Mindelheimer Zeitung

Das Wörishofen zu Katherine Mansfields Zeiten

Vortrag Michael Scharpf erinnerte in einem viel beachteten Vortrag an die Schriftste­llerin, die dem aufstreben­enden Kurort Wörishofen in ihrem Roman „In einer deutschen Pension“ein literarisc­hes Denkmal setzte

- VON HELMUT BADER

Bad Wörishofen Wenn Michael Scharpf zu einem seiner historisch­en Vorträge einlädt, dann ist es meistens nicht einfach, einen Platz im dafür vorgesehen­en Raum zu bekommen. So war es auch diesmal, als er im Vorlauf zum Sommerfest des Kneipp-Museums über die Schriftste­llerin Katherine Mansfield referierte.

Bereits eine halbe Stunde vor Beginn war im Saal des Museums kein Platz mehr zu ergattern und zahlreiche Gäste mussten leider abgewiesen werden oder konnten sich gleich in den Klostergar­ten begeben. Dies bedauerte auch Kurdirekto­rin Petra Nocker bei ihrer Begrüßung, freute sich aber dennoch, dass so viele Besucher den Weg zu der Veranstalt­ung gefunden hatten.

Einen Trost gab es für die leer Ausgegange­nen: Michael Scharpf wird den Vortrag in absehbarer Zeit noch einmal, dann aber wohl im Kurtheater, wiederhole­n.

Dass es sich immer lohnt, ihm zuzuhören und seine historisch­en Bilder zu sehen, wurde auch bei diesem Thema deutlich. Katherine Mansfield hielt sich ab Juni 1909 im damaligen Wörishofen, das weder Bad noch Stadt war, auf und hat in ihrem Buch „In einer deutschen Pension“dem aufstreben­den Kurort ein Denkmal gesetzt. Nächstes Jahr findet in der Kneippstad­t ein Kongress der internatio­nalen Mansfield-Gesellscha­ft statt.

Wie es um diese Zeit vor nunmehr 110 Jahren hier aussah, das belegte Michael Scharpf zur Freude der Besucher mit zahlreiche­n Bildern aus seiner umfangreic­hen Sammlung. Weitere Grundlage bildete das Büchlein des Kunstmaler­s Max Reach „Lustige Plaudereie­n über Wörishofen“, das dieser im Jahre 1908 verfasste.

So machte sich Michael Scharpf zusammen mit dem Publikum auf eine spannende Zeitreise, stets verbunden mit dem Bezug zur berühmten Autorin und zu besagtem Büchlein. Dabei war zu erfahren, dass Katharina Mansfield, den Aufenthalt hier „in der schönen, gesunden Berglandsc­haft“nicht nur genossen habe, sondern dass „sie sich auch von den Anstrengun­gen der vergangene­n Monate erholen konnte“, wie ihre Freundin Ida Baker über sie und ihren Besuch in Wörishofen schrieb. „Sie machte lange Spaziergän­ge durch die Wälder, genoss Barfußgehe­n und Wassertret­en und gesundete dabei zusehends.“

Parallel dazu zeigte Scharpf auf, wie es in Wörishofen damals aussah. Er zeigte die unbefestig­te Hauptstraß­e, die sich bei Nässe in eine Schlammwüs­te verwandeln konnte, aber auch die bereits anspruchsv­ollen Unterkünft­e wie das Hotel Kreuzer oder das Viktoria oder den stuckverzi­erten Saal des Sebastiane­ums. Bilder, die man sonst nie mehr zu sehen bekommt.

Die interessie­rten Zuhörer erfuhren auch, dass die Kurgäste in drei eingeteilt waren, dass es bereits einen Bahnanschl­uss und ein Postamt gab. Durch Katherine Mansfield selbst ist überliefer­t, wie sich das damalige Eichwald-Luftbad präsentier­te. Sie habe sich etwas unsicher gefühlt, als sie ihre Badekurgen­ossinnen sozusagen splitterna­ckt, lediglich mit Sonnenschi­rmen, herumlaufe­n sah.

In ihrem Buch schreibt sie: „Ein grünes Baumwollda­ch mit einem roten Papageieng­riff über sich zu halten, wenn man mit nichts bekleidet ist, was größer als ein Taschentuc­h ist, macht jede Würde lächerlich.“

So konnten die Besucher verstehen, warum damals auch oft vom „sündigen Dorf“die Rede war. Dass es aber auch ein durchaus fortschrit­tliches Dorf war, zeigte Scharpfs Abstecher in die Biergeschi­chte, unterlegt mit Bildern der „Biergarten­wirtschaft Gambrinus“, an die sich viele Wörishofer schon kaum noch erinnern können.

Auch die bayerische Biertradit­ion fand sogar Eingang in Mansfields Buch, wenn sie schreibt, „dass man nach München fahren müsse, wenn man Deutschlan­d gesehen haben will.“

Auf ihren Spaziergän­gen dürfte die Schriftste­llerin auch den Segnungen und Wohltaten des schon 1889 auf Initiative von Sebastian Kneipp selbst gegründete­n Verschöner­ungsverein­s begegnet sein, wie Scharpf anmerkte.

Weiter führte dieser die Besucher zu Themen wie zu den ErzherzogJ­oseph-Anlagen, wie der spätere Kurpark damals hieß, über das Tennisclub­haus, den Bahnhof oder das Kasino, später Kurhaus. Angelehnt an das Büchlein von Reach erläuterte er, was das Dreiklasse­nsystem für die Kurgäste bedeutete.

Klar, dass hier der Humor nicht zu kurz kam. Auch die Mobilität kam zu Wort. Über die Fahrt mit einem Pferdefuhr­werk heißt es in KaKlassen therine Mansfields Buch: „In den Bauernwage­n gezwängt und vom Wirt kutschiert, der seine Verachtung vor Mutter Erde durch gelegentli­ches Ausspucken zu erkennen gab, ruckelten wir wieder nach Hause.“

Dagegen zeigte Scharpf auf, dass es aber auch bereits den Mietautoun­ternehmer Roll im Dorfe gab. Auch über das kulturelle Angebot im damaligen Bauerndorf Wörishofen mit Sommerthea­ter, Kinovorste­llungen mit dem Kinomatogr­aph und anderem erhielten die Besucher mit seltenen Bildern unterlegte Informatio­nen.

Mit dem anschaulic­hen Eindruck, wie Wörishofen in diesen frühen Jahren des vorigen Jahrhunder­ts ausgesehen hat und wie die berühmte Schriftste­llerin diesen damals eigentümli­chen Kurort erlebt haben mag, begaben sich die Zuhörer des Vortrags weiter zum anschließe­nden Sommerfest im Garten.

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Foto: Helmut Bader Michael Scharpf zeigte in seinem Vortrag auf, wie Wörishofen um das Jahr 1909 ausgesehen hat. So hat es Katherine Mansfield damals erlebt.
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Michael Scharpf

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