Ein Dorf darf sich entwickeln
Dorferneuerung Wiedergeltingen wächst weiter, ein neues Baugebiet soll bald ausgewiesen werden. Was sich aus dieser Situation heraus gestalten lässt und was das Aurbacher-Haus damit zu tun hat
Wiedergeltingen Vor einigen Wochen fanden im Rahmen der Haushaltsberatungen des Gemeinderates sehr gute Nachrichten aus dem Wiedergeltinger Rathaus den Weg in die Öffentlichkeit: Die Gemeinde wird ab März 2020 das erste Mal seit 41 Jahren schuldenfrei sein (MZ berichtete). Trotz der Aussicht eines Investitionsbedarfs in Höhe von rund 1,7 Millionen Euro im Haushaltsplan 2019 und knapp fünf Millionen Euro im Finanzplan der Jahre 2020 bis 2022 wird Wiedergeltingen aller Voraussicht nach keine neuen Kredite aufnehmen müssen.
Dennoch hatte Claus-Dieter Hiemer, Kämmerer der Verwaltungsgemeinschaft (VG), an diesem Abend auch auf Eventualitäten hingewiesen, die - wenn sie denn kämen - eine Kreditaufnahme wieder wahrscheinlicher machten. So seien Maßnahmen im Zuge der Dorferneuerung derzeit noch nicht in der Finanzplanung der kommenden Jahre enthalten. „Sollte etwa ein Gemeindehaus gewünscht werden, müssten sich die Planungen dafür ändern“, sagte er.
Das gelte dann auch für die Umgehungsstraße, die immer einmal wieder in den Fokus der Gemeinde rücke. „Wenn sie käme, steht das Zahlenwerk auf dem Kopf“, so Hiemer, „denn diese Kosten können im Vorfeld nicht abgeschätzt werden“.
Was sich nun tatsächlich in den kommenden Jahren in Wiedergeltingen entwickeln könnte, bleibt abzuwarten. Der Startschuss zum Einstieg in die Dorferneuerung ist jedenfalls gefallen; Ende Juni dieses Jahres hatte der Gemeinderat dies in einem Grundsatzbeschluss besiegelt.
Dass Wiedergeltingen gut aufgestellt sei, das konnte sich der Ort von Bauoberrat Christoph Graf vom Amt für Ländliche Entwicklung Schwaben bereits bescheinigen lassen. Dennoch gebe es Entwicklungsbedarf, etwa in Sachen Straßen, bei diversen Objekten oder Themen, die die Dorfgemeinschaft betreffen.
Auch Bürgermeister Norbert Führer selbst könne für Wiedergeltingen einen gewissen Handlungsbedarf erkennen, in einem Bereich ausgehend von Einzelprojekten „bis hin zu etwas ganz Großem“, wie er es beschreibt. Um nächste Schritte festzulegen, „denn gewisse Aufgaben hat der Gemeinderat erkannt und will sie angehen“, konnte Führer kürzlich Christoph Graf im Rathaus begrüßen.
Gemeinsam wollte man Schwerpunkte besprechen, wohin sich die Gemeinde in den nächsten sechs bis acht Jahren entwickeln könnte. Zu den „gewissen Aufgaben“zählt Norbert Führer etwa sanierungsbedürftige, innerörtliche Straßen, wie z.B. die Lange Gasse aber auch das fehlende Dorfgemeinschaftshaus, das durch das analog dazu gestartete Seniorenkonzept an Bedeutung für den Ort hinzugewonnen habe.
Dass mittlerweile im Gasthaus Ritter wieder Leben eingekehrt sei, könne Führer nur begrüßen. Dennoch, mit Blick auf Amberg und Rammingen, wäre auch Wiedergeltingen ein Treffpunkt für alle Bürger in Form eines Dorfgemeinschaftshauses sehr zu begrüßen. „Das wird natürlich nicht von heute auf morgen gehen“, sagt der Bürgermeister. Zudem wolle man die Gemeinde „nicht über Gebühr dadurch verschulden“, und außerdem gelte es, zunächst den anstehenden Neubau des Kindergartens zu schultern.
Eine örtliche Immobilie konnte Norbert Führer dann doch in den Fokus stellen, das sogenannte Aurbacher-Haus. Bis Ende 2018 fanden der Gemeinde zugeteilte Flüchtlinge dort eine vorübergehende Bleibe; inzwischen steht das Gebäude wieder unter der Obhut Wiedergeltingens.
Jetzt wird vorübergehend der Bauhof dorthin umziehen, für den Fall, dass im jetzigen Bauhofgebäude im Osterweg künftig der Schützenverein seine „neue Heimat“findet. Könnte auf dem Grundstück des Aurbacher-Hauses mittelfristig ein Dorfgemeinschaftshaus entstehen? Eine Möglichkeit wäre das schon, sind sich Norbert Führer und Christoph Graf im Rahmen einer örtlichen Begehung einig.
Überhaupt sieht der Bauoberrat im Themenblock „Innenverdichtung“auch für Wiedergeltingen etliche Möglichkeiten. Durch finanzielle Anreize und Fördermöglichkeiten, die das Dorfentwicklungskonzept beinhalte, könnten etwa Privatleute animiert werden, ihre leerstehenden Gebäude sanieren zu lassen, fasst Graf zusammen. Sie trügen so zur privaten Dorfkernentwicklung bei. Reizvoll sei dieser Gedanke etwa bei einer Nutzung für Kleinstunternehmen, sagt der Diplom-Ingenieur. Vorstellbar wäre, diese so sanierten Häuser für das Thema Grundversorgung - im Bereich Lebensmittel oder Handwerk, etwa Friseur - zu öffnen, „sofern es der Innenentwicklung dient“, sagt Graf.
Auch das Thema „Seniorengerechtes Wohnen“spiele eine Rolle im Masterplan der Dorfentwicklung. „Es ist wünschenswert, dass unsere Bürgerinnen und Bürger so lange wie möglich in der Gemeinde wohnen bleiben können“, sagt Norbert Führer. „Oftmals ist dies jedoch aufgrund der baulichen Situation nicht möglich. Behindertengerechte und barrierefreie Wohnobjekte tragen daher ein gutes Stück zur Bewältigung dieses Problems bei“, so der Rathauschef.
Wie sehen die nächsten Schritte aus? Derzeit werden von der Gemeindeverwaltung die Zielvorstellungen schriftlich zusammengefasst und nach der „Sommerpause“sollen einige Planungsbüros angeschrieben werden mit dem Ziel, dass diese ihr Konzept im Gemeinderat vorstellen.
Der Gemeinderat trifft dann die Entscheidung, welches Planungsbüro die Gemeinde in der Vorbereitungsphase zur Dorferneuerung begleiten wird“, schildert Norbert Führer. „Die Vorbereitungsphase ist auf einen Zeitraum von knapp eineinhalb Jahren ausgelegt, das fertige Konzept liegt dann wahrscheinlich im Mai 2021 vor. In die Vorbereitungsphase sollen natürlich auch die Bürger ganz eng in Form von Bürgerdialogen und Arbeitskreisen eingebunden werden“, sagt Führer. Dass die anschließende Umsetzung einige Jahre in Anspruch nehmen wird, sei ihm bewusst. „Wir wollten dennoch jetzt den Startschuss dazu setzen.“