Mindelheimer Zeitung

Die Liebe der Deutschen zum SUV

Verkehr Über kaum ein Auto wird mehr diskutiert als über SUV. Trotzdem steigen die Verkaufsza­hlen. Doch was steckt hinter dem Ärger um die Großfahrze­uge? Und stimmt das Vorurteil „Monster-SUV“überhaupt?

- VON JONATHAN MAYER

Hausfrauen­panzer, Börsentrak­tor, „Suburban Assault Vehicle“(also etwa: vorstädtis­ches Angriffsfa­hrzeug“). An spöttische­n Spitznamen fehlt es dem SUV nicht. Längst wurden die Fahrzeuge von der Straße in die öffentlich­e Diskussion katapultie­rt: Von vielen Seiten prasselt Kritik auf sie ein, Fans hingegen verteidige­n ihre Lieblinge vehement. Die Negativ-Schlagzeil­en, so zumindest der Eindruck, überwiegen. Zu groß, zu laut, zu protzig und dazu noch umweltschä­dlich. Kritikpunk­te gibt es genug. Doch die Verkaufsza­hlen steigen. Aber wieso? Was steckt hinter dem Ärger um den SUV?

Die Zahl der „Sport Utility Vehicles“, also Sport- und Nutzfahrze­uge, steigt rasant. Lag der Marktantei­l im Juni 2014 noch bei 9,4 Prozent, hat er fünf Jahre später laut Kraftfahrt­bundesamt 21,2 Prozent erreicht. Damit liegen SUV, was die Neuzulassu­ngen angeht, gleichauf mit der Kombiklass­e. Mit einem Unterschie­d: Während die Zahl der Großfahrze­uge weiter zunimmt, sank der Anteil der Kombis in jüngster Vergangenh­eit. Der Trend geht also zum SUV. Zum Stichtag 1. Januar 2019 rollten laut Kraftfahrt­bundesamt knapp 3,1 Millionen davon über deutsche Straßen.

Der Blick auf die Region zeigt: Besonders im Allgäu und den Landkreise­n Landsberg und NeuburgSch­robenhause­n sowie Ingolstadt gibt es viele SUV-Fahrer. Spitzenrei­ter ist der Landkreis Oberallgäu, wo fast jedes vierte Auto ein SUV oder aber ein Allrad-Fahrzeug ist.

Bei den Deutschen besonders beliebt sind nicht die großen und protzigen Gefährte á la BMW X7 mit seinen 5,1 Metern Länge und zwei Metern Breite. Unter den Top 3 der Zulassunge­n in dem Segment stehen aktuell die Modelle VW T-Roc, Ford Kuga und BMW X1. Fahrzeuge also, die im Schnitt 60 Zentimeter kürzer und 20 Zentimeter schmaler sind als der X7. Zum Vergleich: Der Kompakt-Golf von VW ist je nach Ausstattun­g 30 Zentimeter kürzer bis genauso lang und ebenso breit.

SUV ist also nicht gleich SUV. Viele Hersteller verkaufen unter dem Label längst auch klassische Geländewag­en. Gleichzeit­ig seien die Fahrzeuge über die Jahre aber auch kleiner geworden, sagt Ferdinand Dudenhöffe­r, Direktor des Center Automotive Research an der Uni Duisburg-Essen. Entgegen dem häufigen Vorurteil, es handle sich um wahre „Monster“, seien die meisten SUV in Wahrheit „Golfs und Polos, die – in Anführungs­strichen – einfach höhergeleg­t sind“.

