Das Haus des Profi-Fußballs wackelt
Fußball Die Generalversammlung offenbart eine Spaltung innerhalb der Deutschen Fußball-Liga. Der FCA warnt: Es geht eigentlich um größere Herausforderungen
Berlin Christian Seifert hatte schon eine Weile gesprochen, als ihm ein Thema so wichtig war, dass er sich beim großen Abraham Lincoln bediente. „Jedes Haus, das in sich uneins ist, wird nicht bestehen“, zitierte der DFL-Chef bei der Generalversammlung der 36 Profi-Klubs unter der Woche. Viele der in dem Berliner Edelhotel anwesenden Vereinsbosse durften den Rückgriff auf die Worte des legendären US-Präsidenten als Mahnung verstehen – die vergangenen Monate haben eine tiefe Spaltung offenbart, die das „Haus“der Deutschen Fußball-Liga bedenklich wackeln lässt.
Vor den Präsidiumswahlen am Mittwoch hatte sich das sogenannte „Team Mittelstand“formiert, bestehend vorrangig aus den Traditionsvereinen, die mit kleineren Klubs auch aus der 2. Liga versuchten, Allianzen gegen die Großen des Geschäfts zu schmieden. Allen voran gegen den FC Bayern München und Borussia Dortmund. Höhepunkt des internen Machtkampfs, bei dem es im Grunde um die Verteilung der TV-Milliarden geht, war am Dienstag der Rückzug von BVBGeschäftsführer Hans-Joachim Watzke, der wegen mangelnder Erfolgsaussichten nicht mehr bei den DFL-Wahlen antreten wollte. „Was uns natürlich allen auf die Nerven gegangen ist, war dieser Fakt, dass sich 16 oder 17 Klubs getroffen haben“, sagte Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, dessen Abgesandter Jan-Christian Dreesen im DFL-Präsidium künftig ohne Dortmunder Partner auskommen muss. „Ich muss offen und ehrlich sagen, das habe ich noch nie erlebt seit Gründung der DFL, dass es eine Separierung der Interessenslage gab und dass das Fell des Bären vorzeitig verteilt werden sollte. Das war absolut nicht okay.“
Das „Fell des Bären“, die Einnahmen aus der nationalen und internationalen Vermarktung, dürfte in der kommenden Rechteperiode ab 2021 noch wertvoller sein als bisher. Sollten die Größten des Mediengeschäfts, beispielsweise Amazon, einsteigen, winkt eine gewaltige Steigerung. In der Spielzeit 2017/18 war die „mediale Verwerder DFL-Rechte 1,247 Milliarden Euro wert. Nach Ansicht einiger werden die Gelder aber nicht nach einem gerechten Verteilerschlüssel ausgeschüttet. Zuständig dafür ist das DFL-Präsidium, in dem seit Mittwoch nun überwiegend Mitglieder aus dem Mittelbau und den unteren Ebenen des Profifußballs sitzen. „Die Kluft geht weiter auseinander. Das liegt nicht an den Aufsteigern, da ist es relativ konstant. Aber die Spitze wird eben finanziell immer stärker. Die Bundesliga ist inzwischen dreigeteilt“, sagte Manager Martin Przondziono vom SC Paderborn am Freitag dem Portal t-online.de. Laut der Sport Bild kassiert der Aufsteiger für die aktuelle Saison aus dem Topf der nationalen TV-Gelder 26,083 Millionen Euro – Meister Bayern bekommt demnach fast das Dreifache (67,918 Millionen). Die Verteilung sei der DFL bislang immer „gut gelungen. Das muss weiterhin das Ziel bleiben“, sagte Frank Baumann, Sportchef von Werder Bremen, das Teil des Teams Mittelstand ist. „Der Solidargedanke war immer wichtig und bleibt auch weiterhin in der DFL vorhanden. Es ist aber auch klar, dass jeder für sich gut dastehen will.“
Michael Ströll, Geschäftsführer Finanzen des FC Augsburg, sieht die Lage innerhalb der DFL weniger kritisch. Einen Riss könne er nicht erkennen. „Wir hätten uns auch gut vorstellen können, Bayern München und Borussia Dortmund als Vertreter der 36 Klubs zu haben, Herr Watzke hatte sich im Vorfeld jedoch für einen Rückzug seiner Kandidatur entschieden.“Dass nun Vereine unterschiedlicher Größe in dem Gremium sitzen, könne gut für die Diskussionskultur sein.
So oder so: Alle wieder auf eine Linie zu bringen, dürfte kompliziert werden für Seifert. „So, wie es in den letzten Wochen war, darf es nicht weitergehen. Das sollte jedem klar sein“, sagte der DFL-Getung“ schäftsführer und Sprecher des Präsidiums. Bislang beruht die Ausschüttung der Gelder aus den nationalen Erlösen, zu denen auch weitere Einnahmen aus der Gruppenvermarktung gehören, auf einem VierSäulen-Modell, in dem vor allem die Platzierung der vergangenen fünf Jahre ausschlaggebend ist. Die Traditionsvereine hatten schon vor gut drei Jahren darauf gedrängt, dass auch weiche Faktoren wie Zuschauerzahlen und die Fanbasis berücksichtigt werden, was das damalige DFL-Präsidium aber ablehnte.
FCA-Geschäftsführer Ströll empfindet die Diskussion um die Verteilung der TV-Gelder „bei aller Bedeutung mittlerweile als überhöht“, schließlich stünden die Klubs vor weitaus größeren Herausforderungen: „So wird von großer Bedeutung sein, dass wir den Stellenwert unserer Sportart innerhalb der Gesellschaft hochhalten und Fußball weiterhin Volkssport und bezahlbar bleibt.“
Kluft zwischen Arm und Reich droht größer zu werden