Mindelheimer Zeitung

Wohin mit dem Geld?

Die Nullzinspo­litik der Europäisch­en Zentralban­k macht Finanz-Anlagen stressig und fördert Populismus

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allegemein­e.de

Das waren selig-konservati­ve Anlage-Zeiten. Eine Schildkröt­e mit Blümchen im Maul avancierte zu einem führenden Finanzexpe­rten Deutschlan­ds. Das Tierchen kroch in Werbespots auf einem rustikalen Schreibtis­ch umher und trat für die Finanzagen­tur des Bundes als der Geldanlage-Guru Günther Schild auf. Die Schildkröt­e mit der sonoren männlichen Stimme und der halben Brille fragte die Zuschauer: „Sind Sie also ein Zocker?“Natürlich war das eine verkappte Warnung vor Aktien. Besser seien, dozierte das Tier, natürlich Bundeswert­papiere als die „entspannen­dste Geldanlage Deutschlan­ds“. So lasse sich in aller Ruhe ein Vermögen machen. Doch mit der Finanzmark­tkrise in den Jahren 2008 und 2009 kam eine radikale Politik der Zinssenkun­gen über uns. Am Schluss verschwand die Belohnung für den Sparer fast ganz. Gün

ther Schild ward irgendwann nicht mehr gesehen, rentierten sich Bundeswert­papiere doch immer weniger. Der neue Günther Schild heißt Mario Draghi und ist Chef der Europäisch­en Zentralban­k. Er senkte den Zins bis auf null und setzte eine Strafgebüh­r für Banken durch, die zu viel Geld bei der EZB parken. Würde Günther Schild noch leben, er fände kein Salatblatt mehr.

Da hierzuland­e nun aber Strafzinse­n selbst für private und nicht millionens­chwere Geldanlage­n drohen, also der kleine Mann gefährdet sein könnte, muckte nicht Günther Schild auf, sondern Markus Söder. Dem CSU-Mann darf man ein Herz für Menschen mit weniger Geld nun wirklich nicht absprechen. Nach dem christlich­en „C“im Partei-Namen und damit seiner neuen Liebe zur ökologisch­en Politik der Schöpfungs­bewahrung verwies er auf das „S“, das Soziale. Er forderte bekanntlic­h ein Verbot für Strafzinse­n auf Einlagen bis zu 100 000 Euro. Selbst wenn man dem Franken einiges an gutem Willen zugesteht, schwingt doch auch seine nicht zu bändigende Lust mit, sich der Gunst des Wahlvolks zu versichern. Denn hätte Söder, ehe er die Forderung erhob, länger recherchie­rt, wäre er auf einige Punkte gestoßen, die ihn diesbezügl­ich zur schildkröt­enhaften Gelassenhe­it verleiten sollten. Denn ein Verbot könnte der Gesetzesla­ge widersprec­hen, auch weil dadurch in den ehernen Grundsatz der Vertragsfr­eiheit eingegriff­en wird.

Deshalb hat ein Politiker, dem schon mal schildkröt­enhafte Langeweile unterstell­t wird, sofort in Aussicht gestellt, den Söder-Vorstoß rechtlich abzuklopfe­n. Die Rede ist natürlich von Bundesfina­nzminister Olaf Scholz. Prüfung hin oder her – ein Verbot von Strafzinse­n führt nicht weiter. Warum soll so eine Regelung nur bis 100000 Euro gelten? Was wäre bei 111 111 Euro? Und zahlen viele Bankkunden nicht schon längst eine Strafe für die EZB-Politik, indem Gebühren für ihre einst kostenlose­n Girokonten anfallen. Will der CSU-Chef diese Gebühren auch verbieten?

Es scheint, als wäre Söder in die Söder-Populismus­falle getappt. Sein Parteifreu­nd und früherer bayerische­r Wirtschaft­sminister Franz Josef Pschierer zeigt sich skeptisch gegenüber der Söderschen Verboterit­is, auch wenn sie gut gemeint sei. Dem CSU-Mann wäre es sinnvoller erschienen, wenn sich Kanzlerin Angela Merkel und Söder für einen Deutschen als Nachfolger von EZB-Präsidente­n Mario Draghi stark gemacht hätten. Das wäre Bundesbank-Boss Jens Weidmann gewesen. Doch es ist fraglich, ja es erscheint nahezu ausgeschlo­ssen, dass er Günther Schild mit Zinskost wiederbele­ben könnte.

Wie lässt sich dennoch entspannt Geld verdienen? Hier hat GrünenChef Robert Habeck eine interessan­te Idee geboren: Er möchte nach norwegisch­em Vorbild einen deutschen Staatsfond­s, der Bürgern auf relativ sichere Weise akzeptable Verzinsung verheißt. Zuletzt waren das aber in Norwegen auch nur noch rund drei Prozent nach früher viel höheren Renditen.

Zur Wahrheit gehört: Der Aktienante­il des größten Staatsfond­s der Welt ist hoch. Das birgt Risiken. Günther Schild würde sicher fragen: „Sind Sie also ein Zocker?“Da käme Habeck in Erklärungs­nöte.

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Mit dem Maskottche­n Günther Schild warb der Bund lange für Bundeswert­papiere.

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