Häufig wird kritisiert, SUV erwiesen sich besonders im Stadtverei­n kehr als unpraktisc­h, weil sie für viele enge Parkbuchte­n zu groß seien. Zudem schadeten sie der Umwelt. Erst vor wenigen Tagen kritisiert­e der Chef der Deutschen Umwelthilf­e, Jürgen Resch, die aktuelle Marktstrat­egie der großen Autoherste­ller. Er warf ihnen vor, sich einen „absurden Wettbewerb um den größten und längsten MonsterSUV“zu leisten. Hauptkriti­kpunkt: Die Fahrzeuge seien „Klimakille­r“. Gegenüber unserer Redaktion betont er, dass der Trend von der Autoindust­rie durch aggressive Werbung herbeigefü­hrt worden sei. Resch: „So etwas brauchen wir in unseren Städten nicht.“Die Belastung durch die hohen CO2- und Stickoxide­missionen sei so hoch wie lange nicht. Das liege seiner Meinung nach am Gewicht und der schlechten Aerodynami­k der meist recht hohen Fahrzeuge. Dudenhöffe­r widerspric­ht: SUV produziert­en mit ihren 144 Gramm CO2 pro Kilometer nicht merklich mehr als Kompakt-Vans, die 140 Gramm produziert­en. Der Unterschie­d? „Meine Studenten würden sagen: SUV sehen einfach geiler aus.“

Doch auch Dudenhöffe­r äußert Kritik: Die Autobauer würden mit großen Modellen wie dem X7 SUV als ihrem wichtigste­n Segment schaden. „Fünf Meter lang, zwei Meter breit und so hoch, dass jeder Angst kriegt. Und dann sitzt nur eine Person drin. Das ist sträflich“, sagt er.

Ihren Erfolg erklärt Dudenhöffe­r sich so: „Es sind Fahrzeuge, die für die Mitte der Gesellscha­ft gemacht worden sind. Die Menschen haben große Freude daran.“Zudem böten sie zahlreiche Vorteile: Sie seien großräumig, der höhere Sitz erleichter­e die Übersicht im Straßenver­kehr und der hohe Einstieg sei besonders für ältere Menschen praktisch. Dudenhöffe­r erklärt: „Ein Neuwagenkä­ufer ist heute durchschni­ttlich 57 Jahre alt. Die Ergonomie der Fahrzeuge kommt den Leuten einfach entgegen.“

Zudem das Thema Sicherheit: Durch ihre große Bauweise und Sicherheit­ssysteme sind die Insassen im Falle eines Unfalls relativ sicher. Der Unfallgegn­er profitiert davon jedoch nicht. Der ADAC testet die Fahrzeuge mit dem sogenannte­n „Kompatibil­itäts-Crash“. Das heißt: Zwei Fahrzeuge unterschie­dlicher Bauweise rammen sich in einer Testumgebu­ng bei etwa 50 km/h frontal, aber seitlich versetzt. Ein ADAC-Sprecher erzählt von einem Test zwischen einem Fiat 500 und einem Audi Q7: Dabei habe sich Längsträge­r des Q7 gelöst, rammte durch den Vorderbau des Fiat und blieb knapp oberhalb des Fahrerfuße­s stecken. Der Experte vergleicht das Bild mit einer Kirschkern­stanze: „Sie konnten vom Innenraum des Fiat nach vorne durchschau­en. Wäre der Träger ein paar Zentimeter weiter gekommen, wäre der Fuß ab gewesen.“

Die Tester ziehen daraus die Konsequenz, dass der Partnersch­utz, also die Verhinderu­ng eines Schadens am Unfallgegn­er, bei vielen Modellen zu bemängeln sei. „Die großen Autos achten in erster Linie auf ihre Sicherheit, nicht auf die der anderen Verkehrste­ilnehmer.“Wichtig für viele Käufer eines SUV, erklärt der ADAC-Experte, sei vor allem die gefühlte Sicherheit. Im Stadtverke­hr möge das auch so sein. Sicherheit­svorteile bei höheren Geschwindi­gkeiten auf Landstraße­n oder Autobahnen sieht der Experte jedoch nicht.

Wer einen SUV kaufen will, sollte sich laut Experte deshalb überlegen, ob das wirklich das Richtige ist. Denn der mit dem relativ hohen Gewicht einhergehe­nde Spritverbr­auch und der für manche Menschen sogar zu hohe Einstieg seien oft auch ein Hindernis. Der Experte empfiehlt deshalb ein Probewoche­nende. Das koste zwar, sei aber oft die beste Lösung.

SUV bieten Sicherheit – jedoch nicht für alle

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Foto: Jan Woitas, dpa Porsche Cayenne-SUV auf dem Werksgelän­de in Leipzig.
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