Den Krähen an den Kragen
Natur Die Vögel sind besonders in Schwaben weitverbreitet. Warum die hochintelligenten Tiere bei vielen Menschen so unbeliebt sind und welche Überlegungen es nun gibt, sie loszuwerden
Meitingen Mehr als das Rauschen des Windes in den Baumkronen ist an diesem Sommermorgen nicht zu hören. Im Frühling aber sei der Geräuschpegel hier ein ganz anderer, sagt Fabian Mehring. Der Landtagsabgeordnete der Freien Wähler und Parlamentarische Geschäftsführer seiner Regierungsfraktion steht in der Nähe eines Wäldchens am Ortsrand von Meitingen im Landkreis Augsburg. Er deutet auf ein Vogelnest und sagt: „Manchmal geht es hier zu wie in einem Hitchcock-Film. Man klatscht in die Hände und unzählige Vögel fliegen hoch.“Seine Meinung ist deutlich: Schwaben hat ein Krähen-Problem. Und dieses Problem will Mehring nun angehen. Er will den Krähen an den Kragen – mithilfe von Umweltminister Thorsten Glauber, Mehrings Parteikollege.
Die Ausgangssituation ist die: Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Bayern mehr als 10 000 SaatkrähenBrutpaare. In nur etwa 50 Jahren wurde der Bestand durch eine rücksichtslose Verfolgung der Tiere massiv dezimiert. 1955 gab es den Angaben des Bayerischen Landesamtes für Umwelt zufolge im Freistaat nurmehr 600 Brutpaare. In den folgenden Jahrzehnten erholte sich der Bestand, 2011 wurden wieder etwas mehr als 7000 Brutpaare gezählt. Saatkrähen kommen aber nicht überall in Bayern vor – sondern nur in Schwaben, Unterfranken, Oberbayern und Niederbayern. Der Verbreitungsschwerpunkt liegt mit 50 Prozent des bayerischen Bestandes in Schwaben.
Und deswegen sind die tiefschwarzen Vögel in der Region auch ein besonderes Reizthema. Ständig bekomme er Post von Bürgermeistern, die über zu viele Krähen in ihren Gemeinden klagten, erzählt Mehring. „Wir sehen, dass die aktuellen rechtlichen Möglichkeiten, die die Kommunen haben, nicht ausreichen.“Deswegen müsse es eine Neubewertung geben.
Mehring stellt sich die Sache so vor: Zunächst müsse es eine Bestandserhebung geben. Wenn sich abzeichne, dass die Population stark wachse, dann gebe es keinen Grund, die Saatkrähe – die Art, über die es hierzulande besonders viele Beschwerden gibt – mehr zu schützen als die Rabenkrähe. Denn die darf im Gegensatz zur Saatkrähe zu bestimmten Zeiten gejagt werden. Und Saatkrähen abzuschießen, das könnte sich Mehring in Ausnahmefällen auch in Kommunen vorstellen, die von den Tieren enorm beeinträchtigt sind. Eine Stadt, die besonders unter den Krähen leidet, ist etwa Kempten. Dort wurden sogar schon die Parkplätze am Stadtpark wegen der Vögel gesperrt. Die Begründung der Stadt: Durch den vielen Kot könnte der Lack der Autos beschädigt werden.
Mehring fordert zudem, dass es die Ausnahmegenehmigungen für das Vergrämen der Krähen nicht nur bis zum Einsetzen der Brutzeit gibt, sondern auch darüber hinaus. Und er plädiert dafür, dass es künftig eine Art Ausgleichsfonds für Krähenschäden gibt. „Warum sollte der Teichwirt entschädigt werden, wenn ihm der Kormoran die Fische wegfrisst, der Landwirt, der unter den Krähen leidet, aber nicht?“
Einer, der das auch so sieht, ist Josef Bissinger. Zwei Maisfelder des Bio-Landwirts aus Mertingen im Landkreis Donau-Ries wurden komplett leer gefressen. Bissinger säte nach – und wieder fraßen ihm die Krähen den Mais weg. „Ich habe in diesem Jahr einen Verlust von 15000 Euro“, sagt Bissinger. Und darauf bleibt er wohl sitzen. Ganz will er die Hoffnung aber noch nicht aufgeben. Sein Antrag werde geprüft, habe man ihm mitgeteilt. „Irgendwie muss man das Problem lösen, die Krähen sind zu viel. Den Bestand zu dezimieren, ist die einzig sinnvolle Lösung“, sagt der Landwirt.
In Bayern gab es in der Vergangenheit schon mehrere – teils kreative – Versuche, die Vögel loszuwerden. In Kempten wurde eine Drohne eingesetzt, die mit lauter Musik und feindlichen Vogelgeräuschen die Krähen von den Bäumen fernhalten sollte. Und in Gersthofen im Landkreis Augsburg marschierte sogar eine Blaskapelle auf, um es den Krähen im Nogent-Park ungemütlich zu machen. Letztlich half dort aber nur den Einsatz eines Falken.
So war es auch in Meitingen. Dort wurden die Vögel erfolgreich aus dem Schlosspark vertrieben. Die meisten von ihnen leben nun in einem kleinen Wäldchen im Norden der Marktgemeinde. Der Falke wird aber nach wie vor eingesetzt. Für die nächsten zwei Jahre hat Meitingen dafür wieder eine Genehmigung bekommen. Der Vogel soll im Winter verhindern, dass sich die Krähen erneut im Park ansiedeln.
Andreas von Lindeiner vom Landesbund für Vogelschutz weiß, dass Krähen bei vielen Menschen nicht sonderlich beliebt sind, wegen des Kots und der Lautstärke. „Ich kann verstehen, dass man genervt ist, wenn man nicht mehr schlafen kann“, sagt er. Von einem Abschuss hält er aber nichts. „Das ist eine Standardforderung, die immer wieder kommt. Das ist wie beim Wolf“, sagt der Vogelexperte. Der beste Weg, mit der Situation zurechtzukommen, sei, die Brutplätze unattraktiv zu machen. Weil die Krähen aber extrem intelligent sind, ist das gar nicht so einfach. Ein Knall aus einer Schreckschusspistole bringt zum Beispiel wenig. Denn die schlauen Tiere lernen schnell, dass ihnen dadurch keine Gefahr droht.
Mehring hat mittlerweile einen Brief an das bayerische Umweltministerium geschrieben. Dort, so der FW-Politiker, müsse nun überlegt werden, welche Möglichkeiten es im Kampf gegen die Krähen geben könnte.
Sogar Blaskapellen rückten zur Vergrämung an