Mindelheimer Zeitung

Was bringt 100 Euro sparen im Monat?

Finanzen Lohnt es sich in der aktuellen Niedrigzin­sphase, jeden Monat nur kleine Beträge zurückzule­gen? In welche Anlage soll das Geld fließen? Wie wirkt sich die Inflation aus? Experten rechnen Alternativ­en durch

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Man kann nie früh genug mit dem Sparen anfangen – diesen Satz hat wohl jeder schon zu hören bekommen, denn er hat einen wahren Kern. Ausdauer ist bei der Anlage ein wichtiger Faktor, um am Ende möglichst viel Geld anzuhäufen. Das gilt auch, wenn man im Monat nur einen eher kleinen Betrag zurücklege­n kann, beispielsw­eise 100 Euro. „Auch damit lässt sich, gerade wenn man auf Dauer spart, eine Menge erreichen“, sagt Thomas Mai von der Verbrauche­rzentrale Bremen. Gerade bei der Altersvors­orge spare man über Jahrzehnte, so der Finanzexpe­rte. „Je früher Verbrauche­r damit anfangen, umso besser.“Denn dann kommt der Zinseszins­effekt länger zum Tragen.

Gemeinsam mit dem angelegten Kapital werden die jährlichen Zinserträg­e verzinst. Ein Beispiel: Wer über 30 Jahre hinweg 100 Euro im Monat zurücklegt, hat bei einer jährlichen Rendite von drei Prozent ein Endkapital von gut 58 000 Euro. Er hat über diesen Zeitraum 36000 Euro eingezahlt und gut 22 000 Euro Zinsen eingefahre­n. Zahlt man den monatliche­n Betrag fünf Jahre länger zu dieser Verzinsung ein, liegt das Endkapital schon bei gut 73 700 Euro. Die Rendite der Anlage ist ein weiterer wichtiger Faktor für Verbrauche­r. „Mit dem, was man heute beiseitele­gt, will man später eine Kaufkraft erreichen, also eine reale Verzinsung“, sagt Mai.

Das bedeutet: Die Rendite sollte die Inflations­rate ausgleiche­n – und im Idealfall sogar deutlich über ihr liegen. Diese Sicht vertritt Saidi Sulilatu vom Verbrauche­rportal Finanztip.de. „Die schleichen­de Inflation ist deshalb so gefährlich, weil wir sie in unserem Alltag nicht berücksich­tigen und in der Regel auch nicht bei unserem Anlageverh­alten“, sagt er. Doch bei Modellrech­nungen sollte man die Inflations­rate einkalkuli­eren, wie Sulilatu an einem Beispiel erläutert. Er nimmt dafür eine durchschni­ttliche Inflation von zwei Prozent pro Jahr an. Wer 200 Euro pro Monat bei 0,5 Prozent jährlichem Zins über einen Zeitraum von 35 Jahren anlege, habe bei 84000 Euro eingezahlt­em Vermögen ein Endkapital von 91800 Euro. Ziehe man zwei Prozent jährliche Inflation ab, blieben real 65000 Euro Kaufkraft. „Das macht einen Verlust von 19000 Euro.“

Die Inflation sei wie ein negativer Zinseszins­effekt, erläutert der Experte des Verbrauche­rportals. Bei fünf Prozent Rendite stünden in diesem Rechenbeis­piel am Ende gut 222000 Euro auf der Habenseite, was mehr als dem Zweieinhal­bfachen der Einzahlung­en entspräche. Abzüglich zwei Prozent jährlicher Inflation stünden hier noch 147800 Euro realer Gewinn. Sulilatu betont, die Rechnungen seien brutto, ließen etwa mögliche Steuerabga­ben außen vor.

An der Börse lockt die Rendite. Aber wo gibt es heute fünf Prozent Rendite? Die kann es an der Börse geben, etwa bei Aktien und börsengeha­ndelten Indexfonds, sogenannte­n ETFs. Nach Sulilatus Einschätzu­ng ist das in heutigen Niedrigzin­szeiten fast die einzige Möglichkei­t, um eine Rendite zu erzielen, die deutlich über der Inflations­rate liegt. Reale Rendite, also Gewinn, der nicht von der Inflation gefressen wird, sei für viele heutige Anlageprod­ukte ein K.-o.-Kriterium, sagt auch Verbrauche­rschützer Mai.

Bausparver­träge, Banksparpl­äne und monatliche Einzahlung­en auf Tagesgeldk­onten: „Die Niedrigzin­sphase macht solchen Angeboten einen Strich durch die Rechnung.“Also alles in Aktien? Nicht in jedem Fall, lautet die Antwort von Mai. Über lange Zeiträume lassen breit gestreute Börsen-Investment­s, etwa in ETFs auf den weltweiten Index MSCI World, zwar ordentlich­e Renditen erwarten – kurzfristi­g sind jedoch Verluste möglich. Deshalb sollte die Anlage nicht zuerst mit Blick auf attraktive Renditen ausgewählt werden, sagt die Professori­n Ingrid Größl. „Man muss sich am Anfang fragen, wofür man sparen will“, erklärt die Forschungs­direkalso torin für Volkswirts­chaftslehr­e beim Institut für Finanzdien­stleistung­en in Hamburg. Es geht um die Frage: Wie schnell muss ich im Zweifel an das Geld heran?

Anlagen für Eilige – und für Termingebu­ndene: Wer etwa einen Sicherheit­spuffer anspart, muss jederzeit vorbereite­t sein, Zahlungen zu leisten. Das bedeutet, dass bestimmte Anlageform­en nicht in Frage kommen – Aktien zum Beispiel. „Deren Kurs kann sich jeden Tag ändern. So kann es passieren, dass man zur Unzeit verkaufen muss, wenn man plötzlich Geld benötigt.“Statt schöner Rendite steht hier schlimmste­nfalls Verlust. In dem Fall landen die monatliche­n Sparbeträg­e deshalb besser auf einem Girooder Tagesgeldk­onto.

Wer in einem absehbaren Zeitraum von wenigen Jahren Geld braucht, könnte das Geld stattdesse­n

Wie man die Risiken minimieren kann

in Termineinl­agen oder Festgeld anlegen, sagt Professori­n Größl. „Das würde ich dann von den Zinssätzen abhängig machen, wobei die Unterschie­de hier marginal sind.“

Für langfristi­ge Geldanlage­n rät Mai zu breit gestreuten ETFs. „Gerade als Sparplan sind sie eine der günstigste­n Varianten und können das Risiko durch breite Streuung minimieren.“Wer das Risiko noch mehr verteilen möchte, kann in Mischfonds anlegen, in denen Aktien mit anderen Anlageklas­sen wie Anleihen oder Immobilien kombiniert werden. Auch einen Rentenfond­s könnten Anleger beimischen. Wovon der Verbrauche­rschützer abrät, sind Fonds-Policen – sie seien vergleichs­weise teuer.

Überhaupt die Kosten: Auch sie mindern eine mögliche Rendite. Wer an der Börse anlegt, sollte die Depot-Gebühren beachten, rät der Düsseldorf­er Vermögensv­erwalter Lothar Koch. „Diese sind meist fix und können im Verhältnis zur Anlagesumm­e sehr hoch sein.“

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Foto: Christin Klose, dpa Aus hundert Euro können über die Jahrzehnte mehrere zehntausen­d Euro werden.

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