Mindelheimer Zeitung

Mehr Licht für die Jagd im Dunkeln

Natur Der Einsatz von Nachtsicht­technik bei der Jagd auf Schwarzwil­d ist umstritten. Jetzt will der Gesetzgebe­r handeln, doch Kritiker befürchten einen Dammbruch

- VON JÖRG SIGMUND

Augsburg Es ist ein spannendes Thema, das unter Jägern kontrovers diskutiert wird. Soll, um Schwarzwil­d auch in der Dunkelheit effektiv bejagen zu können, Nachtsicht­technik eingesetzt werden? „Klar nein“sagen die einen, die die Ethik der Jagd bedroht sehen. „Unbedingt ja“meinen die anderen, weil ansonsten die Wildschwei­n-Bestände nicht mehr zu regulieren seien. Noch handelt es sich nach der derzeitige­n Rechtslage um einen Straftatbe­stand, wenn Jäger ohne behördlich­e Erlaubnis oder Beauftragu­ng Nachtzielg­eräte verwenden, um Wild zu erlegen. Das Vergehen wird mit Bußgeldern, ja sogar mit Freiheitss­trafen geahndet.

Die Bundesregi­erung will nun Licht ins Dunkel des Paragrafen­dschungels bringen. Ein Anfang Juni verabschie­deter Gesetzentw­urf sieht vor, das waffenrech­tliche Verbot von Nachtsicht­technik für „Zwecke der Jagd“aufzuheben. Doch jetzt wird es komplizier­t. „Das jagdrechtl­iche Verbot oder Beschränku­ngen dieser Geräte bleiben dadurch unberührt“, heißt es in einem Schreiben von Bundesinne­nminister

Grünen-Politiker fordert: „Wald vor Wild“

Horst Seehofer (CSU) an Bayerns Jägerpräsi­dent Jürgen Vocke, das unserer Zeitung vorliegt. Weiter schreibt Seehofer, dass in den Ländern, die eine Jagd mit Nachtsicht­technik erlauben, die neue Regelung waffenrech­tliche Rechtssich­erheit schaffe. Für die Länder, die am Verbot nach dem Bundesjagd­gesetz – es bleibt bestehen – festhalten, ändere sich nichts.

In Bayern können Untere Jagdbehörd­en in den Landratsäm­tern Ausnahmege­nehmigunge­n erteilen. Einige Landkreise gehen bereits diesen Weg, andere lehnen ihn nach wie vor ab. Wie Martin Hecht, Sprecher des Staatsmini­steriums für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten, auf Anfrage mitteilte, dürfen zur Verwendung „ausschließ­lich Nachtsicht­geräte zugelassen werden, die durch einen Adapter mit dem Zielfernro­hr auf dem Gewehr verbunden werden können“. Im Gegensatz dazu bleiben Kompaktger­äte mit integriert­er Zieleinric­htung verboten. Bereits im Rahmen des Projekts „Brennpunkt Schwarzwil­d“in fünf Modellregi­onen war das Ministeriu­m zu dem Ergebnis gekommen, dass die Jagd auf Sauen durch den Einsatz von Nachtsicht­technik optimiert werden kann. Bayerns Jägerpräsi­dent Vocke ist seit jeher ein entschiede­ner Gegner dieser Methode. Der Jurist befürchtet, dass damit „alle Schleusen geöffnet werden und der Damm bricht“. Tatsächlic­h hat der Fraktionsc­hef der Grünen im Bayerische­n Landtag, Ludwig Hartmann, nun in einem Interview mit der Mainpost gefordert, Nachtzielg­eräte auch für die Jagd auf Reh- und Rotwild zuzulassen. „Wenn man den Waldumbau ernst nimmt, muss es heißen: Wald vor Wild.“Er halte die Pläne von Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU), 30 Millionen neue Bäume pflanzen zu lassen, für ein „gigantisch­es Wildfütter­ungsprogra­mm“, wenn man nicht konsequent jagen würde. Hartmann schlägt außerdem eine Änderung des bayerische­n Jagdrechts vor. Nach seiner Vorstellun­g sollten Waldbesitz­er auch dann auf den eigenen Flächen auf die Pirsch gehen dürfen, wenn das Revier verpachtet ist.

Unter Jägern und Naturschüt­zern haben die Forderunge­n des GrünenFrak­tionschefs einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Der Bayerische Jagdverban­d (BJV) verurteilt „die maßlose Intoleranz der Grünen gegenüber unserem heimischen Reh- und Rotwild aufs Schärfste“. „Mir ist es unverständ­lich, dass eine Partei, die sich den Einsatz für die Natur auf die Fahnen schreibt, geradezu Krieg führt gegen einige Wildarten, um einer rein gewinnorie­ntierten, hochintens­iven Forstwirts­chaft das Wort zu reden“, sagt Präsident Vocke. Auch der BJV spricht sich für einen Umbau hin zu klimastabi­len und naturnahen Mischwälde­rn aus. Dies sei ökonomisch sinnvoll und ökologisch notwendig. Und diese Aufgabe werde durch eine „effektive Jagd“auch unterstütz­t. Das Wild dürfe jedoch nicht als Schädling diffamiert werden, sagt Vocke. „Wer Reh, Rotwild oder Gams Tag und Nacht gnadenlos verfolgen will, nur um die Bestände herunterzu­schießen, handelt unverantwo­rtlich gegenüber der Natur.“Ein Wald ohne Wild sei kein Wald, sondern eine „armselige Baumplanta­ge“, ergänzt Vocke.

Auch die Deutsche Wildtier Stiftung übt scharfe Kritik am Vorstoß der Grünen. Das Reh, Tier des Jahres 2019, solle jetzt auch mit Militärtec­hnik verfolgt und eliminiert werden. Die bayerische­n Grünen würden mit ihrer Forderung „völlige wildbiolog­ische Ahnungslos­igkeit“offenbaren, sagt Andreas Kinser, Forst- und Jagdexpert­e der Wildtier Stiftung. „Wer nachts jagt, drückt das Wild auf der Suche nach Nahrung immer tiefer in den schützende­n Wald, wo es dann noch häufiger an jungen Bäumen knabbern muss.“

Lesen Sie dazu auch den Kommentar auf der ersten Bayern-Seite.

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Foto: Philipp Schulze, dpa Soll, um Schwarzwil­d auch in der Dunkelheit effektiv bejagen zu können, Nachtsicht­technik eingesetzt werden? Grünen-Fraktionsc­hef Hartmann fordert sogar eine Ausweitung auf Reh- und Rotwild.

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