Mindelheimer Zeitung

Der Mond ist aufgegange­n

- VON EVANG.-LUTH. PFARRERIN SENTA-VICTORIA BURGER, NÖRDLINGEN

Letzte Woche schaute ich zufällig aus dem Badezimmer­fenster. Über dem Dach des Nachbarhau­ses hinter dem Zwetschgen­baum schimmerte es golden-gelb. Schnell machte ich das Licht aus. Erst jetzt konnte ich so richtig die Schönheit genießen. Rund und groß ging der Mond dort auf. Er leuchtete intensiv und schien auf einmal zum Greifen nah. Ich holte meinen Mann und gemeinsam versuchten wir mit unserem Fotoappara­t dieses wundervoll­e Bild einzufange­n. Schnell stieg der Mond auf, zeigte dann seine volle Pracht. Doch jedes auch noch so gelungene Foto konnte den wunderbare­n Moment des Augenblick­s nicht abbilden.

Da wurde mir etwas wieder bewusst. So oft sind wir im Leben damit beschäftig­t, alles mit dem Foto festzuhalt­en, um es mit anderen zu teilen oder stolz auf Instagram, Facebook usw. zu posten. Dabei sind wir oft so beschäftig­t, den Moment oder unser Leben in Szene zu setzen, dass wir den Augenblick an sich oft verpassen.

Ich hielt inne, legte die Kamera beiseite. Andächtig blicke ich zum Mond hinauf, der höher stieg und langsam seinen orangegold­enen Schimmer verlor. Das war ein wunderbare­r Augenblick, den ich in mir bewahren möchte. „Der Mond ist aufgegange­n, die goldnen Sternlein prangen am Himmel hell und klar.“Ich denke, Matthias Claudius beschreibt in seinem Gedicht genau solche Augenblick­e. Momente, in denen sich Himmel und Erde berühren, sind für uns selbst gedacht. Aus ihnen schöpfte ich neue Kraft, um mich den Herausford­erungen des Lebens zu stellen.

Zwischen Himmelsgla­nz, „stiller Kammer“und „des Tages Jammer“spannt sich unser Alltag auf. Mit der Kraft von oben kann mein Leben gelingen. Wenn ich in die Weiten des Himmels blicke, dann öffnet sich auch mein Horizont und die Menschen um mich herum kommen in mein Blickfeld. So schließt das bekannte Abendlied: „und lass uns ruhig schlafen und unseren kranken Nachbarn auch.“

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