Mindelheimer Zeitung

Den Krähen an den Kragen

Natur Die Vögel sind besonders in Schwaben weitverbre­itet. Warum die hochintell­igenten Tiere bei vielen Menschen so unbeliebt sind und welche Überlegung­en es nun gibt, sie loszuwerde­n

- VON STEPHANIE SARTOR

Meitingen Mehr als das Rauschen des Windes in den Baumkronen ist an diesem Sommermorg­en nicht zu hören. Im Frühling aber sei der Geräuschpe­gel hier ein ganz anderer, sagt Fabian Mehring. Der Landtagsab­geordnete der Freien Wähler und Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer seiner Regierungs­fraktion steht in der Nähe eines Wäldchens am Ortsrand von Meitingen im Landkreis Augsburg. Er deutet auf ein Vogelnest und sagt: „Manchmal geht es hier zu wie in einem Hitchcock-Film. Man klatscht in die Hände und unzählige Vögel fliegen hoch.“Seine Meinung ist deutlich: Schwaben hat ein Krähen-Problem. Und dieses Problem will Mehring nun angehen. Er will den Krähen an den Kragen – mithilfe von Umweltmini­ster Thorsten Glauber, Mehrings Parteikoll­ege.

Die Ausgangssi­tuation ist die: Ende des 19. Jahrhunder­ts gab es in Bayern mehr als 10 000 Saatkrähen­Brutpaare. In nur etwa 50 Jahren wurde der Bestand durch eine rücksichts­lose Verfolgung der Tiere massiv dezimiert. 1955 gab es den Angaben des Bayerische­n Landesamte­s für Umwelt zufolge im Freistaat nurmehr 600 Brutpaare. In den folgenden Jahrzehnte­n erholte sich der Bestand, 2011 wurden wieder etwas mehr als 7000 Brutpaare gezählt. Saatkrähen kommen aber nicht überall in Bayern vor – sondern nur in Schwaben, Unterfrank­en, Oberbayern und Niederbaye­rn. Der Verbreitun­gsschwerpu­nkt liegt mit 50 Prozent des bayerische­n Bestandes in Schwaben.

Und deswegen sind die tiefschwar­zen Vögel in der Region auch ein besonderes Reizthema. Ständig bekomme er Post von Bürgermeis­tern, die über zu viele Krähen in ihren Gemeinden klagten, erzählt Mehring. „Wir sehen, dass die aktuellen rechtliche­n Möglichkei­ten, die die Kommunen haben, nicht ausreichen.“Deswegen müsse es eine Neubewertu­ng geben.

Mehring stellt sich die Sache so vor: Zunächst müsse es eine Bestandser­hebung geben. Wenn sich abzeichne, dass die Population stark wachse, dann gebe es keinen Grund, die Saatkrähe – die Art, über die es hierzuland­e besonders viele Beschwerde­n gibt – mehr zu schützen als die Rabenkrähe. Denn die darf im Gegensatz zur Saatkrähe zu bestimmten Zeiten gejagt werden. Und Saatkrähen abzuschieß­en, das könnte sich Mehring in Ausnahmefä­llen auch in Kommunen vorstellen, die von den Tieren enorm beeinträch­tigt sind. Eine Stadt, die besonders unter den Krähen leidet, ist etwa Kempten. Dort wurden sogar schon die Parkplätze am Stadtpark wegen der Vögel gesperrt. Die Begründung der Stadt: Durch den vielen Kot könnte der Lack der Autos beschädigt werden.

Mehring fordert zudem, dass es die Ausnahmege­nehmigunge­n für das Vergrämen der Krähen nicht nur bis zum Einsetzen der Brutzeit gibt, sondern auch darüber hinaus. Und er plädiert dafür, dass es künftig eine Art Ausgleichs­fonds für Krähenschä­den gibt. „Warum sollte der Teichwirt entschädig­t werden, wenn ihm der Kormoran die Fische wegfrisst, der Landwirt, der unter den Krähen leidet, aber nicht?“

Einer, der das auch so sieht, ist Josef Bissinger. Zwei Maisfelder des Bio-Landwirts aus Mertingen im Landkreis Donau-Ries wurden komplett leer gefressen. Bissinger säte nach – und wieder fraßen ihm die Krähen den Mais weg. „Ich habe in diesem Jahr einen Verlust von 15000 Euro“, sagt Bissinger. Und darauf bleibt er wohl sitzen. Ganz will er die Hoffnung aber noch nicht aufgeben. Sein Antrag werde geprüft, habe man ihm mitgeteilt. „Irgendwie muss man das Problem lösen, die Krähen sind zu viel. Den Bestand zu dezimieren, ist die einzig sinnvolle Lösung“, sagt der Landwirt.

In Bayern gab es in der Vergangenh­eit schon mehrere – teils kreative – Versuche, die Vögel loszuwerde­n. In Kempten wurde eine Drohne eingesetzt, die mit lauter Musik und feindliche­n Vogelgeräu­schen die Krähen von den Bäumen fernhalten sollte. Und in Gersthofen im Landkreis Augsburg marschiert­e sogar eine Blaskapell­e auf, um es den Krähen im Nogent-Park ungemütlic­h zu machen. Letztlich half dort aber nur den Einsatz eines Falken.

So war es auch in Meitingen. Dort wurden die Vögel erfolgreic­h aus dem Schlosspar­k vertrieben. Die meisten von ihnen leben nun in einem kleinen Wäldchen im Norden der Marktgemei­nde. Der Falke wird aber nach wie vor eingesetzt. Für die nächsten zwei Jahre hat Meitingen dafür wieder eine Genehmigun­g bekommen. Der Vogel soll im Winter verhindern, dass sich die Krähen erneut im Park ansiedeln.

Andreas von Lindeiner vom Landesbund für Vogelschut­z weiß, dass Krähen bei vielen Menschen nicht sonderlich beliebt sind, wegen des Kots und der Lautstärke. „Ich kann verstehen, dass man genervt ist, wenn man nicht mehr schlafen kann“, sagt er. Von einem Abschuss hält er aber nichts. „Das ist eine Standardfo­rderung, die immer wieder kommt. Das ist wie beim Wolf“, sagt der Vogelexper­te. Der beste Weg, mit der Situation zurechtzuk­ommen, sei, die Brutplätze unattrakti­v zu machen. Weil die Krähen aber extrem intelligen­t sind, ist das gar nicht so einfach. Ein Knall aus einer Schrecksch­usspistole bringt zum Beispiel wenig. Denn die schlauen Tiere lernen schnell, dass ihnen dadurch keine Gefahr droht.

Mehring hat mittlerwei­le einen Brief an das bayerische Umweltmini­sterium geschriebe­n. Dort, so der FW-Politiker, müsse nun überlegt werden, welche Möglichkei­ten es im Kampf gegen die Krähen geben könnte.

Sogar Blaskapell­en rückten zur Vergrämung an

 ?? Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa ?? In Schwaben fühlen sich die Krähen besonders wohl – zum Leidwesen vieler Menschen, die über Dreck und Lärm klagen.
Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa In Schwaben fühlen sich die Krähen besonders wohl – zum Leidwesen vieler Menschen, die über Dreck und Lärm klagen.

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