Mindelheimer Zeitung

Ein kleines Abenteuer mit großen Überraschu­ngen

Serie Der Turm der Klosterkir­che in Bad Wörishofen ist für die Öffentlich­keit gesperrt, doch die Mindelheim­er Zeitung lüftet seine Geheimniss­e

- VON ULLA GUTMANN

Bad Wörishofen Den Turm hinauf steigt eigentlich das ganze Jahr über kein Mensch, außer wenn die Kirchweihf­ahne hinausgehä­ngt wird oder wenn die Glocken gewartet werden. Etwas mehr als 30 Meter ist er hoch, der Turm der Kirche im Kloster in Bad Wörishofen und es geht ganz schön eng her und auch etwas staubig.

Die Priorin der Benediktin­erinnen, Schwester Franziska Brenner ist aber fit und sie steigt sogar ganz oben noch bis unter die Kuppel, wo nur noch Gebälk ist und kein Boden mehr. Dort oben ist es auf einmal ganz warm und es riecht nach Bienenwach­s. Es gibt eine alte Geschichte, wohl aus den 1960er Jahren, von einer etwas tollpatsch­igen Novizin, die ganz hinauf kletterte und die kleine Glasluke, an der Spitze der Kuppel hochschob um sie zu öffnen und hinaus zu spähen.

Doch die Luke fiel zurück, auf den Kopf der jungen Frau und das Glas zerbarst. Glasscherb­en flogen hinunter auf den Platz vor dem Kloster, wo auch Autos geparkt waren. Da war die Aufregung groß und an der Klosterpfo­rte wurde ein ums andre Mal geklingelt.

Eine andere Geschichte weiß die Priorin auch noch zu erzählen von den Novizinnen, die früher drei Mal täglich die Glocken per Hand über ein Zugseil läuten mussten, was ziemlich anstrengen­d war: damals um 5 Uhr, um 12 Uhr und um 19 Uhr. Nur nicht an Silvester. Aus Jux taten sie es aber trotzdem einmal um Mitternach­t. Damals hat die Priorin des Klosters den Novizinnen die Strafe aufgebrumm­t von da an jedes Jahr an Silvester eine viertel Stunde lang nach Mitternach­t läuten zu müssen. Die beiden Glocken im Turm haben übrigens Namen: Die kleinere Glocke heißt Christina und die größere Glocke Maximilian­a. Maria Maximilian­a Gräfin Ruep von Falkenstei­n war Priorin im Augsburger Mutterklos­ter als Maria Christina Eggartin bei der Gründung des Bad Wörishofer Klosters erste Priorin wurde.

Heute läuten die Glocken automatisc­h, niemand muss mehr am Glockensei­l ziehen. Wie der Historiker August Filser weiß, gab es früher auch eine Turmuhr, die aber in den 1950er Jahren entfernt wurde, weil sie nicht mehr funktionie­rte. 1717 gab es ein Dekret bei den Benediktin­erinnen, dass es in jeder Provinz zwei Klöster geben sollte. Im Mutterhaus (wie in Augsburg) lebten meist Schwestern von adeliger Herkunft, die sich nicht so streng an die Ordensrege­ln zu halten brauchten.

Im Tochterklo­ster (wie Bad Wörishofen) dagegen mussten sich die Schwestern sehr wohl danach richten. Am 25. September 1723 versammelt­en sich alle Untertanen aus dem Umland vor der Klosterpfo­rte und jeder gelobte der neuen Oberin Treue und Gehorsam, so Filser. Bevor das Kloster entstand war hier das Schloss, der dazugehöri­ge Schlosshof und der Schlossgar­ten. Doch zurück in den Turm, wo Priorin Franziska auf die Kritzeleie­n an der Wand deutet.

Hier haben sich einige Schwestern verewigt, die die Kirchweihf­ahne befestigt hatten oder auch Ministrant­en, die den Turm hinaufklet­tern durften. „Den Ministrant­en ging es sehr gut bei den Dominikane­rinnen, sie wurden verwöhnt und bemuttert“, weiß die Priorin. Auch Josef Kunder, heute Stadtrat in Bad Wörishofen, hat hier seinen Namen hingeschri­eben, mit kindlicher Schrift, 1960, als auch er ein Ministrant war.

Und hinausscha­uen kann man auch aus dem Turm, allerdings nur durch sehr kleine Fensteröff­nungen, die mit Gittern zum Schutz vor Vögeln versehen sind. Zur Kirche St. Justina kann man hinübersch­auen, zur Gartenstad­t und über die Dächer Bad Wörishofen­s bis in die grünen Wiesen darum herum. Und wenn man aus einer der Öffnungen die Kamera weit hinausschi­ebt und nach unten fotografie­rt hat man ein Foto vom schönen Klosterinn­enhof.

„Den Ministrant­en ging es gut bei den Dominikane­rinnen, sie wurden verwöhnt und bemuttert.“

Priorin Franziska Brenner

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Fotos: Ulla Gutmann Etwas mehr als 30 Meter hoch ist der Turm der Klosterkir­che. Von hier aus bietet sich ein atemberaub­ender Blick.
 ??  ?? Priorin Franziska Brenner vor der alten Holztüre, die in den Turm hinauf führt.
Priorin Franziska Brenner vor der alten Holztüre, die in den Turm hinauf führt.
 ??  ?? Die alten Glocken, aufwendig gearbeitet und verziert.
Die alten Glocken, aufwendig gearbeitet und verziert.

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