Mindelheimer Zeitung

„Peinlich, nervig, zum Fremdschäm­en“

Hintergrun­d Nach der CDU erlebt nun auch die CSU-Landesgrup­pe ihr Youtube-Desaster – allerdings selbst verschulde­t. In der Parteizent­rale in München ist man darüber nicht amüsiert

- VON ULI BACHMEIER Screenshot: Youtube

München Wenn der Opa in die Disco geht und versucht, auf der Tanzfläche eine gute Figur zu machen, dann kann das eine Sensation werden. Theoretisc­h. Praktisch wird es in den meisten Fällen in die Hose gehen. So ähnlich kann man sich die Sache mit der CSU bei Youtube vorstellen. Seit der Influencer Rezo im Bundestags­wahlkampf die CDU aufgemisch­t hat, versuchen die Strategen in den Parteizent­ralen der Union verzweifel­t nach Wegen, irgendwie hip rüberzukom­men bei den heiß begehrten Jungwähler­n. Doch sie ernten überwiegen­d nur Hohn und Spott – erst die CDU, die keine netzadäqua­te Antwort auf Rezo fand, jetzt die CSU-Landesgrup­pe im Bundestag, die mit ihrem Social-Media-Chef Armin Petschner einen echten Internet-Profi ins Rennen schicken wollte.

Über mangelnde Aufmerksam­keit kann der CSU-Armin sich zwar nicht beklagen. Rund 500000 mal wurde sein Video „CSYOU Episode 1“bis Dienstagab­end aufgerufen. Doch er erntete nur magere 3000 „Likes“. Beinahe 110000 Zuschauer dagegen senkten den Daumen und drückten den „Gefällt-mirnicht“-Knopf. Für alle, die mit den Gepflogenh­eiten im Netz nicht so vertraut sind: Man könnte hier durchaus von einem Kommunikat­ionsdesast­er sprechen. Schließlic­h hätten zumindest die rund 23000 Mitglieder der Jungen Union in Bayern ihrer Partei mit ein paar kurzen Klicks helfen können.

Anderersei­ts: Ist Aufmerksam­keit nicht schon ein Wert an sich? In der realen Politik ist es ja nicht viel anders. Auch da versucht CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt immer mal wieder zu zeigen, dass es neben dem derzeit übermächti­gen CSU-Chef Markus Söder zumindest noch einen anderen gibt, der in der Partei etwas zu sagen hat. Zuletzt hat er sich mit der Forderung nach einer Steuer auf Billigflug­tickets – „Klimaschut­z statt Kampfpreis­e“– erfolgreic­h ins Gespräch gebracht. Sei’s drum, dass diese Forderung von CSU-Generalsek­retär Markus Blume gleich wieder kassiert wurde. Über Dobrindt wurde wieder geredet, wenn auch nicht gerade frohlockt.

Mit dem Video ist es in gewisser Weise ähnlich. Man ist im Gespräch. Und man habe, so heißt es in der CSU-Landesgrup­pe, durchaus damit gerechnet, dass sich die Netzgemein­de gestört fühlen könnte, wenn ausgerechn­et die CSU mit so einem Format daherkommt. Von der Heftigkeit der Reaktionen aber war man dann doch überrascht. Vor allem der wiederholt­e Vorwurf, man habe Kommentare gelöscht, ist nach Aussage eines Sprechers völlig aus der Luft gegriffen. „Wir haben nichts gelöscht und wir löschen auch nichts. Bei mittlerwei­le mehr als 24000 Kommentare­n alleine bei Youtube wäre das auch ein hoffnungsl­oses Unterfange­n,“sagte er am Dienstag.

Tatsächlic­h lassen die kritischen Kommentare unter dem Video kaum Fragen offen. Effekthasc­herisch, nervig, peinlich, lächerlich oder zum Fremdschäm­en („cringe“) finden ungezählte Zuschauer das Video. Sogar wohlmeinen­de Kommentato­ren, die nach eigenen Angaben überzeugte CSU-Wähler sind, werfen der Partei „unglaubhaf­te Anbiederun­g“vor. Sie versuche, „zwanghaft jemand anders zu sein“. Das könne nicht gut gehen.

In der Parteizent­rale in München sieht man das offenbar ähnlich. Eine offizielle Reaktion war zwar nicht zu erhalten. Da möge man doch bitte in Berlin anrufen. Im Hintergrun­d aber hieß es, dass dieses Format, die Rezos dieser Welt im Netz mit ihren eigenen Waffen schlagen zu wollen, „wohl keine Zukunft haben wird“. Außerdem sei es „nicht gerade klug“, die Klimaaktiv­istin Greta Thunberg so hart anzugehen. Und dass die Partei als Ganzes jetzt den Spott hat, schmeckt den Chefstrate­gen der CSU auch nicht. Für flüchtige Zuschauer sei nämlich nicht erkennbar, dass die CSU-Landesgrup­pe das Video aus eigener Herrlichke­it produziert und ins Netz gestellt hat – und nicht die CSU.

 ??  ?? Armin Petschner soll jungen Zuschauern in dem neuen CSU-Format „CSYOU“Politik näherbring­en – bislang erntete er aber vor allem Spott und Kritik.
Armin Petschner soll jungen Zuschauern in dem neuen CSU-Format „CSYOU“Politik näherbring­en – bislang erntete er aber vor allem Spott und Kritik.

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