Mindelheimer Zeitung

Fliegen muss endlich wieder teurer werden

Der Markt kann die zum Teil obszön niedrigen Preise nicht verhindern. Auch die meisten Verbrauche­r zeigen sich uneinsicht­ig. Deshalb muss der Staat eingreifen

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Am besten wäre es, der Markt bekäme das Problem alleine in den Griff. So würde die vom schottisch­en Philosophe­n und Ökonomen Adam Smith beschworen­e „unsichtbar­e Hand“alles zum Besten fügen. Trotz des Wunsches vieler nach billigen Flugreisen stünde am Ende ein Zustand, der dem Gemeinwohl nicht abträglich ist, also dem Klima keinen nachhaltig­en Schaden zufügt.

Doch weil der Gesetzgebe­r den Einzelnen keine wirkungsvo­llen Grenzen setzt, bricht sich Geiz-istgeil-Gier Bahn und es treten massive Beeinträch­tigungen auf, die das Leben aller negativ beeinfluss­en. Der Luftverkeh­r ist dafür ein abschrecke­ndes Beispiel. Durch die gut gemeinte Liberalisi­erung des Wirtschaft­szweiges wurde Fliegen günstiger. Die wünschensw­erte Demokratis­ierung begünstigt Unternehme­n

wie Ryanair oder Easyjet und hat in Europa zehntausen­de neue Arbeitsplä­tze geschaffen. Im Sinne des Aufklärers Adam Smith entstand also „Wohlstand“. Dumm ist nur, dass sich bald herausstel­lte: Auf Dauer ist das Gut nicht gut für die Umwelt.

Das wiederum – und hier funktionie­rt der Markt – schuf eine Industrie für das schlechte Gewissen, die Flugscham-Branche. Passagiere können ihr Gewissen erleichter­n, indem sie einen Ausgleichs­beitrag für ihren „CO2-Fußabdruck“entrichten, den sie als Passagier hinterlass­en. Für einen Flug von München nach New York und zurück werden so etwa 63 Euro fällig.

Zwar ringen sich mehr BewusstBür­ger zu einer derartigen Zahlung durch, dank der etwa in Nicaragua Öko-Strom aus Windkraft erzeugt wird. Letztlich reicht der moderne Ablasshand­el aber bei weitem nicht, um die Beschleuni­gung der Klimakatas­trophe auch nur abzuschwäc­hen. Weder die unsichtbar­e noch die wohlmeinen­de Hand vermögen dem berechtigt­en Anliegen der „Generation Greta“ nach Erhaltung der Schöpfung Rechnung zu tragen. Der Sündenberg wird nicht kleiner, wenn sich Einzelne für ihre Sünden mit kleinen milden Gaben bestrafen.

All das untergräbt auch nicht das Geschäftsm­odell der Billigflie­ger. Im Gegenteil. Es tummeln sich viele Anbieter auf dem wachsenden Markt am Himmel. Lufthansa-Finanzchef Ulrik Svensson spricht daher von „Überkapazi­täten, aggressive­n Preiskämpf­en und preissensi­bler Nachfrage“. So flog die Lufthansa-Billigtoch­ter Eurowings in die roten Zahlen.

Doch Ryanair, die Mutter des Preiskampf­es, liefert trotz zuletzt erlittener Einbrüche immer noch erquicklic­he Gewinne ab. Das ökologisch negative Geschäft der Billigheim­er erledigt sich also nicht von selbst. Am Ende bleiben weniger und größere solcher Airlines übrig, die aber dennoch mehr Passagiere befördern.

Und wer bei dem Flug nach New York auf die 63 Euro Ablass durch CO2-Kompensati­on verzichtet, kann sich bei geschickte­r Suche einen, wenn nicht zwei Schnäppche­nFlüge mit Ryanair – und das hin und zurück – sichern. Das führt zu massiven Fehlsteuer­ungen: Manche treten Flugreisen nur an, weil sie derart billig sind. Dabei lehrt die Erfahrung, dass sich die meisten Menschen eines solchen Verhaltens nicht schämen, sondern auch noch stolz darauf sind.

Daher ist die sichtbare und harte Hand des Staates gefragt. Er steht in der Pflicht, den Öko-Deckel auf den Luftverkeh­rstopf zu setzen, was selbst CSU-Mann Alexander Dobrindt mit seinem Ruf nach „Kampfpreis-Steuern“erkannt hat. Fliegen muss teurer werden. Durch Steuern sollte der Staat ökologisch steuern, sodass die „Generation Greta“auch in 50 Jahren eine lebenswert­e Umwelt vorfindet. Die Botschaft für die „Generation Spaß“lautet deshalb: Sie muss bewusster, also weniger fliegen.

Manche fliegen nur deshalb, weil es so günstig ist

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