Gegen Schottergärten und Asphaltwüsten
Naturschutz Verschönerungsverein und Bund Naturschutz kritisieren die Entwicklung in Bad Wörishofen und fordern die Stadt zum Handeln auf. Vorschriften würden zu wenig kontrolliert
Bad Wörishofen In Neubaugebieten entstehen immer mehr „ökologisch tote Schottergärten und unnötig versiegelte Flächen, wo eigentlich Pflanzenvielfalt erwünscht ist“: So kritisiert Michael Scharpf eine aktuelle Entwicklung, die ihm sehr missfällt. „Dieser Trend nimmt immer mehr Fahrt auf und ist leider auch in Bad Wörishofen und selbst in seinen dörflichen Ortsteilen zu beobachten“, beklagt der Vorsitzende des Verschönerungsvereins Bad Wörishofen.
Zusammen mit Alexander Siebierski, dem Vorsitzenden der Ortsgruppe Bad Wörishofen des Bund Naturschutz, fordert er die Stadt Bad Wörishofen nun auf, Bebauungspläne „stärker als bisher an Klimaschutzzielen auszurichten und die Einhaltung bereits bestehende Regelungen zu kontrollieren“.
Denn auch hier sehen Scharpf und Siebierski Nachholbedarf. „Beispielsweise besagt die Bayerische Bauordnung unter Paragraf 7 eindeutig, dass Flächen, die nicht überbaut sind, wasseraufnahmefähig zu belassen und zu begrünen oder zu bepflanzen sind, soweit dem nicht die Erfordernisse einer anderen zulässigen Verwendung der Flächen entgegenstehen“, verdeutlichen sie.
Darüber hinaus gebe es für Bad Wörishofens Neubaugebiete Bebauungspläne mit klaren Vorgaben, wie die nicht bebauten Teile des Grundstücks zu gestalten und einzufrieden sind. Dort wo keine Bebauungspläne existieren, beispielsweise im Altbestand, greife die Ortsgestaltungssatzung in der aktuellen Fassung von 2016. „Das Problem ist nur, dass das kein Mensch kontrolliert“, sagt Scharpf.
Das habe seine Nachfrage im Bauamt ergeben. „Damit sind Auflagen bei Baugenehmigungen und Pflanzpläne völlig wertlos, jeder kann eigentlich machen, was er will“, kritisiert Scharpf.
„Sanktionen sind praktisch nicht zu befürchten und so werden zwei Meter hohe Gabionenwände um die Grundstücke errichtet oder Granitfelsen aufgetürmt, statt natürlicher Hecken, in denen Vögel Unterschlupf finden“. Von „Vertikalschotter“spricht Scharpf in Bezug auf die Gabionenwände.
Beide Kritiker betonen, dass nun gehandelt werden muss – und haben ein geeignetes Werkzeug ausgemacht. „Dieses Thema muss unbedingt in das integrierte städtebauliche Entwicklungskonzept Eingang finden, das derzeit für die Stadt erarbeitet wird“, finden Scharpf und Siebierski. Gerade Vorgärten und kleine Grünflächen hätten eine besondere Bedeutung für das Klima und die Artenvielfalt in der Stadt. „Sie bilden ökologische Trittsteine für Pflanzenarten, Insekten und Vögel, die auf der Suche nach Nahrung und Nistplätzen von Trittstein zu Trittstein wandern“, erläutern Scharpf und Siebierski. „Grünflächen liefern außerdem saubere, frische Luft.“
Das Problem von Steingärten dagegen sei: „Sie bieten nicht nur keinen Lebensraum für Bienen, Vögel oder Igel, sie wirken durch die aufgeheizten Steine in immer heißeren Sommern wie kleine Heizöfen, weil sie massiv Wärme speichern.“Nachts gäbe es so keine echte Abkühlung und das sei schlecht für das Mikroklima der Städte, sagen Fachleute.
„Thermografieaufnahmen bei 23 Grad Außentemperatur ergaben bei einem Versuch in Rheda Wiedenbrück: Während ein Rasenfeld 16,5 Grad Celsius anzeigte, hatte sich ein Schotterkasten mit mittelgrauem, kleinen Kies auf 43,5 Grad Celsius aufgeheizt“, berichten Scharpf und Siebierski. „Das Thermografiebild, das am selben Ort am nächsten Tag nach einigen Stunden Sonnenschein aufgenommen wurde, zeigte sogar eine Erhitzung auf 62,2 Grad Celsius.“
Scharpf und Siebierski wollen auch damit aufräumen, dass Schotterflächen und Steingärten angeblich pflegeleichter sind. Zeit für Gartenarbeit will sich ja nicht jeder nehmen. Rasenmähen, Gießen und Unkraut jäten sollen wegfallen. „Doch auch im Steingarten gibt es immer etwas zu tun“, sagen Scharf und Siebierski. „Blätter fallen auf die Flächen und müssen abgesammelt werden, denn sonst siedeln sich in den Fugen Gräser und Pflanzen an.
Ebenso bildet sich Moos auf den Steinen, wenn diese nicht regelmäßig gereinigt werden. Nach zwei, drei Jahren wird dann fast zwangsläufig zur chemischen Keule gegriffen, um das sprießende Unkraut zu beseitigen.“
Ein naturnaher Garten würde langfristig betrachtet genauso viel oder wenig Arbeit machen, sind sich die beiden Naturschützer einig. Heimische Pflanzen locken Schmetterlinge, Hummeln und Vögel in den Garten. „Wer seinen Garten standortgerecht plant, schafft ein Stück Natur und trägt zur Artenvielfalt bei. Schottergärten dagegen sind ökologisch so tot wie ein Stück Autobahn“, sagen Scharpf und Siebierski.
Eine Selbstverständlichkeit sollte ihrer Meinung nach eigentlich sein, dass die Stadt Bad Wörishofen in diesem Bereich mit gutem Beispiel voran geht. „Leider werden aber in Neubaugebieten teils unsinnig große Teerflächen angelegt und Versickerungsstreifen für Niederschlagswasser nicht mehr begrünt, wie noch anfangs beispielsweise sehr schön in der Glücksstraße, sondern geschottert, weil man da nicht mähen muss“, kritisieren sie.
In Zeiten, in denen Jugendliche im Zuge der „Fridays for future“-Bewegung für den Klimaschutz auf die Straße gehen, mache es aber Sinn, den Grundsatz „Global denken – lokal handeln“zu beherzigen, betonen sie.
„Und da gilt es, nicht einseitig nur die Landwirte in die Pflicht zu nehmen, wie diese zu Recht kritisieren.“Auch private Bauherren und Grundstücksbesitzer trügen hier Verantwortung für die Umwelt. „Unsere Hausgärten sind unter ökologischen Gesichtspunkten das Hochwertigste, was es gibt“, unterstreichen die Vorsitzenden von Bund Naturschutz und Verschönerungsverein.
„Der Artenreichtum hängt auch davon ab, dass Gärten und Straßenbegleitgrün einigermaßen naturnah gestaltet sind – gerade in einem Kurort wie Bad Wörishofen, an der Wiege eines einzigartigen Naturheilverfahrens, wo ganz besonders genau auf eine intakte Umwelt geachtet werden sollte.“
„Gerade Vorgärten und kleine Grünflächen haben eine besondere Bedeutung für das Klima und die Artenvielfalt in der Stadt.“
Michael Scharpf