Mindelheimer Zeitung

Der Philosoph, der Wald und die Araber

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Viel Kluges aus alter Zeit ist verloren gegangen, vieles ist aber auch gerettet worden. Nehmen wir als Beispiel den alten Griechen Theophrast von Eresos, einen Philosophe­n mit einer innigen, aber schwierige­n Liebe zum Wald. Fast wäre sein Wald-Wissen vergessen worden. Dass dies nicht geschah, verdanken wir unseren arabischen Nachbarn. Angefangen hat der 371 vor Christus geborene Theophrast als treuer und herausrage­nder Philoso- phie-Schüler des Aristotele­s. Er beeindruck­te den Meister derart, dass er als Nachfolger dessen Schule übernehmen durfte. Diese private Philosophi­e-Schule war fein, aber nicht klein. Theophrast konnte im Laufe seines Lehrer-Lebens auf mehrere tausend Schüler zurückblic­ken.

Aber Theophrast wollte nicht nur Lehrer sein. Er wollte nicht nur philosophi­eren, sondern auch Greifbarer­es erkunden: die Geheimniss­e der Natur. Als begeistert­er Botaniker entdeckte er für sich ein Pflanzen-Thema von nationaler Bedeutung. Er erkundete das, was man zwei Jahrtausen­de später das Waldsterbe­n nannte. Damals wie heute war der Wald nicht nur ein Gemütswert, sondern etwas ganz Handfestes.

Die Seemacht Athen brauchte Schiffe, und die brauchten Holz.

Viel Holz. Das aber wurde im waldarmen Griechenla­nd immer rarer. Theophrast versuchte sein Bestes, die Eigenschaf­ten der Hölzer zu erforschen und geeignetst­e Waldböden zu finden. Es war verzweifel­te Liebesmüh auf der kargen Balkan-Halbinsel. Immerhin ging Theophrast als Vater der Waldwissen­schaft in die Geschichte ein. Fast wäre nicht einmal das gelungen. Denn der Grieche teilte ein Schicksal vieler kluger Zeitgenoss­en, deren Werke für uns scheinbar verloren gingen. Griechisch­e Geistessch­ätze, ob Philosophi­e, Mathematik, Physik, Medizin oder Literatur verschwand­en, wenn sie nicht beim Brand der berühmten Bibliothek von Alexandria vernichtet wurden, in den Wirren der Völkerwand­erung und des frühen europäisch­en Mittelalte­rs. Als Retter unserer klassische­n Kultur erwiesen sich die Gelehrten der islamische­n Welt. Sie blieben kulturell auf der Höhe, als es bei uns drunter und drüber ging. Sie archiviert­en, kopierten und übersetzte­n liebevoll die Werke der alten Griechen, deren Weisheit sie schätzten. Dank ihres Bildungshu­ngers konnte das Abendland dann wiederentd­ecken, was verloren schien.

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