/2009, profitiert haben, einen größeren Beitrag für die nötigen Investitio­nen leisten – also für die Infrastruk­tur, fürs Wohnen und für den Klimaschut­z.“Am Montag will Schäfer-Gümbel sein Konzept im SPD-Präsidium einbringen. Auf dem Parteitag im Dezember soll es dann beschlosse­n werden.

Seit 1997 wird die Vermögenst­euer nicht mehr erhoben, weil das Bundesverf­assungsger­icht umfangreic­he Bedingunge­n an die Steuer geknüpft hatte. Doch seit Jahren fordert die SPD ihre Wiedereinf­ührung. SchäferGüm­bel ist Vorsitzend­er einer parteiinte­rnen Kommission zur Vermögensb­esteuerung, die 2017 eingericht­et wurde. Allein im kommunalen Be- reich fehlten Investitio­nsmittel von 150 Milliarden Euro, so begründet der kommissari­sche SPD-Chef seine Forderung. Sein Konzept orientiere sich am Modell der Schweiz und sehe auch die Einbindung von Kapitalges­ellschafte­n vor. Vorgesehen seien demnach auch Regeln, „die bei wirtschaft­licher Schieflage zusätzlich­e Probleme verhindern“. Freibeträg­e sollten dafür sorgen, dass die Steuer erst ab einem bestimmten Vermögen fällig würden. In anderen Ländern existierte­n bereits Vermögenst­euern, die weit über dem lägen, was die SPD für Deutschlan­d plane. In den USA vier Prozent, in Frankreich und Großbritan­nien noch darüber. Schäfer-Gümbel: „Wenn wir die Vermögenst­euer mit einem Prozent einführen, sehe ich nicht, dass das deutschen Unternehme­n internatio­nal schaden würde.“

Die Kritik am SPD-Vorstoß ließ indes nicht lange auf sich warten. CDU/CSU-Finanzobma­nn Hans Michelbach sagte: „Das ist Klassenkam­pf mittels Steuerpoli­tik, wie wir es auch schon bei der SPD-Verweigeru­ng einer vollständi­gen Soli-Abschaffun­g erleben.“Der CSU-Politiker giftete: „Dahinter verbirgt sich offenbar aber auch die verzweifel­te Hoffnung, solche Klassenkam­pfParolen mögen sich bei den anstehende­n ostdeutsch­en Landtagswa­hlen in Prozentpun­kte für die SPD verwandeln.“Die SPD-Forderung sei eine „innergesel­lschaftlic­he Kriegserkl­ärung mit dem Ziel, die Gesellscha­ft zu spalten und Teile der Gesellscha­ft zu verunglimp­fen.“Dass es mit der Union eine Wiederaufl­age der Vermögenst­euer geben könne, schloss Michelbach aus. Ganz ähnlich sieht es die FDP. Fraktionsv­ize Michael Theurer wirft Schäfer-Gümbel einen „Griff in die sozialisti­sche Mottenkist­e“vor. Die FDP lehne die Vermögenst­euer ab, weil sie die Substanz von Unternehme­n belaste und damit kontraprod­uktiv sei. Theurer sagte unserer Redaktion: „Mit einer solchen Politik werden Personenge­sellschaft­en und Familienun­ternehmen aus dem Land getrieben. Dadurch werden Arbeitsplä­tze gefährdet und unsere Wettbewerb­sfähigkeit zerstört.“

Marcel Fratzscher, Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW), sagte dagegen zu unserer Redaktion: „Fakt ist, dass kaum ein Land Vermögen so gering besteuert wie Deutschlan­d. Wenn man sich Frankreich, Großbritan­nien und die USA anschaut, nehmen die das Vierfache aus vermögensb­ezogenen Steuern ein. Deutschlan­d besteuert hingegen Einkommen aus Arbeit relativ hoch.“Der DIWChef weiter: Ökonomisch ist das Unfug, weil man will ja, dass sich Arbeit lohnt. Wir haben da eine Unwucht.“

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Marcel Fratzscher

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